Samstag, 26. August 2017

Die Lügen der Abtreibungsindustrie


Die Lügen der Abtreibungsindustrie, die man kennen sollte, sind die immerselben.

Da ist zum einen die Lüge, das ungeborene Kind sei kein Kind. Es wird als Gewebe bezeichnet oder als Zellhaufen oder als irrelevantes biologisches Etwas.

Die Vermeidungsstrategien, die etwa Beraterinnen in Abtreibungsstätten beigebracht werden, sind aberwitzig. Sie sollen der Schwangeren gegenüber nicht vom Kind sprechen, sondern von der Schwangerschaft. Mit anderen Worten: Die Schwangere erwartet kein Kind, sondern eine Schwangerschaft, folglich wird ihr kein Kind durch Abtreibung getötet, sondern lediglich eine Schwangerschaft entfernt.

Die zweite Lüge besagt, daß Abtreibung konsequenzenlos ist. Die Uhr werde einfach zurückgedreht. Nach der Abtreibung kann das Leben, so die Lüge, weitergehen, als sei nichts geschehen.

Um diese Lüge zu widerlegen, genügt bereits ein kurzer Blick in eine x-beliebige entsprechende Internetseite, wo Betroffene von ihrer Abtreibung berichten. Da wird dem Lügner – hoffentlich – Hören und Sehen vergehen. Wer es lieber wissenschaftlich mag, sollte sich mal hier kundig machen über die desaströsen psychischen, physischen und mentalen Folgen von Abtreibungen.

Und die dritte Lüge gibt vor, Abtreibung sei sicher. Auch diesbezüglich reden die Fälle von verpfuschten Abtreibungen (tagein tagaus im Internet nachzulesen) eine klare Gegenrede.

Es gibt allerdings eine weitere Lüge im Abtreibungsgeschäft, die weniger offen auftritt als die oben angeführten, die aber im Grunde die perverse schlechthin ist. Es ist die Lüge, die der Abtreibung den hehren Anstrich der Freiheit verpaßt.

Dies geschieht, man ahnt es bereits, in einer Rhetorik der Zwielichtigkeit, der klandestinen Unterstellungen, der geschickten Suggestionen.

Im Amerikanischen hat sich als Slogan der aggressiven Abtreibungsbefürworter das Motto pro choice durchgesetzt. Damit wird insinuiert, daß nur derjenige, der pro Abtreibung votiert, zugleich derjenige ist, der für das Recht der Wahl und der Entscheidungsfreiheit eintritt. Der Abtreibungsbefürworter, im Klartext derjenige, der für die Tötung des Kindes plädiert, gilt als der souveräne Freie. Er ist so frei, noch über Leben und Tod entscheiden zu können.

Und wer steht dieser angemaßten souveränen Freiheit im Wege? – Das Kind. Folglich kommt das Kind in den vielbeschworenen pro-choice-Debatten erst gar nicht mehr vor, es ist noch nicht einmal Gegenstand des Interesses, es ist der Feind der Freiheit, über den es kein ernsthaftes Wort zu verlieren gilt.

Daß die so verstandene Freiheit, da sie losgelöst von jedem Wahrheits- und Wirklichkeitsanspruch daherkommt, ein Götze ist, wird verständlicherweise nicht gesagt. Es muß noch nicht einmal explizit betont werden, daß das Kind der Feind ist. Es genügt das Stichwort Freiheit oder auch nur die nebulöse Beschwörung der Freiheit durch oszillierende, verführerische Labels, damit das Goldene Kalb der pro-choice-Ideologie losstampft und alle Argumente niedertrampelt. Denn frei sein will doch jeder, oder?

Am Ende der Vergötzung offenbart sich das, was jeder Götze im Schlepptau führt: Das absolute Gegenteil von Freiheit – der Tod. Wortwörtlich für das ungeborene Kind, sprichwörtlich für die Frau, weswegen bezeichnenderweise ungezählte Frauen nach der Abtreibung davon sprechen, etwas in ihnen sei gestorben.

Das Gegenteil der Lüge ist die Wahrheit.

Die Lüge führt in die Knechtschaft, in die neuheidnischen Gefängnisse. Die Wahrheit führt ins Freie, ins Leben, wo die Luft zum Atmen ist. In den Worten Jesu: »Die Wahrheit wird euch frei machen« (Johannes-Evangelium 8,32) – die Wahrheit, nicht die Lüge.

