Donnerstag, 26. April 2018

Loslassen I


»Ohne ein Sich-Losreißen kann man die Wahrheit nicht mit ganzer Seele lieben.«

Simone Weil, Cahiers 2

Grafik: Photo by Elijah Hiett on Unsplash

Freitag, 20. April 2018

Money


Bernard Nathanson, gebürtiger Jude und einst bekannter Abtreibungsarzt in New York, verantwortlich für 70.000 Abtreibungen (darunter auch sein eigenes Kind), hat – nach seiner Konversion zur katholischen Kirche – eingestanden, daß die Abtreibungsindustrie permament lügt.

Nathanson mußte es wissen. Denn gemeinsam mit einer Handvoll anderer verbissener Abtreibungsbefürworter war er die treibende Kraft in den sechziger, siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, um die geltende Abtreibungsgesetzgebung der USA zu Fall zu bringen.

Und was in den Aufzeichnungen Nathansons gleichfalls ins Auge springt, ist die Tatsache, daß Abtreibung ein Geschäft ist, das wie am Fließband abgewickelt wird. Durch Abtreibung, das heißt durch die Tötung eines ungeborenen Kindes und die schwere Traumatisierung der Mütter, wird knallhartes Geld verdient.

Vielleicht versteht man diese kaltblütige Geschäftemacherei nochmals besser durch folgende Tatsache, die mir Monsignore Reilly mitgeteilt hat.

Monsignore Reilly gehört zu den Pionieren der Lebensschutzbewegung. Als Gründer der Helpers of God‘s Precious Infants arbeitet er seit Jahrzehnten unermüdlich im Lebenschutz.  In New York steht er tagein tagaus mit seinem Team vor Abtreibungsstätten und bietet schwangeren, verzweifelten Frauen Hilfe an, damit sie sich für das Leben entscheiden.

Auch am 11. Septemer 2001, als das Attentat auf die Twin Towers in New York geschah, war Monsignore wie üblich betend und beratend vor der Abtreibungsstätte tätig.

Als das Attentat geschah, so Monsignore, war New York schlagartig im Schockzustand. Die Luft verdunkelte sich. Die Menschen liefen auf die Straße, der hektische New Yorker Alltag kam zum Erliegen, ein jeder wußte oder ahnte, daß etwas Schreckliches passiert war. Die Angst, das Entsetzen, die Panik und zugleich das hilflose, erschütterte Nichtweiterwissen verband die Menschen untereinander. Die Geschäfte hörten auf, sie waren angesichts der hereingebrochenen Katastrophe plötzlich unwichtig geworden. Die Menschen starrten oder schrien oder verstummten, voller Angst, was noch passieren würde.

Eine Ausnahme gab‘s jedoch. Das Geschäft der Abtreiber ging weiter, wie gehabt. Das blutige Geschäft der Abtreiber, so Monsignore Reilly, hörte auch am 11. September 2001 nicht auf.

Grafik: https://unsplash.com/Photo by Allef Vinicius on Unsplash

Samstag, 14. April 2018

Ehebruch, tödlich

Es kennzeichnet den ernst zu nehmenden Künstler, daß er eine sittliche Grundhaltung in sich trägt, die er – kraft seines künstlerischen Gewissens – nicht korrumpieren läßt.

Ein Beispiel: Gustave Flauberts Madame Bovary.

Der Roman, zunächst 1856 als gekürzter Fortsetzungsroman in einer Pariser Zeitschrift erschienen, erregte sogleich Skandal. Dargestellt wurde das Schicksal der Emma Bovary, Ehefrau eines verwitweten Landarztes, die nach etlichen Ehebrüchen schließlich im Selbstmord endet.

Der Vorwurf der Kritik: Der Roman verherrliche den Ehebruch und unterminiere die guten Sitten. In einem spektakulären Prozeß wurde der Verfasser des Romans schließlich freigesprochen.

Liest man heute, mehr als 160 Jahre später und also in einer Zeit, wo die eheliche Moral landauf landab mit Füßen getreten wird, und nicht nur das, wo vielmehr öffentlich der Ehebruch als gesellschaftsfähig, reizvoll und befreiend gepriesen wird, derart, daß in einem kostenlos in die Haushalte verteilten österreichischen Stadtmagazin vor Jahren bereits mit der Schlagzeile geworben wurde Seitensprung macht Liebe… liest man heute Flauberts berühmtes Werk, so wünscht man sich Autoren, die ähnlich radikal wie der französische Realist damals Sachverhalte heute so darstellen, wie sie tatsächlich sind.

