Freitag, 25. Dezember 2020

Weihnachten 2020

         »Gottes Sohn wurde Mensch, damit der Mensch Heimat habe in Gott.«

Hildegard von Bingen
(Mystikerin, Ärztin, Komponistin, 1098 - 1179)

 

 Grafik: wikicommons. Ausschnitt

Freitag, 18. Dezember 2020

O Mensch

 

»O Mensch, schau dir den Menschen an: Er hat Himmel und Erde und die ganze übrige Kreatur in sich selber! In ihm ist alles verborgen schon vorhanden. Gott hat den Menschen nach dem Bauwerk des Weltgefüges, nach dem ganzen Kosmos gebildet. O wie herrlich ist die Gottheit, welche, indem sie schafft und wirkt, ihre eigene Wirklichkeit offenbart.«

Hl. Hildegard von Bingen
(Mystikerin, Ärztin, Komponistin, 1098 - 1179)



Grafik:
scott payne auf pixabay

Samstag, 12. Dezember 2020

Gaudete


Woran denkt, wer den Namen Johannes des Täufers vernimmt?

Vermutlich an einen asketischen, hageren Mann, der seine Zuhörer mit strengsten Worten harsch zurechtweist. Ein Mann, der - wie der Evangelist Matthäus festhält - ein Gewand aus Kamelhaaren trägt und sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt. Ein Mann der Buße und Unerbittlichkeit (s. Mt 3,1ff).

Woran wahrscheinlich die Wenigsten denken, ist, daß eben dieser asketische Mann ein Zeuge der Freude ist. Ja, der Freude.

Das beginnt bereits sehr früh. Schon zu dem Zeitpunkt, als seinem Vater durch einen Engel des Herrn die Geburt dieses Sohnes angekündigt wird, heißt es aus dem Munde des Engels: »Du wirst dich freuen und jubeln und viele werden sich über seine Geburt freuen« (Lk 1,14)

Und so geht es weiter. Als der kleine Johannes als ungeborenes Kind noch im Schoß seiner Mutter Elisabeth ruht, berichtet Lukas über den Besuch der Muttergottes bei Elisabeth. Und da ruft die Mutter des zukünftigen Zeugen aus: »Siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib« (Lk 1,44).

Und wieder später – Johannes ist bereits der große Verkündiger, der auf Jesus, das Lamm Gottes, hinweist – steht geschrieben, diesmal aus dem Munde des Täufers selbst: »Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihn hört, ist voller Freude über die Stimme des Bräutigams. Diese Freude hat sich nun bei mir vollendet« (Joh 3,29).

Wie könnte es auch anders sein? Derjenige, der verzichtet auf die Vergeudungen des Vergänglichen und sich sammelt auf das einzig Notwendige hin, der geht nicht leer aus, wie das Vorurteil vermeint, sondern wird ganz im Gegenteil erfüllt mit den Gaben, die bleiben - den Gaben von oben. Und eine dieser grandiosen Gaben ist die Freude.

Wer also nach einem Fürsprecher der Freude sucht, der sollte zu Johannes dem Täufer gehen.

Grafik: wikicommons
       

Samstag, 5. Dezember 2020

Die fehlenden Fenster


Vermutlich kennen Sie die Geschichte?

Eines Tages beschließen die Schildbürger ein Rathaus zu bauen. Der Schweinehirt überzeugt die Versammelten, daß es ein besonderes Rathaus werden muß, eine architektonische Besonderheit. Gesagt, getan.

Schon geht man ans Werk, man mißt, man plant, man baut, und Wochen später steht das neue Rathaus in seiner ganzen Pracht da. Und naturgemäß muß ein solches Rathaus gebührend eingeweiht werden. Mit den entsprechenden Honoratioren und mit allem, was Rang und Namen hat.

Gesagt, getan. Beim Einweihungsfest will verständlicherweise jeder in das neue Rathaus, um dessen Wunder zu bestaunen. Ein Gedränge herrscht, aber auch ein Gepolter. Gepolter? Ja, Gepolter. Denn die hineingehen, treten anderen, die bereits drinnen sind, auf die Füße, oder stolpern, oder fallen gar und stürzen, so daß sie froh sind, wenn sie wieder im Freien sind. Was aber die Draußenstehenden nicht davon abhält, selbst nach drinnen zu gehen. Bis auch sie mit Beulen, Schrammen und hinkend das neue Rathaus hinter sich lassen.

Der schlaue Schneider weiß endlich, was los ist. Woher all die Beulen und Blessuren und blauen Flecken? Woher das Kopfanstoßen und die zerschundenen Gesichter? Im neuen Rathaus… im neuen Rathaus… man sagt es ungern, aber es muß gesagt werden: Im neuen Rathaus ist es stockfinster.

Wie das?

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Am Ende bleibt nur die bittere Wahrheit: Es fehlen die Fenster. Es fehlt das Licht!

Wie bitte?

Tja. Was soll man sagen? Man lernt nie aus. Und neulich sagte tatsächlich jemand, die Rathausgeschichte sei womöglich eine Adventsgeschichte. Kann das sein? Gibt es ein schlaues Schneiderlein, welches um die Antwort weiß?

Grafik: nomevisualizzato/pixabay.com


Freitag, 27. November 2020

Sine dominico non possumus!


Es ist gerade mal 13 Jahre her, da predigte Papst Benedikt XVI., anläßlich seines Pastoralbesuchs in Österreich, folgende Worte im Stephansdom:

Sine dominico non possumus! Ohne die Gabe des Herrn, ohne den Tag des Herrn können wir nicht leben: So antworteten im Jahr 304 Christen aus Abitene im heutigen Tunesien, die bei der verbotenen sonntäglichen Eucharistiefeier ertappt und vor den Richter geführt wurden. Sie wurden gefragt, wieso sie den christlichen Sonntagsgottesdienst hielten, obgleich sie wußten, daß darauf die Todesstrafe stand.
Sine dominico non possumus: In dem Wort dominicum /dominico sind zwei Bedeutungen unlöslich miteinander verflochten, deren Einheit wir wieder wahrzunehmen lernen müssen.
Da ist zunächst die Gabe des Herrn – diese Gabe ist er selbst: der Auferstandene, dessen Berührung und Nähe die Christen einfach brauchen, um sie selbst zu sein. Aber dies ist eben nicht nur eine seelische, inwendige, subjektive Berührung: die Begegnung mit dem Herrn schreibt sich in die Zeit ein mit einem bestimmten Tag. Und so schreibt sie sich ein in unser konkretes, leibhaftiges und gemeinschaftliches Dasein, das Zeitlichkeit ist. Sie gibt unserer Zeit und so unserem Leben als ganzem eine Mitte, eine innere Ordnung. Für diese Christen war die sonntägliche Eucharistiefeier nicht ein Gebot, sondern eine innere Notwendigkeit. Ohne den, der unser Leben trägt, ist das Leben selbst leer. Diese Mitte auszulassen oder zu verraten, würde dem Leben selbst seinen Grund nehmen, seine innere Würde und seine Schönheit.

Haben wir beherzigt, was uns Benedikt damals sagte?

Die Christen der Frühzeit haben für die heilige Messe am Sonntag ihr Leben riskiert. Das ist keine fromme Metapher, sondern exakte Beschreibung der Wirklichkeit. Warum werden jedoch heutige Christen, die heute darauf bestehen, daß sie ohne den Sonntag nicht leben können, ohne »die Begegnung mit dem auferstandenen Christus in Wort und Sakrament«, welche Begegnung naturgemäß nicht ersetzbar ist durch eine virtuelle Veranstaltung, warum werden diese Christen ins Eck gestaltet, als seien sie gleichsam die Verbohrten der Jetztzeit, die noch nicht verstanden hätten, welche Stunde geschlagen hat?

Sind die Christen der Frühzeit unsere tatsächlichen Geschwister im Glauben oder nicht? Ist ihr Lebenszeugnis Zeugnis für uns oder nicht?  
 
Benedikt fragte die im Stephansdom Versammelten: »Geht diese Haltung der Christen von damals auch uns Christen von heute an?« Und seine Antwort war das eindeutige »Ja«.

Und Benedikt XVI. schloß seine Predigt mit den Worten: »Wenn wir dem Gott zugehören, der die Macht über alle Mächte ist, dann sind wir furchtlos und frei, und dann sind wir Erben.«                                 

Grafik: Stephansdom. Photo by Ross Grant on Unsplash

Samstag, 21. November 2020

Die Feder


»Ich strecke meine Hände nach Gott aus, daß Er mich halte, so wie die Feder, frei von aller Schwere, vom Winde getragen fliegt.«

Hl. Hildegard von Bingen
(Mystikerin, Ärztin, Komponistin, 1098 - 1179)


Grafik: pixabay.com

Samstag, 14. November 2020

Wir schaffen das - nicht!

Slogans treffen bisweilen den Nerv der Zeit. Wir sind Papst!,  kreiert in Deutschland 2005 zur Wahl des neuen Pontifex‘ Benedikt XVI., war so ein Slogan. Warum schlug dieser Slogan ein? Weil er mehr zum Ausdruck brachte als das Hurra beim Beginn einer Papstära. Er reklamierte vielmehr das weitaus Verführerische: Ein jeder ist sein eigenes Lehramt. Du, ich, wir alle wissen es mindestens so gut wie der rechtmäßige Papst, denn auch wir sind nicht nur Kirche, sondern Papst.
 
Heute, nach immerhin fünfzehn Jahren, geistert ein anderer verführerischer Slogan durch die Köpfe. Jetzt heißt es landauf landab: Wir schaffen das! Gleich welche Krise und welche Herausforderung es zu meistern gilt – wir schaffen das. Der Slogan kommt aus der Politik, hat aber rasend schnell die anderen gesellschaftlichen Bereiche erobert. Was ihn im Grunde ausmacht und also antreibt, ist zweierlei: Eine Ohnmacht und ein Trotz.

Die Ohnmacht rührt daher, daß man hilflos einem Überwältigenden gegenübersteht, von dem man im Grunde weiß, daß es mit bloß menschlichen Mitteln gerade nicht bewältigbar ist. Die Reaktion darauf ist der Trotz à la Münchhausen: Wir ziehen uns trotzdem, und zwar am eigenen Haarschopf, aus dem Sumpf.

Das letzte, wahrhaft verhängnisvolle, da klammheimlich transportierte Ingredienz ist freilich ein anderes. Der neue Slogan vermittelt nämlich die Botschaft, daß wir es schaffen ohne göttlichen Beistand. Wir schaffen es, das genügt. Die Betonung liegt auf wir. Der Liebe Gott ist überflüssig.

Unter dieser Voraussetzung schaffen wir in Wahrheit nichts.