Grafik:    Photo by Yaoqi LAI on Unsplash

Samstag, 19. August 2017

Der hl. Dominikus und der Rosenkranz

Von der streitenden Kirche, die im Lateinischen ecclesia militans bezeichnet wird, hört man heutzutage wenig.

Woran liegt’s?

Vermutlich daran, daß man nirgends anecken will. Denn die streitende Kirche setzt voraus, daß es Lehren, Situationen, Meinungen etc. gibt, die für einen Christen unannehmbar sind und gegen die folglich kämpferisch Stellung zu beziehen ist.

Das Leben ist, und dies ist durchgängige biblische Sichtweise, kein gemütlicher Spaziergang, sondern ein Kampf. Ein geistlicher Kampf. Kampf meint freilich zuallererst Kampfansage an die eigene Bequemlichkeit, Lauheit und Feigheit, die sich gerne einrichten würden im Gehäuse der Welt, selbst auf die Gefahr hin, damit den christlichen Sendungsauftrag zu verraten, der uns als Fremdlinge in die Welt schickt, nicht als gemütlich Seßhafte.

Die Heiligen aller Zeiten haben dies bestens verstanden. Sie sind dem Kampfe nicht ausgewichen, sondern haben sich unerschrocken mitten in den Kampfplatz gestellt. So auch der Gründer des Dominikanerordens, dessen 800jähriges Gründungsjubiläum bis zum Beginn des Jahres 2018 gefeiert wird, der hl. Dominikus.

Einer seiner Biographen schreibt über die Zeit, in die der Heilige hineingeboren wurde: »Es ist die Zeit, in der die Bischöfe fast lauter stumme Hunde sind, um ein hartes Wort Papst Innozenz’ III. aufzugreifen; es stammt aus dem Propheten Jesaja (Jes 56,10). Vielleicht aus Mangel an Wissen wagen sie nicht zu bellen! Die Kirche befand sich damals in der traurigen Zeit des schlimmen Schweigens (pessima taciturnitas)«.

Naturgemäß schweigt der hl. Dominkus nicht auf schlimme Weise. Er spricht, mit Freimut, in Wahrheit und mit Liebe. Denn es geht ihm nicht darum, den Gegner – sei es den Irrgläubigen, den im Glauben Unwissenden oder den gänzlich Fernstehenden (wie man heute sagen würde) beziehungsweise den der Kirche feindlich Gesinnten – zu zerstören, sondern ihn zu überzeugen und derart seine Seele zu retten, und dies kraft der Gnade, des echten apostolischen Lebenszeugnisses und der verantwortungsvollen Rede und Antwort.

Was nun die Gnade betrifft, so kam die Mittlerin aller Gnaden, die Jungfrau Maria, dem heiligen Dominikus wirkmächtig zu Hilfe.

Wie diese Hilfe ausschaute, ist auf unzähligen Abbildungen zu sehen: In Kirchen, Kapellen, Oratorien, Museen. Eine davon kann man im Kunsthistorischen Museum (KHM) zu Wien betrachten, auf einem berühmten Gemälde von Caravaggio.

Zu sehen ist die Madonna, die dem heiligen Dominikus, der ihr zur Linken mit offen dargebotenen Händen steht, Rosenkränze überreicht hat. Und diese Rosenkränze soll der heilige Ordensgründer weiterreichen an die vor ihm knienden Menschen, die – mit sehnsüchtiger Gebärde – sich nach eben diesen Rosenkränzen ausstrecken.

Nun ist die Übergabe der heiligen Rosenkränze in dieser heiligen Reihenfolge – aus den Händen der Muttergottes in die Hände des heiligen Dominikus in die Hände des Volkes – mehr als ein frommes Geschichterl. Denn man muß wissen, daß eben der Rosenkranz kein frommer Devotionsgegenstand unter unzähligen anderen ist, sondern vom Himmel gezielt eingesetztes Instrument der Gnade im Kampf gegen die Häresien. Und der hl. Dominikus und seine Brüder sind die Herolde im Gebet und in der Verbreitung dieses himmlischen Kampfmittels.

