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Samstag, 17. Dezember 2022

Die Vielfalt der Fäden

Kompliziert? Unkompliziert?

Viele werden, wenn sie auf ihr Leben zu sprechen kommen, keine großen Worte machen. Es lohnt nicht. Es ist zu kompliziert. Zu unübersichtlich. Zu viele wirre Fäden. Den Sinn des Ganzen erkennt man nicht, wozu also groß darüber nachdenken?

Was bleibt, ist eine Lähmung. Und eine diffuse Sehnsucht. Nach Glück. Nach Freundschaft. Nach Liebe, auch wenn die Bilder der Liebe, die sich bei dem allzu mißbrauchten Wort flugs einstellen mögen, mehr mit Hollywood zu tun haben als mit dem realen Leben.

Tatsächlich kennt wahrscheinlich ein jeder Momente oder auch Stunden, in denen sich der Sinn des Lebens verdunkelt. Es muß nicht gleich der große Trauerfall sein oder ein Unfall oder eine vergleichbare Katastrophe. Der Eindruck des allzu Komplizierten und – gesteigert - des Sinnlosen kann einen überfallen mitten im Supermarkt, beim Stehen an der Kassa, mit dem Blick auf das Band, auf dem die Waren weitergeschoben werden.

Etwas anderes ist es freilich, wenn sich die Krise des Komplizierten und die Versuchung der Sinnlosigkeit derart ausweiten, daß sie drohen, gewöhnlich und banal zu werden. Um dem zu begegnen, muß man nicht unbedingt in die nächste Buchhandlung rennen und sich dort einen modischen Bestseller zum Thema Die Postmoderne. Depression und Dimension kaufen. Ein lauteres Wort eines Heiligen, aufmerksam aufgenommen und ordentlich meditiert, könnte schlüssig helfen. Zum Beispiel Pater Pio. Er schreibt:

»Hör gut zu…: Denk dir eine Mutter, die sitzt und stickt. Ihr kleiner Sohn sitzt auf einem niedrigen Schemel zu ihren Füßen und schaut ihr zu. Er sieht aber nur die Rückseite der Arbeit: Ein Gewirr von Knoten und Fäden. .. Er fragt: Was soll das denn werden, Mama? Ich kann nicht erkennen, was du da machst!?
Daraufhin beugt sich die Mutter zu ihrem Kind, senkt den Stickrahmen und zeigt ihm die rechte Seite der Arbeit. Jede Farbe ist nun an ihrem Platz, und die Vielfalt der Fäden formen ein harmonisches Bild.
So ist es nämlich, wir sehen nur die Rückseite der Stickerei, denn wir sitzen auf dem niedrigen Schemel.«
… denn wir sitzen auf dem niedrigen Schemel.

Doch Gott sei Dank beugt sich die liebende vorsehende Hand immer wieder zu uns nieder und zeigt uns, den Verwirrten, die rechte Seite.
                                                                                           
Grafik: Photo by Mel Poole on unsplash.com
                                                

Freitag, 11. August 2017

Der Spargel


Es gibt viele Möglichkeiten, Gott aus dem Weg zu gehen.

Vielleicht besteht eine der raffiniertesten Methoden, seinen Unglauben zu pflegen (denn es handelt sich um Unglauben und um Methode), welche selbst unter Katholiken weitverbreitet ist, darin, aus dem Lieben Gott jemanden zu machen, der zwar allmächtig sein mag und auch weise und auch meinethalben liebevoll, aber gewiß nicht Einer, der selbst die Haare auf meinem Kopf allesamt gezählt hat (Mt 10,30), wie es die Heilige Schrift ausdrückt. Mit anderen Worten: Gott mag alles mögliche sein, nur Eines ist Er nicht und darf Er auch nicht sein: konkret.

Und in der Attitüde des jovialen und verzeihenden Bonhomme, der die Spielregeln der Welt durchschaut hat, sagt der betreffende Ungläubige dann womöglich noch: Ich versteh’ das ja, denn der Liebe Gott hat sich um weitaus wichtigere Dinge zu kümmern als um meine Angelegenheiten.

Dieser Liebe Gott ist freilich kein Lieber Gott, sondern ein kümmerlicher und bedauernswerter.

Und um diesen Zerrbild den Garaus zu machen, könnte es hilfreich sein, mal ein klitzekleines konkretes Beispiel aus dem Leben des heiligen Johannes vom Kreuz an sich heran zu lassen.

Es ist am Ende seines Lebens, als Juan, ausgezehrt, krank, verstoßen, verbraucht bis auf die Knochen, sich auf der letzten seiner ungezählten Reisen seines Lebens befindet. Die Karmelitin Teresia Benedicta a Cruce (bürgerlich Edith Stein) berichtet über diese letzte Reise in ihrem Buch Kreuzeswissenschaft. Darin heißt es:
»Es ist ein richtiger Leidensweg. Er (Johannes vom Kreuz) hat seit mehreren Tagen nichts mehr genießen können und kann sich vor Schwäche kaum im Sattel halten. Und sein krankes Bein schmerzt, als würde es ihm abgeschnitten. Dort war ja der Sitz des Übels: Es war erst angeschwollen, dann hatten sich nacheinander fünf eiternde Wunden geöffnet. Sie gaben dem Heiligen Anlaß zu dem Gebet: ›Vielmals danke ich Dir, mein Herr Jesus Christus, daß Eure Majestät mir an diesem Fuß allein die fünf Wunden verleihen wollte, die Eure Majestät an Füßen, Händen und Seite hatte: wodurch habe ich eine so große Gnade verdient?‹

Und er klagte auch bei den denkbar größten Schmerzen nicht, sondern ertrug alles mit der größten Geduld.

Nun muß er in diesem Zustand sieben Meilen weit auf Bergwegen reiten. Es geht sehr langsam voran. Er spricht mit dem Bruder, der ihn begleitet, von Gott.

Als sie drei Meilen zurückgelegt haben, schlägt der Gefährte eine Rast am Ufer des Guadalimar vor: ›Im Schatten dieser Brücke können Hochwürden etwas ruhen; die Freude, das Wasser zu sehen, wird Ihnen Appetit auf einen Bissen machen.‹ ›Gern will ich ruhen, denn ich habe es nötig; aber essen kann ich nicht, denn von allem, was Gott geschaffen hat, habe ich auf nichts Appetit als auf Spargel, und die gibt es jetzt nicht.‹

Der Bruder hilft ihm absteigen und niedersitzen. Da bemerken sie auf einem Stein ein Bündel Spargel, mit einem Weidenband gebunden, wie für den Markt. Der Bruder glaubt an ein Wunder. Aber Johannes will nichts davon hören. Er läßt ihn nach dem Eigentümer suchen, und als nirgends jemand zu entdecken ist, muß er einen cuarto als Entschädigung auf den Stein legen.«
Wie bitte? Ein Bündel Spargel?

Ja, ein Bündel Spargel. Denn der Liebe Gott ist sich tatsächlich nicht zu schade, sich noch um ein Bündel Spargel für einen seiner Lieblinge zu kümmern.

Grafik:    http://www.karmelocd.de