Man sollte sich sehr gut an das Herrenwort im Johannesevangelium erinnern, welches an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Da heißt es: »Ohne mich könnt ihr nichts tun« (Joh 15,5). Wohlgemerkt: Nichts.
                                                                        
Diese Aussage Jesu muß selbst den Übersetzern zu schaffen machen. Denn in der Einheitsübersetzung wird aus der Ausschließlichkeitsaussage Jesu die abgeschwächte: Ohne mich könnt ihr nichts vollbringen. Was naturgemäß den originalen Wortlaut verbiegt. Denn tun und vollbringen sind nicht das gleiche. Vollbringen impliziert, daß wir etliche Schritte setzen, und dann kommt der Herr und vollendet unser Stückwerk. Das mag schön zusammengereimt sein, entspricht aber nicht dem, was Jesus gesagt hat. Er hat allen Ernstes davon gesprochen, daß wir ohne Ihn rein gar nichts tun können. Nicht einmal den ersten Schritt. Das heißt nicht, daß wir unsere Hände in den Schoß legen sollen. Es stellt jedoch die Verhältnisse klar. Wir sind nicht die Chefs, sondern die Mit-Arbeiter.

Wem diese Exegese zu radikal ist, der könnte sich am Anfang aller Anfänge orientieren, an Markus 1,15. Da heißt es nicht aus dem Munde Jesu: Wir schaffen das, sondern: »Kehrt um und glaubt an das Evangelium!«

Denn wer umkehrt, der schafft es.


Grafik: pixabay.com

Samstag, 7. November 2020

Mt 25, 1–13

Ein großer Heiliger der Ostkirche, der heilige Seraphim von Sarov, meinte, das Öl in den Lampen der fünf klugen Jungfrauen sei Symbol des Heiligen Geistes. 

Mit anderen Worten: Wer den Heiligen Geist anruft, wer weiß, daß der Heilige Geist mein Seelenfreund ist (dulcis hospes animae, wie es in der Pfingstsequenz heißt), wer also den täglichen vertrauten Umgang mit dem Heiligen Geist pflegt, wer den Heiligen Geist kennt, weil er ihn liebt, der wird, wenn es so weit ist, endgültig Abschied von der Welt zu nehmen, gerüstet sein. Seine Lampe brennt. Er geht nicht in die Finsternis, sondern in den hell erleuchteten Hochzeitssaal.

Und wer den Heiligen Geist ignoriert? Der bleibt draußen, in der schrecklichen Fremde und Freudlosigkeit. Der ist der Dumme, der Verführte, der es in seinem Leben verabsäumt hat, die Dinge im Licht von oben wahrzunehmen.

Was macht nun genau die Klugheit, die man die irdische Schwester der übernatürlichen Weisheit nennen könnte und die zu den vier Kardinaltugenden gehört?

Sie in-formiert uns über die Wirklichkeit. Sie läßt uns die Wirklichkeit so wahrnehmen, wie sie wirklich ist, sie bringt uns in Form, damit wir der Wahrnehmung gemäß schließlich handeln.

Die Dummheit dagegen geht stets Hand in Hand mit der Verzerrung der Wirklichkeit. Das Gegebene wird derart retuschiert, ausgeblendet, unkenntlich gemacht, banalisiert, verharmlost, geleugnet und so weiter, bis es in unseren Kram paßt, mit der Konsequenz, daß wir nicht länger in der Welt leben, sondern in unserer Illusion von Welt.

Doch einmal gehen einem jeden die Augen auf. Dann, wenn der Ruf ergeht: Geht dem Bräutigam entgegen! Dann hilft kein Feilschen und Drehen und Wenden der Wirklichkeit. Denn der Bräutigam ist tatsächlich der Bräutigam. Und die Seele ist tatsächlich die Braut des Bräutigams.

Ob freilich die Braut bereit für die Hochzeit ist, das hängt davon ab, ob sie in ihrem Leben dem lux beatissima, dem glückseligen Licht (auch dies Pfingstsequenz), gefolgt ist oder der trüben Funzel ihrer Wünsche und Vorstellungen.

Das Verhältnis ist, gemäß dem Evangelium, fünf zu fünf: Fünf Seelen sind bereit und werden in den Hochzeitssaal eingelassen, fünf werden abgewiesen. Die einen werden erkannt, die anderen nicht. Die Türe wird zugemacht. Fünf drinnen, fünf draußen. Endgültig.

5 : 5

Das sollte einem zu denken geben. Und mehr als das.

Grafik: Diocèse d'Albi

Freitag, 30. Oktober 2020

Den Krieg beenden

 

Mit dem Rosenkranz können Kriege beendet werden.

Das ist kein frommer Wunsch von Oberfrommen, sondern exakt das, was die Muttergottes selbst in Fatima 1917 sagte. Und »Fatima ist«, so die offizielle Vatikan-Website, »unter den modernen Erscheinungen zweifellos die prophetischste.«

Es ist der 13. Juli 1917, als Maria zum dritten Mal den Seherkindern erscheint. Viele Gläubige, den Rosenkranz in ihren Händen, begleiten Lucia, Francisco und Jacinta. Als die Kinder an der Steineiche, dem Ort der vorherigen Erscheinungen, ankommen, sieht Lucia bald darauf das Licht, welches das Kommen der Muttergottes ankündigt, in Art eines Blitzes sich nähern.

Lucia fragt die Dame: »Was wünschen Sie von mir?«

Maria antwortet: »Betet weiterhin jeden Tag den Rosenkranz zu Ehren Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, um den Frieden für die Welt und das Ende des Krieges zu erlangen, denn nur sie allein kann es erreichen.«

Der Rosenkranz und das Ende des Krieges.

Der Krieg, der seit Jahrzehnten weltweit tobt, ist der Krieg gegen die ungeborenen Kinder. Wie horrend die Zahlen der Opfer sind, ermißt man aus den offiziellen Schätzungen der UNO, die jedes Jahr zwischen 40 und 50 Millionen Tötungen ungeborener Kinder durch Abtreibung angibt. 

Und wir?

Mutter Teresas Aussage bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an sie dürfte bekannt sein: »Ich habe eine Überzeugung, die ich Ihnen allen mitteilen möchte: Der größte Zerstörer des Friedens ist heute der Schrei des unschuldigen, ungeborenen Kindes.«

Und Mutter Teresa sagte auch dies – und damit uns alle in die Verantwortung nehmend: »Aber heute werden Millionen ungeborener Kinder getötet, und wir sagen nichts. In den Zeitungen lesen wir dieses und jenes, aber niemand spricht von den Millionen von Kleinen, die empfangen wurden mit der gleichen Liebe wie Sie und ich, mit dem Leben Gottes. Und wir sagen nichts, wir sind stumm.«

Polen, das Heimatland Johannes Pauls II, bleibt nicht stumm. In einer Rosenkranzgebetsaktion rufen dort Gläubige zum Beten des Rosenkranzes auf, um den Krieg gegen die ungeborenen Kinder zu beenden.

Die Aktion ist sehr einfach: Im kommenden Allerseelenmonat November, und zwar vom Fest Allerheiligen an bis zum 8. November, betet man den schmerzhaften Rosenkranz und schließt darin alle abgetriebenen Kinder ein und hält sogleich Fürsprache für das Ende des Krieges gegen die Ungeborenen. Jeder kann mitmachen.

Wie sagte Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch im Heiligtum von Fatima am 13. Mai 2010: »Wer glaubt, daß die prophetische Mission Fatimas beendet sei, der irrt sich«.

      

Samstag, 24. Oktober 2020

Diese Zeit


»Denn die Tage sind böse.«

Das sagt kein Verschwörungstheoretiker, sondern der Völkerapostel Paulus.

Und da die Heilige Schrift kein nostalgisches Memento ist, sondern stets in unsere Zeit hinein spricht, sollten wir uns mal fragen, inwiefern Paulus von unserer Zeit spricht?

Nun werden, zumal Kirchenfunktionäre, sogleich erwidern: Wie bitte? Unsere Zeit soll schlimm sein? Gar böse? Unsere Zeit, so die Dauerrede, hat so viel Sehnsucht nach … ja, wonach eigentlich? Sie erraten die Antwort: Nach Spiritualität.

Mit anderen Worten nach allem und gar nichts. Denn fragt man einen spirituell Angehauchten nach den Quellen seiner Spiritualität, so bekommt man zu hören, man sei auf der Spur Jesu (der WEG ist einem wohl zu unheimlich), sei achtsam (aha!), desinfiziere sich stündlich die Hände, komme gerade aus einem wahnsinnig spannenden Vortrag (Die Rolle der Frau im apokryphen Thomasevangelium) und lese Anselm Grün.

Sprechen wir von Johannes Paul II.

1976 und also noch zu der Zeit, als er Kardinal Wojtyla war, hielt er vor der amerikanischen Bischofskonferenz eine Ansprache. Darin heißt es:

»Wir stehen jetzt vor der größten Konfrontation, die die Menschheit in ihrer Geschichte jemals erlebt hat. Ich denke nicht, daß weite Kreise der amerikanischen Gesellschaft oder der Großteil der Christenheit dies in vollem Umfang realisieren. Wir stehen jetzt vor dem Endkampf zwischen der Kirche und der Anti-Kirche, zwischen dem Evangelium und dem Anti-Evangelium, zwischen Christus und dem Antichrist. Diese Konfrontation liegt in den Plänen der göttlichen Vorsehung. Deshalb ist sie in Gottes Plan, und es muß ein Kampf sein, den die Kirche aufnimmt und tapfer bestreitet.«

Vier Jahre später, jetzt bereits Papst, sagte Johannes Paul II. in einer Diskussionsrunde mit deutschen Katholiken in Fulda:

(…) Wir müssen uns darauf vorbereiten, bald große Prüfungen zu durchleiden, die uns die Bereitschaft abverlangen werden, selbst das Leben hinzugeben und die eine totale Hingabe an Christus und für Christus verlangen werden. Mit euren und meinen Gebeten ist es möglich, die bevorstehende Drangsal zu mildern, aber es ist nicht mehr möglich, sie abzuwenden, denn nur auf diese Weise kann die Kirche wirksam erneuert werden. Wie viele Male schon ging die Erneuerung der Kirche aus einem Blutvergießen hervor? Auch dieses Mal wird es nicht anders sein. Wir müssen stark und vorbereitet sein; wir müssen auf Jesus und auf die Gottesmutter vertrauen, und wir müssen sehr, sehr eifrig den hl. Rosenkranz beten.«
Alles klar?