Der selige Papst Pius IX. drückte es folgendermaßen aus:
»Nachdem der heilige Dominikus den Predigerorden gegründet hatte, war sein Verlangen, den Irrtümern der Albigenser (einer damaligen häretischen Sekte, die von zwei gleich mächtigen schöpferischen Prinzipien, nämlich dem Guten und dem Bösen, ausging) ein Ende zu setzen. Von göttlicher Inspiration bewegt, begann er, die Hilfe der Unbefleckten Muttergottes anzurufen, der allein es gegeben ist, alle Häresien des Universums auszumerzen; und er predigte den Rosenkranz als unfehlbaren Schutz gegen Häresien und Laster.«
Papst Benedikt XVI. sprach in einer Generalaudienz aus dem Jahre 2010 davon, daß der heilige Dominikus »vor allem die Marienverehrung … seinen geistlichen Kindern als kostbares Erbe hinterließ; diese haben in der Geschichte der Kirche das große Verdienst, das Gebet des heiligen Rosenkranzes zu verbreiten (…).«

Heute, da die Häresien gleichsam überall aus dem Boden sprießen, wobei, im Unterschied zu den Zeiten eines heiligen Dominikus, diese Häresien nicht länger als Irrlehren kenntlich sind, sondern quasi als neue Heilslehren gehandelt werden und längst in der gängigen Meinung des sogenannten mainstreams, auch des kirchlichen mainstreams, angekommen sind, ist es folglich dringender denn je, dieses so wirksame geistliche Mittel des Rosenkranzes zu beherzigen, zu pflegen, zu verbreiten.

»Kinder helft mir, die Übel der Kirche und der Gesellschaft zu bekämpfen, aber nicht mit dem Schwerte, sondern mit dem Rosenkranz!«

Diesem Aufruf des seligen Papstes Pius IX. hätte der heilige Dominikus, wie man getrost annehmen darf, ohne weiteres zugestimmt.


Freitag, 11. August 2017

Der Spargel


Es gibt viele Möglichkeiten, Gott aus dem Weg zu gehen.

Vielleicht besteht eine der raffiniertesten Methoden, seinen Unglauben zu pflegen (denn es handelt sich um Unglauben und um Methode), welche selbst unter Katholiken weitverbreitet ist, darin, aus dem Lieben Gott jemanden zu machen, der zwar allmächtig sein mag und auch weise und auch meinethalben liebevoll, aber gewiß nicht Einer, der selbst die Haare auf meinem Kopf allesamt gezählt hat (Mt 10,30), wie es die Heilige Schrift ausdrückt. Mit anderen Worten: Gott mag alles mögliche sein, nur Eines ist Er nicht und darf Er auch nicht sein: konkret.

Und in der Attitüde des jovialen und verzeihenden Bonhomme, der die Spielregeln der Welt durchschaut hat, sagt der betreffende Ungläubige dann womöglich noch: Ich versteh’ das ja, denn der Liebe Gott hat sich um weitaus wichtigere Dinge zu kümmern als um meine Angelegenheiten.

Dieser Liebe Gott ist freilich kein Lieber Gott, sondern ein kümmerlicher und bedauernswerter.

Und um diesen Zerrbild den Garaus zu machen, könnte es hilfreich sein, mal ein klitzekleines konkretes Beispiel aus dem Leben des heiligen Johannes vom Kreuz an sich heran zu lassen.

Es ist am Ende seines Lebens, als Juan, ausgezehrt, krank, verstoßen, verbraucht bis auf die Knochen, sich auf der letzten seiner ungezählten Reisen seines Lebens befindet. Die Karmelitin Teresia Benedicta a Cruce (bürgerlich Edith Stein) berichtet über diese letzte Reise in ihrem Buch Kreuzeswissenschaft. Darin heißt es:
»Es ist ein richtiger Leidensweg. Er (Johannes vom Kreuz) hat seit mehreren Tagen nichts mehr genießen können und kann sich vor Schwäche kaum im Sattel halten. Und sein krankes Bein schmerzt, als würde es ihm abgeschnitten. Dort war ja der Sitz des Übels: Es war erst angeschwollen, dann hatten sich nacheinander fünf eiternde Wunden geöffnet. Sie gaben dem Heiligen Anlaß zu dem Gebet: ›Vielmals danke ich Dir, mein Herr Jesus Christus, daß Eure Majestät mir an diesem Fuß allein die fünf Wunden verleihen wollte, die Eure Majestät an Füßen, Händen und Seite hatte: wodurch habe ich eine so große Gnade verdient?‹

Und er klagte auch bei den denkbar größten Schmerzen nicht, sondern ertrug alles mit der größten Geduld.