Denn Flaubert verherrlicht den Ehebruch gerade nicht. Zehn Tipps für den Ehebruch, die eine yellow press den verblendeten Zeitgenossen 2018 verkauft, findet man bei Flaubert nirgends. Flaubert beschönigt nichts. Der Ehebruch ist keine Heldentat, kein Kavaliersdelikt, keine Tugend, sondern die nackte, abgründige Illusion. Emma ist diejenige, die sich ihre rosarote Welt zimmert – aus Langeweile, aus Snobismus, aus Dünkel, aus Resignation, aus Tagträumereien, aus Gefallsucht, aus Dummheit. Die Ehebrüche, die sie begeht, befreien nicht, sondern versklaven und zementieren das Gefängnis, welches sie sich pittoresk ausstaffiert, bis es sie unter sich begräbt.

Der Niedergang der Antiheldin wird dabei von Flaubert geradezu nüchtern, akribisch, quasi mit dem Skalpell des chirurgischen Diagnostikers geschildert. Um eine christliche, gar katholische Perspektive geht es nicht. Flaubert beläßt es beim Sezieren. Aber eben da ist er unbestechlich, anders als unsere modischen Apologeten der Unzucht. Flauberts künstlerisches Gewissen verbietet ihm, aus dem Ehebruch und den Illusionen und den Heimlichtuereien und den Lügen der Madame Bovary eine Geschichte der Emanzipation zu machen.   

Das Ende der Bovary ist entsprechend von gespenstischer Schrecklichkeit. Es ist der nackte Horror als Abschluß eines verpfuschten Lebens. Und was Flaubert zugleich zeigt: Der Horror zieht Kreise, denn die Unzucht ist ein Strudel. Und der Strudel bringt mit unerbittlicher Konsequenz den Tod. Das Ende der Bovary ist der Nihilismus, nicht als Metapher, sondern als Realität. Das zeigt der Künstler Flaubert.

Samstag, 7. April 2018

Das Licht in Emmaus


Gibt es das: Emmausbilder, die zeigen, wie Jesus das Brot bricht und wie Seine Wunden leuchten?

Ist es nicht so: Kleopas und der zweite Jünger sehen beim Brotbrechen Jesu strahlende Wunden? Ja, sie sehen, weil die Wunden sie sehend machen.

Wenn der Evangelist Lukas schreibt: Es gingen ihnen die Augen auf, dann dürfen wir fragen: Woher kommt denn das Licht, welches den beiden Jüngern die Augen öffnet.

Natürlich: Das Licht kommt von Jesus. Immer. Schließlich sagt Er von sich selbst: ICH bin das Licht der Welt (Joh 8,12). Aber mir scheint, das ist nicht konkret genug in diesem konkreten Fall. Die konkrete Antwort lautet: Das Licht ist Licht der strahlenden Wunden Jesu.

In Psalm 36, 10 heißt es: In Deinem Licht schauen wir das Licht. Gemeint ist damit: Erst im Licht Gottes vermögen wir wahrzunehmen. Wir sind Blinde, allesamt, und nur dann, wenn wir Sein Licht aufnehmen, werden wir Sehende, wie die Emmausjünger, die auf einem Wandteppich der Vatikanischen Museen auf die erhobene, segnende Hand des Meisters schauen, dorthin, wo die Wunde leuchtet.

Denn die verklärten Wunden Jesu sind gleichsam konzentrierte Ausstrahlungen des göttlichen Lichts. Und in diesem Licht erkennen die beiden Gefährten Jesu schließlich ineins das größte Geschenk des Lichts, die Eucharistie, die Johannes Paul II. bezeichnenderweise als »Geheimnis des Lichts« bezeichnete (s. Mane nobiscum Domine!, II.).

In der Osternacht, wenn der Priester an der Osterkerze, diesem Zeichen des Triumphes Christi über den Tod, die symbolischen fünf Wundmale Christi anbringt, dann spricht er dabei das begleitende Gebet: »Durch Seine heiligen Wunden, die leuchten in Herrlichkeit, behüte und bewahre uns Christus, der Herr. Amen.«

Ja, die Wunden leuchten in Herrlichkeit. In Emmaus. In Wien. Die Wunden wollen sehend machen, überall dort, wo Menschen bereit sind, brennende Herzen zu bekommen.

Grafik: sacerdos viennensis, Wandteppich, Vatikanische Museen