Grafik: wikicommons

Samstag, 17. Oktober 2020

Weil

 »Die Ros‘ ist ohn‘ Warum, sie blühet weil sie blühet (Angelus Silesius). Das ist ein Bild der Seligkeit dessen, der das Weil gefunden hat.«

Robert Spaemann

 
Bild von Susanne Jutzeler, suju-foto auf Pixabay

Freitag, 9. Oktober 2020

Lustig?

Der Held (Held?) ist gefrustet und geht deswegen vorzugsweise zu Maxim. Der entsprechende Gassenhauer ist bekannt: Da geh ich zu Maxim… Man ahnt es bereits. Das ist kein Caféhaus, sondern ein Rotlichtbezirk. Danilo vergnügt sich mit den Damen des betreffenden Etablissements: »Und geht's an's Kosen, Küssen mit allen diesen Süssen: Lolo, Dodo, Joujou, Clocio, Margot, Froufrou...«

Die Heldin Hanna (Heldin?), die schließlich ihrem Danilo das Jawort gibt, hat kurz zuvor, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, den Ehebruch ihrer Freundin Valencienne (die permanent ihr liederliches Mantra wiederholt: »Ich bin eine anständige Frau«, während sie offen die Unzucht goutiert) gedeckt und also gutgeheißen. Man versteht sich halt. Libertinage gehört dazu. Alles andere wäre Spießertum. Darum paßt es, wenn am Ende der Operette die komplette Belegschaft das Fazit in die Welt schmettert: »Ja das Studium der Weiber/Männer ist schwer.« Zu diesem studium generale gehört die Unzucht offensichtlich dazu.

Fragt sich nur, was unter diesen Vorzeichen an der Lustigen Witwe so lustig sein soll? Ist es lustig, über den gehörnten Ehemann zu kichern? Ist es lustig, Gassenhauer zu trällern, die eigentlich schieren Lebensüberdruß zum Ausdruck bringen, der im Rausch von Verführung und Vergnügen betäubt wird?

Aber – so erwidert eine wohlmeinende Dame -, Danilo und Hanna finden doch schließlich zusammen. Ende gut, alles gut. Die Liebe siegt.

Liebe?
 
Eine Frau, die den Ehebruch der Freundin ohne jede Bedenken bejaht - ist sie die neue große Liebende? 

Wenn schon von Liebe gesprochen wird, der echten, dann würde dies voraussetzen, Danilo und Hannah hätten existentiell verstanden, daß sie auf dem Irrweg sind. Davon kann jedoch keine Rede sein. Besinnung oder gar Bekehrung liegen der Witwe und ihrem Lover genauso fern wie der Mond von der Erde. Das Ende ist lediglich die Variation des Anfangs, daher stimmen beide selbstverständlich in das anzügliche Finale mit ein. The show must go on. Und sollte in fünf Jahren die Liebe vorbei sein – tja, dann kann man sich noch immer mit dem Marsch trösten, daß das Studium der Weiber halt schwer ist.

Nicht zu vergessen, daß dieses Studium über weite Strecken im Dreivierteltakt daherkommt. Das versüßt den Ehebruch und das Frivole. Und benebelt. Doch die Geschichte ist unbestechlich.

1905 geht Die lustige Witwe zum ersten Mal über die Bühne. Schon neun Jahre später hat es sich ausgewalzert. Da zeigt sich, wohin eine lotterhafte, ach so lustige Gesellschaft treibt.   

Grafik: wikicommons

Samstag, 3. Oktober 2020

Leben


 »Unser Herr hat von einem Leben gesprochen. Er hat nicht von einem Studienprogramm gesprochen, das man durchackern muß auf ein Examen hin. Er hat nicht von einem politischen System gesprochen, um damit das menschliche Leben zu organisieren; auch nicht von einer philosophischen Lehre, die uns eine objektive Sicht der Welt vermitteln würde. Er hat nicht einmal von einem Traktat über Gott gesprochen, um damit unseren Verstand zu erfreuen.«

Madeleine Delbrêl

Grafik: https://cdn.pixabay.com/photo/2015/07/27/18/32/siblings-862967_960_720.jpg 

Samstag, 26. September 2020

Der schwarze Tag

Heuchelei: Laut dem deutschen Wörterbuch von Wahrig versteht man darunter: »Verstellung, Vortäuschung nicht vorhandener guter Eigenschaften oder von Gefühlen.«

Heinrich Heine spricht von der kalten, gleißenden Schlangenhaut der Heuchelei.

In Zeiten von Corona wird ein neues Kapitel der gleißenden Verstellung aufgeschlagen. Plötzlich entdeckt man die Alten. Und das heißt: Man entdeckt seine Gefühle oder auch Gefühlchen für die Alten. Nun heißt es mit Emphase, daß die Alten eine Risikogruppe sind, und diese Gruppe ist zu schützen, unbedingt zu schützen.

Am besten begegnet man den Alten, selbst im Familienkreis, zwischen Glasscheiben, derart, daß es vorkommt, daß Kinder ihre Eltern nicht länger zuhause besuchen, im Wohnzimmer, sondern lediglich distanziert an die Fensterscheibe klopfen und hallo sagen.

Alles, wie gesagt, zum Schutz der lieben Senioren, die über Nacht mehr gehätschelt werden als der liebste Schoßhund.

Nur merkwürdig.

Die Politiker, die sich in die Brust werfen und das Wohl der Alten beschwören, sind – bleiben wir mal in Deutschland – dieselben, die im selben Atemzug beschließen, daß ab sofort die geschäftsmäßige Tötung eben dieser lieben Alten per Gesetz erlaubt ist. Denn seit dem schwarzen Tag, dem 26. Februar 2020 (dem Aschermittwoch!), ist mit höchstrichterlichem Beschluß das bis dahin »normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung« in Deutschland verfassungswidrig und also nichtig.

Wem angesichts dieser schlangenhaften Verrenkungen die Augen nicht aufgehen, dem helfen auch keine Aufwachpillen. Oder in den Worten Dávilas: »Die Verwesung der modernen Welt nicht zu spüren, ist ein Indiz der Ansteckung.«

Grafik: Photo by Sven Mieke on Unsplash

 

Samstag, 19. September 2020

Wagner, Proust und der dritte Mann

Proust verfaßt sein Werk in einem korkisolierten Zimmer. Das ist mehr als eine biographische Anekdote. Es zeigt den Künstler als kranken Magier, abgeschottet in seiner isolierten Kammer, in der der Zaubertrank gegoren wird, die kreisende Syntax, die den Leser hypnotisiert.

Prousts Zimmer ist bei Wagner längst zum Tempel mutiert. Bayreuth: Das große Musenkorkzimmer. Esoterisch. Megaloman. Abgehoben.
       
Es hängt mit der zeremoniellen Geste des Eingeweihten zusammen, daß man Tragisches bei Wagner und Proust vergebens sucht. Das Tragische setzt voraus, daß die leidende Person von dieser Welt ist und in dieser alltäglichen Welt den Konflikt widerstreitender Kräfte erfährt. Was aber nun, wenn die Personen in einer durch und durch artifiziellen Welt sich bewegen? Dann sind die Zusammenballungen weder tragisch noch erschütternd noch kathartisch, sondern konstruiert. Und das Konstruierte erschüttert nicht, sondern läßt genießen. Der Leser/Hörer wird zum Gourmet, entzückt ob des Raffinements der Konstruktion.

Siegmund und Sieglinde in der Walküre schwören sich die ewige Liebe und schmachten dementsprechend. Doch bei aller Inbrunst und der berauschenden Wagnerschen Musik (und so süß die Sinne mir zwingt) sollte der Hörer nicht vergessen, wer hier in der Brunst ist: Zwei Geschwister. Mit anderen Worten ein inzestuöses Paar, welches nicht dadurch seine Weihe erfährt, daß es Wagner zu Wälsungen stilisiert. Inzest bleibt Inzest. Und das konstruierte Liebesverhältnis ist, was es ist, ein anrüchiges, krampfhaft konstruiertes.

Proust seinerseits treibt die Konstruktion auf die Spitze, und dies in weitreichendem Maße. Je weiter die Recherche voranschreitet, desto mehr Akteure werden als invers demaskiert, so als sei der Proustsche Kosmos insgesamt ein invertierter. Doch auch dies ist kein objektiver Befund, sondern Konstrukt der sehr spezifischen Proustschen Phantasie.

Was sie beide können: Mit überfeinerten, brillanten Mitteln, ihr künstliches Panorama derart zu präsentieren, daß dem Leser und Hörer die Sinne schwinden. Prousts mäandrierende Syntax ist einem Malstrom nicht unähnlich, in dessen Verwirbelungen der Leser mogligleich dem Schlangenbeschwörer Proust verfällt. Und Wagners sirrender Sound, den Harnoncourt, Tristan betreffend, »die komponierte Unmoral« nannte, narkotisiert, bis der Hörer den Pomp an weiblichen Brustharnischen und allerlei anderem Popanz vergißt, denn die Klänge berauschen halt so schön, und der Ritter ist ein schmucker Schwanenritter, und die holde Isolde singt sich ohrenbetäubend zu Tode…

Überhaupt, die Narkose. Ihr geht es letztlich nicht um die Darstellung des Faktischen, sondern um das Schwelgen im subjektiven Extrem. Daß Wagner seine Libretti selbst verfaßt, liegt nicht daran, daß er ein so begnadeter Wortkünstler gewesen wäre. Vielmehr will er auch die Sprache so lange kneten, bis sie beiträgt zum babylonischen Turm, der perfekten Kunstblase. Also wird die arme Sprache gestriezt bis zum Gehtnichtmehr, maßlose Alliterationen werfen ihr Netz der Unsäglichkeit aus, bis in den wabernden Wogen des Weialaweia der wissende Wille erliegt. Und Prousts besessener Umgang mit den Details ist nicht der Suche nach Faktizität geschuldet, sondern dem Ehrgeiz des Egomanen, der jede kleinste Befindlichkeit benutzt, um die subjektive laterna magica in bengalischem Licht glitzern zu lassen.

Man kann es auch so nennen: Beiden, Wagner wie Proust, geht es um Verführung, um Verführung zum Subjektiven. In Prousts Sätzen geht man unter, denn das Proustsche Ich bläht sich bei zunehmender Lektüre auf die Weise auf, daß der Andere nur mehr Requisit ist in der Umlaufbahn Marcels. Und es soll Wagnerhörer geben (nicht nur Nietzsche), die irgendwann sagten: »Es reicht« und nie mehr Wagner hörten. Sie hatten genug von der sirenenhaften Verführungsmacht, die sie auszulöschen drohte. Von Verdihörern ist mir solche Askese nicht bekannt.

