Freitag, 27. September 2019

Der endgültige Kampf


»Wir stehen heute vor der größten Schlacht, die die Menschheit je gesehen hat. Ich denke nicht, daß die christliche Gemeinschaft das schon ganz begriffen hat. Wir befinden uns heute im endgültigen Kampf zwischen der Kirche und der Anti-Kirche, zwischen dem Evangelium und dem Anti-Evangelium.«

So Kardinal Karol Wojtyła, der spätere Papst Johannes Paul II., am 9. November 1976.

Seinerzeit mögen etliche diese Aussage des Kardinals für überzogen gehalten haben. Was meinte er nur? Schließlich war Europa ein prosperierender Kontinent, die Weltwirtschaft florierte, der Zweite Weltkrieg lag Dezennien zurück.

Aber der Kardinal ließ sich nicht beirren.

Während seines Pontifikats faßte Johannes Paul II. die Schlacht, von der er sprach, in die Begriffe, die seitdem zu den präzisen Kennmarken der beiden sich bekämpfenden Lager geworden sind: Hier die Kultur des Lebens, dort die Kultur des Todes.

Und auch da protestierten die notorischen Protestler. Dies sei die obsolete Rhetorik der katholischen Kirche. Die Moderne wisse es besser, schließlich sei die Moderne der Hort und die Garantie von Toleranz und Liberalität.

Johannes Paul II. starb 2005. Seine Diagnose bleibt, unangefochten. Wer eines Beweises bedarf, sollte – unter anderen multiplen Beweisen – mal über diese rezente Begebenheit nachdenken:

Soeben hat New South Wales, ein Bundesstaat im Südosten Australiens (mit Sydney als Hauptstadt), ein Abtreibungsgesetz verabschiedet, das im Grunde die Abtreibung des ungeborenen Kindes bis zur Geburt gestattet.

Und was geschieht im Parlament, wo dieses mörderische Gesetz beschlossen wird?

Pro-Abtreibungspolitiker fallen sich um den Hals, umarmen einander, beglückwünschen sich und jubeln.

Haben wir wirklich verstanden, was uns die Nachrichten da präsentieren? Die Tatsache, daß nun Kinder bis zur Geburt getötet werden können, ist für gewählte Volksvertreter Grund zu Jubel und Applaus und Glückwünschen. Eine Umarmung – Gebärde der Zuneigung und Nähe – wird pervertiert zu einer Geste des Grauens.

»Wir stehen heute vor der größten Schlacht, die die Menschheit je gesehen hat. Ich denke nicht, daß die christliche Gemeinschaft das schon ganz begriffen hat. Wir befinden uns heute im endgültigen Kampf zwischen der Kirche und der Anti-Kirche, zwischen dem Evangelium und dem Anti-Evangelium.«
Der Sieger in diesem Kampf - lassen wir uns nicht beirren - ist Derjenige, der derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit: Christus. Er hält die Arme offen für die wahre Umarmung.

Grafik: Photo by Robert Nyman on Unsplash

Samstag, 21. September 2019

Die grünen Auen, die Todesschatten und das Haus des Herrn


Eine Umfrage würde wahrscheinlich ergeben, daß der Psalm 23 (Vulgata 22) zu den beliebtesten Gebeten der Kirchgänger zählt.

Der Herr ist mein Hirte. Und nicht nur das. Er führt mich zu den grünen, saftigen Wiesen, Er schenkt mir Ruhe, Er erquickt mich, Er deckt mir den Tisch.

Wunderbar. Was will man mehr.

Aber vielleicht ergeht es uns so, wie es einstens Card. Newman (der heuer am 13. Oktober heiliggesprochen wird) seinen Zeitgenossen diagnostizierte, mehr als einhundert Jahre vor unserer Zeit:

»Was ist jetzt die Religion der Welt? Sie hat die lichtere Seite des Evangeliums aufgegriffen, seine Botschaft des Trostes, seine Gebote der Liebe; alle dunkleren, tieferen Ansichten von der Lage des Menschen und seinen Aussichten sind vergleichsweise vergessen. Das ist die einem zivilisierten Zeitalter natürliche Religion, und geschickt hat Satan sie aufgezogen und vollendet zu einem Trugbild der Wahrheit.«

Wir wollen das Sanfte, das Liebliche, das durch und durch Konfliktfreie. Und weil wir so erpicht sind auf die grünen Augen, die kein Wässerchen trüben darf, radieren wir aus, was dem Lieblichen in die Quere kommt.

Da macht uns nun gerade der idyllische Psalm 23 einen Strich durch die Rechnung. Denn in ihm plätschern nicht nur die Wasser der Erquickung, in ihm werden auch die dunkleren, tieferen Ansichten der Lage des Menschen zur Sprache gebracht.

Denn in der Mitte dieses großen Gebetes drohen schlagartig die Schatten des Todes (so die kräftigere Fassung der Vulgata: in medio umbrae mortis). Und die friedliche Atmosphäre ist eine offensichtlich bedrohte, denn sie ist den Feinden abgerungen, denen, die den Beter bedrängen.