Nun muß er in diesem Zustand sieben Meilen weit auf Bergwegen reiten. Es geht sehr langsam voran. Er spricht mit dem Bruder, der ihn begleitet, von Gott.

Als sie drei Meilen zurückgelegt haben, schlägt der Gefährte eine Rast am Ufer des Guadalimar vor: ›Im Schatten dieser Brücke können Hochwürden etwas ruhen; die Freude, das Wasser zu sehen, wird Ihnen Appetit auf einen Bissen machen.‹ ›Gern will ich ruhen, denn ich habe es nötig; aber essen kann ich nicht, denn von allem, was Gott geschaffen hat, habe ich auf nichts Appetit als auf Spargel, und die gibt es jetzt nicht.‹

Der Bruder hilft ihm absteigen und niedersitzen. Da bemerken sie auf einem Stein ein Bündel Spargel, mit einem Weidenband gebunden, wie für den Markt. Der Bruder glaubt an ein Wunder. Aber Johannes will nichts davon hören. Er läßt ihn nach dem Eigentümer suchen, und als nirgends jemand zu entdecken ist, muß er einen cuarto als Entschädigung auf den Stein legen.«
Wie bitte? Ein Bündel Spargel?

Ja, ein Bündel Spargel. Denn der Liebe Gott ist sich tatsächlich nicht zu schade, sich noch um ein Bündel Spargel für einen seiner Lieblinge zu kümmern.

Grafik:    http://www.karmelocd.de

Freitag, 4. August 2017

Ars

Manchmal (sehr selten) ist man an einem Ort und kann erleben, daß selbst die Luft anders ist.

Ich erinnere mich sehr genau, als ich zum ersten Mal in Ars war.

Alles war anders. Die Luft, der Himmel, der Weizen. Und ich mußte nicht lange überlegen, wem diese Transformation zu verdanken war. Offensichtlich war das Gebet des armen Pfarrers, wie der heilige Pfarrer von Ars sich zu nennen pflegte, weiterhin wirkmächtig genug, um selbst metereologische Änderungen als das Allerselbstverständlichste möglich zu machen.

Das ist die Macht der Heiligen. Wo ein Heiliger lebt und schafft, dort wird die gefallene Erde zurückgewonnen. Dort ersteht das Leben neu. Tatsächlich neu.

Voltaires Diktum, daß es darauf ankomme, seinen Garten zu bebauen – ein Ausspruch, der als satirische Demaskierung aller geistlichen hohen Ansprüche gedacht war – findet ausgerechnet bei den Heiligen, den Paradebeispielen hoher Tugend, seine Einlösung. Denn sie, diese mutigen, furchtlosen, unberechenbaren heiligen Männer und Frauen, haben, aus der Hingabe an die Quelle allen Lebens – Christus –, den Garten in der Tat bebaut, die Erde erneuert, und dies ohne großen Pomp und prätentiöses Gerede, stattdessen in aller Einfachheit, Stille, Beharrlichkeit und Demut.

Und das Schöne: Die Menschen, die um den Heiligen sind und die ihr Land und ihre Scholle durchaus kennen, nehmen wahr, wie das altbekannte Land sich wandelt – zum Guten hin. Gleich, ob der Heilige Pater Pio heißt oder Franziskus oder Hildegard oder halt Jean-Baptiste Marie Vianney.

Und nicht nur das. Selbst die Tiere merken auf. Auch sie, eingefügt in die in Unordnung geratene Schöpfung, nehmen instinktiv wahr, wenn die Gegenwart des heiligen Menschen da ist, der ohne Wenn und Aber allen Ernstes Tag und Nacht vom Heiligen lebt und dadurch die verlorene kosmische Ordnung wieder herstellt.

Ich muß diesbezüglich an ein sehr gut dokumentiertes Ereignis aus dem Leben des Curé d’Ars denken.
»Im Jahre 1856«, so einer der Biographen des heiligen Priesters, »war am Sonntag in der Fronleichnamsoktav eine Kutsche bis vor die Kirche vorgefahren, aus deren weitgeöffneten Türen das ausgesetzte Allerheiligste leuchtete. Die Pferde hielten plötzlich in vollem Galopp und ließen sich nicht mehr von der Stelle weitertreiben, mochte der Postillion noch so erbost auf sie einschlagen, sie blieben stehen wie die Eselin unter dem Stock des Propheten Bileam …«
Das ist Ars.