Ein Letztes: Beider quasi religiöser Anspruch. Bayreuth ist nicht nur ein Theater unter anderen, und Parsifal nicht nur eine Oper unter anderen. Weit gefehlt. Bayreuth ist der Musentempel, in dem die Bühnenweihfestspiele aufgeführt werden. Gott ist zwar tot, doch Pilger gibt es allemal. Nur wallen die neuen Pilger nicht länger in die Kirche, sondern auf den grünen Hügel. Und dort erwartet sie nicht das Sakrale, sondern das Surrogat, das sogenannte Gesamtkunstwerk.

Und Proust? Man weiß, daß die mittelalterliche Kathedralenarchitektur Proust Bewunderung abnötigte. Das Licht der Kathedrale. Die große Rosette. Das Maßwerk. Die Symphonie der Steine. Das vollendete Chartres. Also will die ehrgeizige Recherche gleichfalls Kathedrale sein. Eine Kathedrale aus Sätzen. Aber auch hier: Die Kathedrale bleibt innerlich leer. Es ist die säkularisierte Kathedrale, in der Gott abwesend ist. Das perfekte mondäne Museum.

Wer auf der Suche nach einem Zeitgenossen ist, der das exzentrische Tandem komplettiert, der wird in Österreich fündig. Thomas Bernhard heißt der dritte Mann.

Grafik: Pieter Bruegel der Ältere, Turmbau zu Babel (KHM, Wien). wikicommons


Freitag, 11. September 2020

Ich weiß, wie es riecht

Sie arbeitete acht Jahre lang für das berüchtigte Abtreibungsnetzwerk Planned Parenthood. Zuletzt war sie Chefin einer der Abtreibungsstätten. Und dann passierte es…


Abby Johnson – auch sie hielt beim heurigen Parteitag der Republikaner eine fulminante Rede, in der sie die menschenverachtende Agenda von Planned Parenthood, die sich vorzugsweise hinter blumigen Floskeln versteckt, schonungslos demaskierte. Eine Rede, nach der etliche Zuhörer sagten: Jetzt weiß ich, was Abtreibung ist.


Hier, in Übersetzung, die Kernaussagen der Rede.

Als ich auf dem College war, sprach mich Planned Parenthood auf einer Werbeveranstaltung für freiwillige Mitarbeiter an. Sie redeten davon, Frauen in Krisensituationen zu helfen und über ihr Engagement für eine »sichere, legale und seltene« Abtreibung.

Ich wurde überzeugt, mich zu bewerben, und später bot man mir eine Vollzeitstelle als medizinische Assistentin an, bevor ich zum Direktor der Klinik befördert wurde. Ich glaubte wirklich, daß ich Frauen helfen würde.

Aber 2009 änderten sich die Dinge dramatisch.
Im April wurde ich als Mitarbeiterin des Jahres von Planned Parenthood ausgezeichnet und zu ihrer jährlichen Gala eingeladen, wo sie den Margaret-Sanger-Preis überreichen, der nach ihrer Gründerin benannt ist.

Margaret Sanger war eine Rassistin, die an Eugenik glaubte. Ihr Ziel bei der Gründung von Planned Parenthood war die Ausrottung der Minderheitenbevölkerung.

Heute befinden sich fast 80% der Abtreibungseinrichtungen von Planned Parenthood strategisch geschickt in Minderheitenvierteln; und jedes Jahr feiert Planned Parenthood ihre rassistischen Wurzeln mit der Verleihung des Margaret-Sanger-Preises.

Später, im August, wies mir meine Vorgesetzte eine neue Quote zu. Eine Abtreibungsquote. Man erwartete von mir, daß ich doppelt so viele Abtreibungen verkaufe wie im Vorjahr.

Als ich dagegen hielt und das öffentlich propagierte Ziel von Planned Parenthood unterstrich, nämlich die Zahl der Abtreibungen zu senken, wurde ich zurechtgewiesen und mir wurde gesagt: »Mit Abtreibungen machen wir unser Geld.«
Aber der Wendepunkt kam einen Monat später, als ein Arzt mich bat, bei einer ultraschallgesteuerten Abtreibung zu assistieren.

Nichts bereitete mich auf das vor, was ich auf dem Bildschirm sah - ein ungeborenes Baby, das sich wehrte und verzweifelt versuchte, der Absaugung zu entkommen. Und ich werde nie vergessen, was der Arzt als nächstes sagte: »Beam mich hoch, Scotty.«

Das Letzte, was ich sah, war eine Wirbelsäule, die sich im Mutterleib drehte, bevor sie der Kraft des Abtreibungssogs erlag.

Am 6. Oktober verließ ich die Klinik. Und wenn ich zurückschaue, dann nur, um mich daran zu erinnern, warum ich jetzt so leidenschaftlich für das Leben eintrete.

Ich gründete und leite derzeit And Then There Were None, eine Non-Profit-Organisation, die fast 600 Angestellten beim Ausstieg aus der Abtreibungsindustrie geholfen hat.

Für die meisten Menschen, die sich für das Leben einsetzen, ist Abtreibung abstrakt. Sie können sich die Barbarei nicht einmal vorstellen.

Sie wissen nichts über den Raum Products of Conception (Produkte der Empfängnis) in Abtreibungskliniken, wo Kinderleichen wieder zusammengesetzt werden, um sicherzustellen, daß nichts im Mutterleib zurückbleibt; oder daß wir Witze gemacht und diesen Raum Pieces of Children (Stücke von Kindern) genannt haben.

Sehen Sie, für mich ist die Abtreibung real.

Ich weiß, wie das klingt. Ich weiß, wie es riecht. Wußten Sie, daß Abtreibung überhaupt einen Geruch hat? Ich war der Täter - diesen Babys gegenüber - diesen Frauen gegenüber.

Und jetzt unterstütze ich Präsident Trump, denn er hat mehr für die ungeborenen Kinder getan als jeder andere Präsident (...)

 

Freitag, 4. September 2020

Pro eternal life

Auf dem heurigen Parteitag der Republikaner in den Vereinigten Staaten, am 26. August,  hielt die Ordenschwester Deirdre »Dede« Byrne, MD eine knapp vierminütige Rede, der ein bekannter kanadischer Priester das Prädikat »epic« verlieh. Eine durch und durch uneitle Rede, in der jedes Wort sitzt. Hier der Beitrag von Sister Deirdre in deutscher Übersetzung:
 

Guten Abend,

ich bin Schwester Dede Byrne und gehöre der Gemeinschaft der Kleinen Arbeiter der Heiligsten Herzen Jesu und Mariens (Community of the Little Workers of the Sacred Hearts of Jesus and Mary) an. Am vergangenen 4. Juli hatte ich die Ehre, einer der Gäste beim Salute to America Festakt des Präsidenten zu sein.

Ich muß gestehen, daß ich kürzlich in der Kapelle betete und Gott gebeten habe, mir zu erlauben, eine Stimme, ein Instrument für das menschliche Leben zu sein. Und jetzt bin ich hier und spreche vor dem Nationalkonvent der Republikaner. Ich denke, Sie sollten gut achtgeben, wofür Sie beten.

Mein Weg zum Ordensleben war kein gewöhnlicher, wenn es überhaupt so etwas gibt. 1978 trat ich als Medizinstudentin an der Georgetown-Universität in die Armee ein, um meine Studiengebühren zu finanzieren. Am Ende widmete ich mich 29 Jahre lang dem Militär und diente als Ärztin und Chirurgin an Orten wie Afghanistan und der ägyptischen Sinai-Halbinsel.

Nach viel Gebet und Kontemplation trat ich 2002 in meinen Orden ein und diente den Armen und Kranken in Haiti, im Sudan, in Kenia, im Irak und in Washington, D.C.

Demut ist die Grundlage unseres Ordens, weshalb es mir schwerfällt, über mich zu sprechen. Aber ich kann über meine Erfahrungen bei der Arbeit mit Menschen sprechen, die aus kriegszerstörten und verarmten Ländern auf der ganzen Welt fliehen. Diese Flüchtlinge teilen alle eine gemeinsame Erfahrung. Sie wurden alle an den Rand gedrängt, als unbedeutend, machtlos und stimmlos betrachtet. Und während wir dazu neigen, die ins Abseits Geschobenen derart zu betrachten, als würden sie außerhalb unserer Grenzen leben, ist in Wahrheit die größte an den Rand gedrängte Gruppe der Welt hier in den Vereinigten Staaten zu finden: Es sind die Ungeborenen.

Als Christen begegnen wir Jesus zum ersten Mal als berührenden Embryo im Schoß einer unverheirateten Mutter und sehen ihn neun Monate später als Neugeborenen in der Armut einer Höhle. Es ist kein Zufall, daß Jesus für Gerechtigkeit eintrat und schließlich gekreuzigt wurde, weil das, was er sagte, weder politisch korrekt noch zeitgeistgemäß war.

Als Nachfolger Christi sind wir aufgerufen, für das Leben einzutreten, gegen die politisch korrekten oder zeitgeistgemäßen Aussagen von heute. Wir müssen gegen eine Gesetzgebung ankämpfen, welche die Zerstörung des Lebens im Mutterleib unterstützt und sogar zelebriert.

Denken Sie daran, daß die Gesetze, die wir schaffen, Auswirkung darauf haben, wie wir unser Menschsein verstehen. Wir müssen uns fragen: Was sagen wir, wenn wir in den Mutterleib eindringen und ein unschuldiges, machtloses, stimmloses Leben auslöschen?

Als Medizinerin kann ich ohne zu zögern sagen: Das Leben beginnt mit der Empfängnis. Auch wenn das, was ich zu sagen habe, für manche schwer zu hören sein mag, sage ich es, weil ich nicht nur für das Leben bin, sondern für das ewige Leben. Ich möchte, daß wir alle eines Tages gemeinsam im Himmel ankommen.

Das bringt mich dazu, warum ich heute hier bin. Donald Trump ist der entschiedenste Pro-Life-Präsident, den diese Nation je hatte, er verteidigt das Leben in allen Phasen. Sein Glaube an die Unantastbarkeit des Lebens geht über die Politik hinaus. Präsident Trump wird sich gegen Biden-Harris stellen, die die lebensfeindlichste Präsidentschaftskandidatur aller Zeiten sind und selbst den Horror der Spätabtreibung und des Infantizids unterstützen. Aufgrund seines Muts und seiner Überzeugung hat sich Präsident Trump die Unterstützung der Pro-Life-Gemeinschaft Amerikas verdient. Darüber hinaus stehen landesweit Gläubige hinter ihm. Sie finden uns hier mit der Waffe, die wir wählen - dem Rosenkranz. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, wir alle beten für Sie.