Fatal wäre es, wenn diese dunklen Seiten des Psalms unterschlagen oder routinemäßig überlesen und vergessen würden. Das hieße aus dem Gebet eine billige Vertröstung machen. Die Heilige Schrift jedoch – wie könnte es auch anders sein – entzieht sich jedem Trugbild der Wahrheit.

Es stimmt schon: Der Herr ist mein Hirte. Und es gibt die grünen Auen. Und der Herr will uns in die Ewigkeit führen, in das Haus des Herrn. Doch der Gang in dieses Haus ist ein mit Mühen und Kämpfen beladener. Auch die Züchtigung, die uns überhaupt nicht schmeckt, wird es auf diesem Gang geben, denn der Stab des Hirten ist nicht nur der wegweisende Halt, auch nicht nur die Waffe gegen die Wölfe, sondern bei Bedarf das Mittel, um uns, die Irregehenden, zu züchtigen und auf den rechten Weg zurückzubringen.

Wer dies bejaht, der hat es gut. Der ist umgeben von der Süße der Verheißung.

Denn auch dies gehört zur Größe dieses Gebetes: Die Todesschatten dräuen nicht zu Beginn, sondern sind eingebettet in den strahlenden Anfang und das aufatmende Ende. Der Beter, der bejaht, braucht keine Angst zu haben. Er ist tatsächlich geborgen. Der Sieger ist der Hirte. Dem Schaf obliegt es, die Bedingungen dieses Hirten, der bekanntlich nicht auf einer Wiese, sondern am Kreuz gesiegt hat, anzunehmen.

Grafik: Photo by Adrian Dascal on Unsplash

Samstag, 14. September 2019

Jetzt mußt du dich vorbereiten


»Ich habe einmal in der Sowjetunion mit einem Mönch gesprochen und ihn gefragt, wie man sich als Komponist bessern könne. Er antwortete mir, er wisse dafür keine Lösung. Ich erzählte ihm, daß ich auch Gebete schriebe, Musik zu Gebeten oder Psalmtexten, und daß dies mir als Komponist vielleicht helfen könne. Darauf sagte er: Nein, du irrst dich. Alle Gebete sind schon geschrieben. Du brauchst keine mehr zu schreiben. Das ist alles vorbereitet. Jetzt mußt du dich vorbereiten. - Ich glaube, darin steckt eine Wahrheit. Wir müssen damit rechnen, daß unsere Lieder eines Tages ein Ende nehmen. Vielleicht kommt auch für den größten Künstler der Moment, in dem er nicht mehr Kunst machen will oder muß. Und vielleicht schätzen wir gerade dann sein Schaffen noch höher ein; weil es diesen Augenblick gegeben hat, in dem er über sein Werk hinausgelangt ist.« Arvo Pärt, estnischer Komponist

 

Grafik:  
Michelangelos letztes Werk, Rondanini Pietà, Ausschnitt. wikicommons

Freitag, 6. September 2019

P. Pio III

Seelen zu retten, ist kein geschmackvoller Zeitvertreib.

Aus etlichen Augenzeugenberichten weiß man, daß der Heilige von San Giovanni Rotondo mit einer verzärtelten Seelsorge nichts anzufangen wußte. Pönitenten - was durchaus keine Seltenheit war – wurde von Pater Pio die Absolution verweigert, weil sie mangelhaft disponiert waren, fehlende Reue an den Tag legten oder aus Neugierde zum heiligen Pater gekommen waren. Schroffheit in der Wortwahl war an der Tagesordnung.

Selbst Mitbrüdern und Nahestehenden des Heiligen waren die harschen Ermahnungen, Schelten und Hinausschmisse des Padre bisweilen zu deftig oder zu wenig zartfühlend.

Ein Biograph schreibt diesbezüglich: »Oft waren P. Pios Stellungnahmen gegen die Überschreitung der göttlichen Gesetze so hart, daß seine Begleiter sich eine sanftere, verständnisvollere Linie gewünscht hätten.«

Aber was verstehen wir schon von der Leidenschaft des Heiligen, Seelen zu retten? Während wir von Achtsamkeit und attraktiver Kirche und Nettsein als den pastoralen Shibboleths plaudern, vergießt der Heilige sein Blut.

Als ein Mitbruder des Stigmatisierten sich einmal wundert »über die Strenge des Paters, anläßlich einer kompromißlosen Stellungnahme gegen die Sünde der Abtreibung«, entgegnet der Heilige im Blick auf das Volk Gottes, welches allzu oft von seinen Hirten im Stich gelassen wird:

»Weißt du, wo das Problem liegt? Unsere Kirchgänger, die keine Strafpredigt brauchen, verwöhnen wir mit guten Worten und überflüssigen Ratschlägen, und die, die etwas Licht bräuchten, lassen wir im Stich, ohne das Allernötigste für ihre Rettung. Die brüderliche Strenge ist mehr wert als alle Nettigkeit der Welt.«

Grafik: Pater Pio in jungen Jahren. wikicommons.
Lit.: Der Padre. Der hl. Pio von Pietrelcina. Die Mission, Seelen zu retten. Augenzeugenberichte I. San Giovanni Rotondo 2010.