Freitag, 28. August 2020

Die Traube

»(…) in der Kelter ist fruchtbare Bedrängnis. Am Rebstock spürt die Traube keine Bedrängnis, sie scheint unversehrt, doch strömt nichts von ihr aus; sie wird in die Kelter getan, getreten, gepreßt. Mißhandlung scheint man der Traube zuzufügen, aber diese Mißhandlung ist nicht unfruchtbar; vielmehr, wenn keine Mißhandlung hinzukäme, dann bliebe sie unfruchtbar (…) Wenn du also keine Verfolgung für Christus leidest, gib acht, ob du etwa noch nicht begonnen hast, in Christus fromm zu leben. Hast du aber begonnen, in Christus fromm zu leben, so hast du die Kelter betreten; bereite dich vor auf Bedrängnis, aber sei nicht verdorrt, daß etwa von der Bedrängnis nichts ausströmt.«

Hl. Augustinus, enarrationes in psalmos 55,3-4 (Übersetzung: Michael Fiedrowicz)


Grafik: Photo by Tetiana Shyshkina on Unsplash

Samstag, 22. August 2020

Blau

                                   

 »Blau ist überhaupt Freude. Blau erquickt.«

  Romano Guardini  

 

Grafik: Michelangelo, Jüngstes Gericht. wikicommons

Freitag, 14. August 2020

Die Schönheit, die nicht von dieser Welt ist

Gott ist schön. Die Schönheit, das pulchrum, ist eine der sogenannten Transzendentalien, in einfachen Worten, eine alle Gattungen übersteigende Weise des Seins, und diese Seinweise gehört wesentlich zu Gott.

Auch Menschen, deren Leben sich um Computer, Bytes und Platinen dreht, werden bisweilen eingeholt von der Transzendenz des Schönen, so daß sie erkennen müssen, daß es im Universum mehr gibt als elektronische Raffinessen, weitaus mehr.

Steve Jobs, der früh verstorbene Apple-Gründer, verehrte, so schreibt sein autorisierter Biograph, den Cellisten Yo-Yo Ma, den er 1981 kennengelernt hatte. Wäre es nach Jobs gegangen, so hätte der weltberühmte Cellist bei der Hochzeit Jobs, einer buddhistischen Zeremonie, gespielt. Doch Ma war aufgrund einer Auslandstournee verhindert.

Wenige Jahre später kommt es zu einer neuerlichen Begegnung zwischen dem Künstler und dem Coumputerstar. Der Biograph schreibt:

»Als er (sc. Ma) Jobs einige Jahre später besuchte, holte er sein 250 Jahre altes Stradivari-Cello aus dem Kasten und spielte Bach. Dieses Stück hätte ich für Ihre Hochzeit ausgesucht, sagte er. Jobs war den Tränen nahe. Ihr Spiel ist das beste Argument für die Existenz Gottes, das ich kenne. Etwas so Schönes kann der Mensch allein nicht vollbringen.

Und wiederum später, bei einer neuerlichen Zusammenkunft, nimmt Jobs, der bereits schwer an Krebs erkrankt ist, Ma das Versprechen ab, bei seiner Beerdigung zu spielen. 

Freitag, 7. August 2020

Die Abtreibungsindustrie

Wer sich auch nur ein bißchen auskennt im Abtreibunsgeschäft, der weiß, daß sich alles um die zwei Götzen Geld und Lügen dreht.
 
Ein neuer Undercoverbericht hat nun aufgedeckt, daß auch das vielbeschworene Mantra von der Abtreibung, die stets ein schwerer Entschluß für die Frau sei – ein Mantra, welches die Abtreibungsindustrie bei Belieben hervorkramt, um ihren verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema zu demonstrieren – in die Augen gestreuter Puder ist.

»Saskia«, so der Undercovername einer angeblich schwangeren Frau in Großbritannien, meldet sich telefonisch bei einer Abtreibungsfabrik und teilt der Beraterin mit, sie sei schwanger, wolle sich jedoch im Urlaub nicht den Kopf darüber zerbrechen, am Strand schwanger auszuschauen; und es sei gefühlsmäßig anstrengend, schwanger zu sein. 

Das genügte als Argument. 

Einige Tage später erhält Sakia mit der Post die Abtreibungspillen. Rechnung inklusive.

Dazu die Geschäftsführerin von Christian Concern, dem Unternehmen, welches die Undercoveroperation durchführte: »Das ist es, was die Abtreibungsindustrie will. Abtreibungspillen nach Wunsch, ohne Fragen zu stellen. Es ist also leider keine Überraschung, daß sie bereit sind, Abtreibungspillen für einen Bikini-Körper zu verteilen. Das Leben des ungeborenen Kindes ist weniger wert als ein Bikini-Selfie.«

Als die Lieferanten der Abtreibungspillen von Christian Concern wegen der skandalösen Fakten kontaktiert werden, bestreitet ein Sprecher der Organisation jegliches Fehlverhalten und schwingt sich auf zur empörten Pose: Man biete – so wörtlich – »jeder Frau, die uns braucht, eine sichere, mitfühlende und rechtmäßige Betreuung.«

Man beachte: »mitfühlend (compassionate)«.


Siehe: https://christiantoday.com/article/woman.who.didnt.want.to.look.pregnant.on.holiday.says.she.was.sent.abortion.pills/135294.htm

Grafik: Photo by Toa Heftiba on Unsplash
   

Freitag, 31. Juli 2020

Je mehr

Will man den Kern der ignatianischen Spiritualität erfassen, so kommt man an beim je mehr. Zumal Hans Urs von Balthasar hat, in Anlehung an Przywara, bei seiner Übersetzung der Exerzitien des heiligen Ignatius diesen Ausdruck bevorzugt, wenn es darum ging, den Glutkern der geistlichen Übungen zum Leuchten zu bringen.

Je mehr. Das heißt, daß es in unserem Weg zu Gott und mit Gott keinen Stillstand gibt. Auch keinen Superlativ. Wir können nie sagen: Ich habe das Beste heute für Gott getan. Das Beste würde Gott die Grenze setzen. Wir würden bestimmen, was in den Augen Gottes das Beste ist. Derart würden wir vergessen, daß eben dieser Gott nicht nur der je Größere ist, der alle unsere Konzepte, und seien sie noch so wohlgemeint, um ein Unendliches übersteigt, sondern stets auch der je Kleinere, der in Seiner Demut unsere Bemühungen zur Bescheidenheit gleichfalls um ein Unendliches unterfängt.

Deus semper maior. Deus semper minor.

Darum leuchtet der Ordensspruch der Jesuiten bis heute. Denn das Ad maiorem Dei gloriam ist gleichsam die gültige Prägung des jesuitischen Komparativs, die Haltung der Steigerung, die sich nicht selbstgenügsam einrichtet, sondern auf immer verfügbar bleibt dem Herrn gegenüber, dessen größerer Ehre jeder Dienst zugeordnet ist.

Manch einer hätte vermutlich für das Maximum optiert: Alles zur größten Ehre Gottes. Aber auch hier wahrt Ignatius den realistischen Platz. Dem unendlich großen und kleinen Gott schenken wir unser magis, unser mehr, und überlassen Ihm den Superlativ. Und reihen uns damit ein in die Schar derjenigen, die nicht aufhören, den Weg zu Ihm weiter zu gehen. Tiefer zu gehen. Höher zu gehen. Mehr zu lieben – je mehr als gestern. Und so sich übernehmen zu lassen in das unendliche Meer Seiner grenzenlosen Liebe.

In den Worten des Fundaments der Exerzitien: Um »einzig das zu ersehnen und zu erwählen, was mehr hinführt zum Ziel, auf das hin wir geschaffen sind«.

Freitag, 24. Juli 2020

Die zwei Wege

Manchmal ergibt sich auf welthistorischer Ebene und also im großen Maßstab eine Konstellation, die einem schlaglichtartig vor Augen führt, was einen jeden Menschen angeht.

Am 5. März 1953 stirbt nahe Moskau der Massenmörder Stalin.

Am selben 5. März 1953 stirbt in Moskau der Komponist Sergei Prokofjew.

Am Tag des Begräbnisses der beiden Toten kommt es nun zu folgender Konstellation in Moskau:

Eine riesige trauernde Menschenmenge bewegt sich zum Katafalk des Diktators, um tränenreich und hysterisch von dem Aufgebahrten Abschied zu nehmen.

In der entgegengesetzten Richtung, in einer Parallelstraße, bewegt sich gleichfalls eine Prozession. Es ist die überschaubare kleine Zahl der Trauernden, die dem Komponisten die letzte Ehre erweisen. Einige Männer tragen dabei den Sarg Prokofjews auf ihren Schultern. Im Zug dieser Trauernden befindet sich unter anderen der Cellist Mstislaw Rostropowitsch und der Kollege des Toten, Dmitri Schostakowitsch, der unter Stalin dauerhaft dem Damoklesschwert der Verhaftung ausgesetzt war.

Zwei Wege. Zwei Richtungen. Und ein jeder hat die Wahl, welchen Weg er nimmt. Das gilt damals wie heute.

Samstag, 18. Juli 2020

Othello und Hercule Poirot

Agatha Christie ist nicht zu unterschätzen.

Eine platte Krimischriftstellerin war sie nie. Die Aufdeckung eines Mordes oder einer Serie von Morden ist, bei aller begreiflichen Spannung, mehr als ein banales who did it. Die Wahrheit soll ans Licht kommen, darums geht‘s Christie. Und selbst wenn die story noch so verzwickt und aussichtslos scheint – die Wahrheit, daran läßt die Autorin keinen Zweifel, ist stärker. Der Täter wird gefaßt.

Wer wissen will, wie leidenschaftlich Dame Agatha dem Dunkel auf den Leib rückt, um dem Licht der unbestechlichen Wahrheit zum Sieg zu verhelfen, sollte den letzten der Hercule Poirot Romane lesen: Vorhang (Curtain). Hier stellt sich Christie in extremer Zuspitzung der Tatsache des Bösen.

Poirot, der Meisterdetektiv, sieht sich in seinem letzten Fall nicht konfrontiert mit einem Mörder unter anderen, sondern gleichsam mit dem mysterium iniquitatis, dem Bösen schlechthin, welches böse sein will und dessen Bosheit letztlich nicht aufhebbar ist in einer intellektuellen Spekulation oder gar Lösung.

Der Verbrecher ist vom Schlag eines Jago. Nicht umsonst gibt Shakespeares Othello und dazumal die Gestalt des Jago das Leitmotiv des Romans. Jago alias Stephen Norton, so der neue Jago in Christies Roman, ist der Drahtzieher im Hintergrund. Er stachelt an zum Mord, er ist der Hinterhältige, der Bösartige, der Fallensteller, der die tödlichen Schlingen legt, in welchen die unschuldigen Opfer sich heillos verlieren.

Norton wird schließlich von Poirot zur Strecke gebracht. Danach stirbt Poirot. Auch dies eine geniale Zuspitzung Christies. Denn die Konfrontation mit dem abgründig Bösen, mit dem Archetypus Kain, ist eine auf Leben und Tod. Poirot tötet Norton, wissend, daß sein Akt der Justiz auf die Gnade Gottes angewiesen ist (»Ich ziehe es vor, mich ganz in die Hände des bon Dieu zu geben. Möge seine Strafe oder seine Gnade mir rasch zuteil werden!«). Und wenig später ist er selbst tot. Seine Kräfte sind aufgezehrt. Die letzte Anstrengung ist zugleich die endgültige. Norton ist hingerichtet. »Das Loch in Nortons Stirn – es sah aus wie ein Kainszeichen...«, so endet Poirots finaler Fall.

Wie exakt die Moral Christies abläuft, wird ersichtlich, wenn man den Roman einer anderen Autorin zum Vergleich heranzieht, die gleichfalls einen Mörder ins Zentrum rückt. Gemeint ist Tom Ripley in Patricia Highsmiths gleichnamigen Romanen.

Im ersten Roman der fünf Ripley-Bände begeht der talentierte Mr. Ripley kaltblütig zwei Morde. An der Aufdeckung dieser Verbrechen ist Highsmith nicht interessiert. Der Mörder geht bezeichnenderweise am Ende des ersten Romans wie unbescholten davon, um weiterhin  zu morden. Wahrheit? - Fehlanzeige.

René Clément, der 1960 den Roman unter dem Titel Nur die Sonne war Zeuge verfilmte, war dieses amoralische Ende offensichtlich zu arg. Alain Delon, der Ripley spielt, bleibt in Cléments Film am Ende nicht ungeschoren, sondern sitzt in der Falle, die zuschnappt. Er ist des Verbrechens überführt.

Highsmith selbst gestand: Sie stelle dar den »unzweideutigen Triumph des Bösen über das Gute, und ich freue mich daran.« Über Cléments moralisierenden Filmschluß äußerte sie sich abfällig. Ripley ist der Mörder, der weiter morden darf. Noch im letzten der Ripley-Romane entgeht er jeder Verurteilung.

Wie unerschütterlich anders Agatha Christie. An seinen Freund Colonel Hastings, der mit dem Meisterdetektiv den letzten Fall bestreitet, schreibt Poirot zu guter Letzt einen Brief, der posthum, nach Poirots Tod, den Fall bis in die letzten Details aufdeckt. Da heißt es, und wie könnte es anders sein: »Und deshalb schreibe ich Ihnen diesen Brief. Sie müssen die Wahrheit erfahren!«

Voilà, mon ami: Die Wahrheit.

Samstag, 11. Juli 2020

Der Unterschied

                                             
»Der Held trägt eine Rüstung, der Heilige ist nackt.«

Simone Weil

                  
Grafik: Hl. Sebastian, Kathedrale Palma de Mallorca. Foto: Peter Adelskamp

Samstag, 4. Juli 2020

Das Blut Christi

Jesus Christus starb nicht im Bett. Er starb am Kreuz.

Jede heilige Messe ruft uns die Unfaßbarkeit dieser Tatsache ins Gedächtnis. Der wahre Gottessohn hat am Kreuz Sein Leben für uns hingegeben. Er hat nicht nur ein paar Tropfen Seines Blutes für uns vergossen – schon ein winzigster Tropfen hätte ausgereicht zu unserer Erlösung -, sondern Er hat, um uns die Unermeßlichkeit Seiner Liebe offenbar zu machen, Sein Leben bis zum letzten Blutstropfen am Stamm des Kreuzes vergossen.

Der Monat Juli ist in der Liturgie der katholischen Kirche dem Kostbaren Blut Christi geweiht. Und der Auftakt diese Monats, der 1. Juli, wird in der tridentinischen Messe, dem überlieferten Ritus, als Fest erster Klasse zum Gedenken an das Kostbare Blut des Erlösers gefeiert.

Wer sich diesem Geheimnis nähern will, der könnte über das nachdenken, was Heilige angesichts dieses Mysteriums erlebt und notiert haben. Die Heiligen sind uns voraus, sie sehen klar, wo wir getrübte Linsen haben. Die hagiographische Literatur kennt ungezählte Beispiele, die dies demonstrieren. Der heilige Paulus, der heilige Johannes Chrysostomus, der heilige Augustinus, die heilige Gertrud von Helfta, die heilige Katharina von Siena, der heilige Kaspar del Bufalo, um nur einige zu nennen, pflegten in besonderer Weise die Andacht zum Kostbaren Blut.

Zwei Hinweise zweier Heilige seien hier angeführt.

Von der heiligen Maria Magdalena von Pazzi, Karmelitin in Florenz (1566-1607), wird in einem Andachtsbuch für Sterbende folgendes berichtet:

»Einmal, als die heilige Maria Magdalena von Pazzi in Ekstase war, sah sie alle heiligen Schutzpatrone der Stadt Florenz [begleitet von unzähligen anderen Heiligen] vor dem Thron Gottes für die Sünder Fürsprache einlegen. Ihre Bitten blieben jedoch unbeantwortet. Dann näherten sich die Schutzengel der armen Sünder, aber ihre Gebete blieben gleichfalls unerhört. Als nächstes kamen die Scharen der Seligen, um für die schuldigen Seelen Fürbitte zu leisten. Während sie um Gottes Barmherzigkeit flehten, waren sie gleichzeitig darauf bedacht, dem Ewigen Vater das Kostbare Blut aufzuopfern; und aufgrund der Verdienste des Göttlichen Blutes wurde ihren Bitten stattgegeben.«

Der heilige Pfarrer von Ars (1786-1859), der Patron der Priester, sagte über sein Gebetsleben:

»Alle Gnaden habe ich erlangt durch die Bitte an Maria, dem himmlischen Vater das Kostbare Blut Seines Sohnes aufzuopfern.«

Alle Gnaden...

                                                                                                                                                  

Freitag, 26. Juni 2020

Otello oder das Unbesiegbare



Niemand kommt an der Auseinandersetzung mit dem Bösen vorbei. Und also kann auch der Künstler dieser Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen.

Bleiben wir bei Verdi.

Verdis radikalste Auseinandersetzung mit dem Bösen erfolgt in einem seiner Spätwerke, Otello.

Nach Shakespeares Vorlage entsteht unter der Hand des Librettisten Boito die präzise Zuspitzung des tödlichen Dramas. Die Gestalt Jagos, des infamen Drahtziehers der Tragödie, wird verschärft dadurch, daß der Librettist die Vorlage Shakespeares strafft und die Gestalt Jagos zusätzlich profiliert, etwa durch die Hinzufügung des berüchtigten gotteslästerlichen Credo des Bösewichts.

Die Perfidie des Bösen findet darüber hinaus eine Steigerung derart, daß Jago zwar die tödlichen Schlingen legt und genüßlich zynisch zuzieht, selbst jedoch dabei im Finstern bleibt, unentdeckt, um desto schurkiger seine Machenschaften voranzutreiben und vor Otello geradezu in der Maske des Redlichen aufzuscheinen.

Eine der gängigen Ausflüchte, wenn es um die tatsächliche Konfrontation mit dem Bösen geht, ist die der Verharmlosung. Gerade weil das Böse, wenn es einem in seiner unverstellten Gewalt entgegentritt, fassungslos macht, neigt man zu dessen Verdrängung, gleichsam um so dem abscheulichen Schock zu entfliehen. Darin kommt zugleich zum Ausdruck, daß das Böse im Grunde genommen nicht zu fassen ist, dementsprechend die Theologie seit je vom mysterium iniquitatis spricht, dem bei aller rationalen Durchdringung  unergründlichen Geheimnis der Bosheit.

Verdi verharmlost nichts. Jagos Dämonie wird schonungslos dargestellt. Und wer dieser Dämonie zuhört, statt sich rigoros von ihr abzuwenden, unterliegt, denn der Raffinesse und Tücke des Bösen ist der harmlose Mensch nicht gewachsen. Otello und Jago ist ein ungleicher Kampf. Der Mohr in seiner Einfalt hat keine Chance gegen den heimtückischen Intriganten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Otello, und nicht nur er, am Boden liegt.

So weit, so schlecht.

Aber Verdi läßt es nicht dabei bewenden. Zur Größe Verdis gehört, daß er dem Bösen, trotz all seiner schändlichen Durchsetzungskraft und trotz der Tatsache, daß Jago zuletzt entflieht und also seiner Verurteilung entgeht, nicht dem Bösen das letzte Wort läßt, sondern der Liebe und also dem unbesiegbaren Guten.

Desdemona, Otellos Frau, stirbt durch die Hände ihres hinters Licht geführten eifersüchtigen Gatten. Aber Desdemona bleibt bis zuletzt die treue Gattin - die Gattin, die, bereits sterbend, weiterhin die Liebe lebt, indem sie ihrem Mann, die Schuld auf sich nehmend, verzeiht.

Und selbst Otello, nach dem Verhängnis über seinen tödlichen Betrug aufgeklärt, verharrt nicht im Abgrund des Bösen. Sein letztes Wort ist nicht der Schatten, in dem er liegt (nell’ombra in cui mi giacio...), sondern das bewahrte Wort der Liebe. Und das macht Verdi in einer zärtlichen Eindringlichkeit, die die Unfaßbarkeit des Bösen hinter sich läßt und überwindet, hörbar. Im Leitmotiv der Liebe, dem dreimaligen Kuß – und die Dreimaligkeit unterstreicht die feierliche Endgültigkeit – offenbart Otello sterbend sein Credo. Es ist das dreimalige Alles in Allem: Bitte, Geschenk, Dank, Reue sowie letzte Gabe der Liebe.

Samstag, 20. Juni 2020

Der Verzicht



»Um irgendwen in Empörung zu versetzen, genügt es heutzutage, ihm vorzuschlagen, er solle auf etwas verzichten.«

So ein Diktum des kolumbianischen Reaktionärs Nicolás Gómez Dávila.

Wenn Dávila Recht hat, dann heißt dies, daß der moderne Zeitgenosse Kunst nicht länger versteht. Denn die Kunst, die den Namen Kunst verdient, thematisiert immer wieder genau das: Den Verzicht, das Opfer.

Nehmen wir ein populäres Beispiel: La Traviata.

Violetta, die Pariser Halbweltkurtisane, begegnet Alfredo, und das Unerhörte geschieht. Violetta lernt die Liebe kennen, die echte, die tatsächliche.

Der Vater Alfredos ist schockiert. Violettas Liaison mit dem Sprößling der Familie Germont kompromittiert die ganze Familie, zumal die bevorstehende Ehe der Tochter der Familie steht aufgrund des stadtbekannten Skandals vor dem Aus. Und Vater Germont überzeugt Violetta, das Opfer zu bringen, sprich Alfredo zu verlassen, auf ihre Liebe zu verzichten.

Das Duett zwischen Violetta und Germont gehört zu den ergreifendsten Szenen der gesamten Oper. Verdi macht die Größe des Opfers hörbar, und er zeigt zudem, daß dann, wenn zwei Menschen von sacrifizio reden, bei weiten nicht dasselbe gemeint ist. Violetta bringt das Opfer, und sie ist es, die den Preis bezahlt. Germont fordert das Opfer und riskiert nichts, denn er bewegt sich, bei allem Beeindrucktsein von Violettas Größe, lediglich im Rahmen der kalten Konvention.

Hätte es diesen Schwiegervater in spe nur nicht gegeben, mag einer erwidern, und alles wäre anders gekommen. Tja, nur es gibt diesen Schwiegervater, und selbst wenn es ihn nicht gäbe, dann würde die Handlung gleichwohl auf den Verzicht drängen. In Rigoletto (um bei Verdi zu bleiben) fehlt der Schwiegervater, von einer bösen Schwiegermutter ganz zu schweigen; dennoch opfert sich Gilda für den betrügerischen Herzog. Und in Aida gibt die Titelheldin aus freien Stücken ihr Leben hin und stirbt mit ihrem geliebten Radames im tristen Loch.

Nichts Neues unter der Sonne, schon bei den alten Griechen wurde tragisch gestorben. So der Einwand eines anderen. Doch auch dieser Einwand geht ins Leere. Denn  der Unterschied der Kunst nach Christus ist gerade der, daß die Tragik aufgebrochen wird. Die Violettas und Gildas, und wie sie alle heißen mögen, gehen nicht zugrunde an der undurchdringlichen Mauer eines grausamen Fatums, sondern sie sterben aus freiem Entschluß. Ihre Freiheit ist im Opfer nicht aufgehoben, sondern aktuiert sich im Opfer auf das herrlichste.

Und warum überhaupt das Opfer? Warum überhaupt verzichten?

Weil im Verzicht der Mensch im Ernstfall ist. Redet er schöne Worte oder lebt er die schönen Worte? Das Opfer tötet radikal den Egoismus, der seit dem Sündenfall in jedem Menschenherzen lauert. Egoismus und Liebe sind unvereinbar. Da Violetta liebt, verzichtet sie. Eine Welt ohne Verzicht wäre gleichbedeutend mit einer Welt ohne Erbsünde.

Damit hängt zusammen, daß Verdi seiner Heroine den himmlischen Schluß gewährt. Eine Mauer ist eine Mauer, da gibt es kein Mitleid. Violetta dagegen stirbt unter ätherischen Klängen. Der Himmel öffnet sich - nel ciel tra gli angeli prega -, denn der Himmel weiß um das Opfer und krönt es, schließlich hat jedes Opfer seinen Ursprung und seine Dignität (sei es gewußt, sei es nicht gewußt) im einzigen Opfer - dem des Sohnes.

Samstag, 13. Juni 2020

Freilich


»Freilich thut, um dergestalt das Lesen als Kunst zu üben, 
Eins vor Allem noth,
was heutzutage gerade am Besten verlernt worden ist (…),
zu dem man beinahe Kuh und jedenfalls nicht
moderner Mensch sein muß:
das Wiederkäuen.«

Friedrich Nietzsche

Grafik: Photo by Zoë Gayah Jonker on Unsplash

Samstag, 6. Juni 2020

The Chosen III

Es soll Leute geben, die diese Szene aus The Chosen zwanzigmal und mehr sich angeschaut haben. Etliche Kommentare schreiben, daß die Berufung des Matthäus (genau darum geht‘s bei dem Filmausschnitt) sie am meisten berührt habe in der gesamten Serie.

Hier ist sie: Die Berufung des Steuereintreibers. Follow me – und Matthäus verläßt alles.

Samstag, 30. Mai 2020

The Chosen II

Was geschieht, wenn eine kaputte Frau Jesus begegnet?

Dazu sollte man nachlesen, was im 4. Kapitel des Johannesevangeliums steht.

Aber vielleicht geht es uns mit dem Evangelium wie mit anderen Texten auch, die man öfters gehört hat. Man kennt das. Etwas Neues erwartet man erst gar nicht. Für eine Vertiefung ist man zu träge. Und dann noch das Reden vom Geist und von der Wahrheit, da schaltet man gleich ab und beschäftigt sich lieber mit Bequemerem.

In solch‘ einem Fall habitueller Somnolenz kann einen die wunderbare Szene aus The Chosen aufwecken, die eben die Begegnung Jesu mit der verletzten Samariterin, Johannes Kap. 4, in die Sprache des Films übersetzt.

Kintopp? Ja. Und zwar atemberaubend gut.

Samstag, 23. Mai 2020

The Chosen



Hat Jesus gelächelt? Gar gelacht? Hat er bisweilen verschmitzt dreingeschaut?

Für die neue Spielfilmserie The Chosen (Die Erwählten), die in etlichen Episoden aus dem Leben Jesu und Seiner Jünger erzählt und die weltweit unter Christen zum Hit geworden ist, ist diese Frage keine. Sie zeigt nämlich wie selbstverständlich den Jesus, der auch gelacht hat. Damit aber bringt The Chosen die Gestalt des Jesus von Nazareth auf neue, erfrischende und unverschämte Art den Zuschauern nahe - Jesus, der wahre Mensch. Und dies ohne in das Cliché des billigen Abziehbildes zu driften, nach dem Motto: Jesus, ein Mensch wie Du und Ich.

Man schaue etwa die Szene der Berufung der ersten Jünger, die der Film kombiniert mit der berühmten Petrusszene des wunderbaren Fischfangs.

Petrus, sein Bruder Andreas, die Donnersöhne Jakobus und Johannes und deren Vater haben eine frustrierende Nacht auf dem See hinter sich. Leere Netze, vergebliches Mühen.

Dann steht dieser jüdische Rabbi am Ufer und sagt tatsächlich zu Petrus, dem Meisterfischer: Wirf das Netz noch einmal aus!

Wie bitte? Soll das ein Witz sein? Die Nacht ist zum Fischen da, nicht der Morgen. Doch dieser Rabbi, den Andreas, wie er seinem Bruder mitteilt, für den Messias hält, ändert seinen Befehl nicht. Er schaut unverwandt den Petrus an. Und dieser gibt schließlich nach: Alright. Er will keinen Streit vom Zaun brechen mit diesem rabbinischen Gelehrten. Tun wir ihm den Gefallen.

Und er und sein Bruder werfen das Netz noch einmal ins Wasser. Und danach macht Petrus die besserwisserische Geste zu dem Mann am Ufer hin, die ohne Worte besagt: Zufrieden? Es ist eh umsonst.

Und im Gegenschnitt sieht man Jesu Gesicht. Und auch er bleibt jetzt ohne Worte. Aber in seinem Gesicht steht, mit leichter Kopfbewegung, das gleichsam humoristische, augenzwinkernde: Schau‘n wir mal.

Und drei Sekunden später gibt es was zum Schauen. Das Boot des Petrus‘ wird mit einem Ruck angezogen. Die Fischer kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Netze sind zum Bersten gefüllt. Es ist alles wahr, was der Mann gesagt hat.

Und dieser Mann freut sich mit seinen zukünftigen Menschenfischern Er steht am Ufer und lächelt. Er lächelt über die himmlischen Wunder und die Menschen, die ihr Glück nicht fassen können. Er lächelt, weil er sich freut für diesen Petrus, dem sich gerade die Fülle des Lebens offenbart.

Und dann – denn dieser lächelnde, durch und durch menschliche Freund am Ufer ist zugleich der wahre Gott – zeigt der Film diese göttliche Seite des am Ufer Stehenden, dabei auch jetzt die Balance der beiden Naturen Jesu wahrend.

Während nämlich Petrus aus dem Schiff steigt und vor Jesus niederfällt und in Tränen ausbricht und sein Schuldbekenntnis stammelt und den über ihm Stehenden schon wissend fragt, ob Er das Lamm Gottes sei, worauf Jesus nur sagt: I am - , beugt sich schließlich Jesus, in wunderbarer göttlicher und menschlicher Souveränität, zu seinem ersten Jünger nieder und sagt ihm das herrliche Wort: Follow me.

Samstag, 16. Mai 2020

Virgo potens

Der Mai ist der Monat der Muttergottes. Das ist bekannt.

Weniger bekannt ist die Stellung, die Maria im geistlichen Kampf einnimmt.

Um mal zwei Päpste der jüngeren Zeit zu zitieren. Papst Pius XII. bezeichnete die Gottesmutter im Weihegebet an das Unbefleckte Herz Mariens, 1942, als die »Siegerin in allen Schlachten Gottes«.

Papst Johannes Paul II. stellte bei einer seiner Frankreichreisen fest: »Wenn der Sieg kommt, wird er durch Maria kommen. Mehr denn je ruft die Jungfrau Maria heute ihre älteste Tochter (sc. Frankreich), aber auch alle ihre Töchter, die Nationen, auf, zu erwachen und sich zu bekehren, um ihren Sieg zu ermöglichen.«

Daß diese kämpferische Stellung Mariens so wenig bekannt ist, mag einerseits damit zusammenhängen, daß in Abbildungen der Gottesmutter vorzüglich ihre Sanftheit und Lieblichkeit dargestellt wird, andererseits damit, daß der Mensch die Wahrheit des geistlichen Kampfes ungern vernimmt. Man will in Ruhe gelassen werden, wie die Allerweltsfloskel lautet, schließlich sei das Leben schon anstrengend genug.

Ja, anstrengend ist das Leben. Aber ohne Maria, die in der Lauretanischen Litanei unter anderem als die virgo potens, die mächtige Jungfrau, angerufen wird, ist das Leben dermaßen anstrengend, daß es den Einzelnen erdrückt. Denn Maria, gerade in ihrer vollkommenen militärischen Reinheit, ist, wenn wir uns unter ihren Mantel stellen, der Schild, der uns vor den Angriffen des Bösen beschützt. Das aber heißt, mit ihr wird unser Leben ein befreites, wenn auch kein bequemes. Denn sie wird uns nicht zum Quietismus erziehen, sondern zum Mitkampf. In diesem Kampf freilich ist sie a priori die Siegerin, und folglich wir, wenn wir ihre Pädagogik annehmen, die Mitsieger.

Die Zeugnisse dieser Mitsiegerschaft sind zahllos. Hier eines:

»In Italien erzählte mir ein Exorzist, daß eines Tages ein junger Mann in großer Not zu ihm kam, weil er verzweifelt war; er konnte es nicht mehr ertragen. Er war nicht nur körperlich krank, sondern auch sein Geist wurde ständig gequält. Er hatte sich mit okkulten Praktiken beschäftigt, ganz zu schweigen von Drogen, Alkohol und anderen schädlichen Dingen!
Der Priester, in Beschlag genommen von einem anderen schwierigen Fall, kann seine Arbeit jedoch nicht unterbrechen. Da er aber das Leiden des jungen Mannes sieht, will er ihn nicht enttäuscht gehen lassen. Er erinnert sich an die Muttergottesstatue in seiner Kirche. Es ist die Muttergottes der Rue du Bac in Paris, die Jungfrau der Wundertätigen Medaille. Sie streckt ihre Hände aus und den Ringen, die sie an ihren Fingern trägt, entspringen Strahlen, welche die Gnaden symbolisieren, die Maria allen gewährt, die sie darum bitten. Der Priester sagt zu dem jungen Mann: Geh und bete vor der Statue und schau ihr in die Augen! Sie ist deine Mutter, sie wird dir helfen!
Der junge Mann kniet vor der Jungfrau Maria nieder, schreit ihr sein Elend entgegen und richtet seinen Blick auf ihre Augen. Plötzlich spürt er eine große Erleichterung, die ihm aus dem Blick der Gottesmutter zukommt. Noch nie in seinem Leben hat er eine solche mütterliche Zärtlichkeit verspürt. Voller Freude verweilt er lange vor der Statue. Es ist wie ein Balsam, der seinen Körper, sein Herz und seine Seele durchdringt! Als er weggeht, ist er geheilt und befreit!«

Die Muttergottesstatue in der Rue du Bac, einem der berühmten marianischen Wallfahrtsorte, zeigt Maria in beiden Eigenschaften: Als die liebliche Mutter und als die Siegerin in der Schlacht - unter ihren Füßen windet sich die besiegte Schlange.

                                                                    

Samstag, 9. Mai 2020

Gute Bücher

                                                         
»Gute Bücher zu lesen ist recht.
Aber besser ist es, zu beten.«

Starez Siluan

                                                                                                                                                 

Grafik: photo by Jack Sharp on Unsplash

Freitag, 1. Mai 2020

Die Nashörner

                   
Man sollte mal wieder Ionesco lesen. Zum Beispiel Die Nashörner. 

Die Fabel des Stücks ist so einfach wie vielschichtig. Ionesco stellt in drei Akten dar, wie sich Menschen wandeln. Die Transformation schreitet mit jedem Akt mehr voran. Das Bizarre wird das Normale. Das Unvorstellbare wird das vor der Haustür Liegende, ja das, was in die Köpfe und Wohnzimmer der Menschen eindringt.
      
Ionescos Dramaturgie hat man frühzeitig das Label Absurdes Theater verpaßt. Das war eine Art der Unschädlichmachung. Denn tatsächlich erzählt Ionesco keine abstrusen Begebenheiten, sondern menschlich-allzumenschliche Geschichten, Geschichten der conditio humana. Wie manipulierbar ist der Mensch? Wie widerstandsfähig ist er gegenüber Viren aller Art? Wann ist der Mensch ein Mensch?

Die Nashörnerei befällt nach und nach – bis auf den letzten Menschen Behringer – sämtliche Personen des Stückes. Eine maßgebliche Rolle bei der Verwandlung der Menschen in Rhinocéros (so der Originaltitel des Stücks) spielt die Sprache. Sprache, dies ist ihr tiefer Sinn, vermittelt Wahrheit. Sie gibt Auskunft darüber, wie es sich mit den Sachen in Wirklichkeit verhält.

Nicht so in Ionescos Stück. Die Protagonisten, gleich welcher Couleur oder akademischen Bildung, ergehen sich über kurz oder lang in Sprachmüllorgien. Der Logiker, eine Figur des Stücks, müßte eigentlich in seinen Syllogismen die präzise Wahrheitskraft der Sprache aufweisen. Aber weit gefehlt. Er ist derjenige, der in seinen sophistischen Winkelzügen dem letzten Sinn der Sprache den Garaus macht. Ein Hund könne auch eine Katze sein, wie auch umgekehrt, so die neue logische Losung.

Wisser steht dem nicht nach. Er steht jenseits aller Obskurantismen und durchschaut folglich die Ränke, die da abgehen. Nashörner? Galoppierende Dickhäuter? Von wegen. Alles pure Propaganda. Nichts dahinter und davor. Man muß halt nur superrational sein, vernünftig eben, dann ist man gefeit gegen jegliche abergläubische Augenwischerei.

Ein Freund von Behringer, Hans, weiß es gleichfalls ganz genau. Eine andere Moral müsse her, die Moral der Natur. Und während er glühend diese neue Moral herbeifantasiert, wandelt sich seine Haut, unter den Blicken Behringers, in Panzerhaut, nämlich in die grünlich-schuppige Natur eines Nashorns. Und auf der Stirn von Hans wächst die Beule, die, man ahnt es bereits, naturgemäß ein Nashorn ist.

Aber Gott sei Dank gibt es da noch Daisy, die Blondine, der Behringer verliebte Augen macht. Während viele Geschäfte mittlerweile »wegen Verwandlung« geschlossen sind und die Nashörner galoppieren und galoppieren und auch die Feuerwehrleute zu Nashörnern mutieren, bringt die liebliche Daisy Behringer einen Essenskorb in dessen Wohnung. Es könnte ein wunderbares trautes Picknick werden. Aber leider, leider hat es auch Daisy erwischt. Eigentlich seien die Untiere doch gar nicht so schlimm. Ihr tue es weh, wenn man lieblos von den Dickhäutern spreche. »Sieh doch nur, sie spielen, sie tanzen!« Und es kommt, wie es kommt. Die blonde Daisy gesellt sich, nachdem sie Behringer die ultimative Parole mitgeteilt hat: »Götter sind’s«, gleichfalls zu den Nashörnern.

Dabei hatte alles mit einer Katze angefangen. Eine arme Hausfrau, deren arme Katze von einem Nashorn (ist es ein afrikanisches oder ein asiatisches Nashorn?) zertrampelt wurde.

Absurdes Theater?                                                  

In späten Aufzeichnungen Ionescos, acht Jahre vor seinem Tod unter dem Titel Souvenirs et derniers rencontres herausgegeben (in deutsch unter: Erinnerungen. Letzte Begegnungen. Zeichnungen), kreist Ionesco fortwährend um das Thema des Todes. Tod von Freunden, Tod von Weggefährten, Tod der Mutter. Und da heißt es:

»Wir sind geboren, ich bin geboren, nicht nur um zu sterben, sondern auch, davon bin ich überzeugt, um Dinge zu verwirklichen, um Werke zu schaffen nach dem Vorbild Gottes. Das Leben ist gemacht, daß man es lebt, daß man es durchsteht, aber an allen Stellen des Kosmos, wo wir waren,wo wir sind, wo wir sein werden, müssen wir uns verwirklichen.«

Und wie sieht Behringers Verwirklichung aus?

Umzingelt von den brutalen Ungeheuern ergreift er schließlich sein Gewehr und ruft: »Ich bin der letzte Mensch. Ich werde es bleiben bis zum Ende. Ich kapituliere nicht.«


Grafik: Photo by jean wimmerlin on Unsplash

Samstag, 25. April 2020

Empfangen

  
Seid dankbar, heißt es beim Apostel Paulus (Kol 3,15).

Es mag lange in einem Leben dauern, bis man diesen Imperativ versteht. Warum dankbar sein, wenn einen innere und äußere Verletzungen quälen, wenn das Leben aus den Fugen gerät, wenn ein Mensch an meiner Seite stirbt?

Die Antwort der Heiligen ist die immerselbe: Weil Gott die Liebe ist.

Und der Liebende gibt. Immer.

Die wesentliche kultische Feier der Christen heißt nicht umsonst Eucharistie, was ja meint: Danksagung. Die heilige Messe ist eine Danksagungsfeier. Wir danken dem Gott, der uns liebt und dessen Liebe, wie es der Evangelist Johannes benennt, bis zum Äußersten geht.

Die Osterzeit ist eine fünfzigtägige Einübung in die Dankbarkeit, in das Geheimnis, daß es jemanden gibt, der mich liebt, und der diese Seine Liebe nicht mit schönen, konsequenzlosen Worten anpreist, sondern der tatsächlich diese Liebe gelebt und geoffenbart hat: Am Kreuz.

In der Mitte der hl. Messe, der Danksagungsfeier, ist die Wandlung, in der die Gaben von Brot und Wein verwandelt werden in den Leib und das Blut Christi. In diesem heiligen Augenblick spricht der Priester in persona Christi, die Worte: Accipite et manducate ex hoc omnes. Korrekt übersetzt heißt dies: Empfangt und eßt alle davon.

Das deutsche Meßbuch übersetzt die lateinischen Worte allerdings anders. Da heißt es: Nehmt und eßt.

Accipere heißt freilich nicht nehmen, sondern empfangen, hinnehmen. Das ist keine Rabulistik, sondern einfache Sprachschulung, und erst diese führt mitten in das Mysterium. Denn das Heilige, und in diesem Falle das Allerheiligste, können wir uns nicht nehmen, sondern stets nur empfangen. Wo wir gewohnheitsmäßig oder aus Gier oder selbstherrlich nehmen wollen, entzieht sich der Heilige. Sakramente sind Geschenke, keine Waren. Wenn der Herr uns Seinen Leib zur Speise reicht, dann ist dies ein Reichen, welches den Empfänger bereichert, vorausgesetzt der Empfänger versteht, daß er der unfaßbar Beschenkte ist.

Wenn man dies bedenkt, versteht man vielleicht besser unsere Mühen mit dem Danken. Wenn man tagein tagaus getrimmt wird auf die egoistische Position des autonomen Zupackens und Nehmens, weil das bereite, stille Empfangen als schwächliches Ausgeliefertsein geschmäht wird, da verliert irgendwann auch das Mysterium seine tiefe Bedeutung, derart, daß man meint, sich auch des Sakraments habhaft machen zu können.

Doch die Wahrheit, wie Nikolaus von der Flüe sagt, bleibt da. Vor Gott sind wir alle Empfangende. Und da die Eucharistie das Geheimnis aller Geheimnisse ist, bestrahlt sie unser ganzes Leben und will uns schließlich dieses Leben erhellen als das, was es wahrhaft ist: Geschenk. Gabe. Geheimnis.

Grafik: Photo by Shalone Cason on Unsplash