Ein berühmter, bereits verstorbener polnischer Filmregisseur sagte anläßlich seiner akklamierten Filmtrilogie in einem Interview, er habe keine Antworten.
Das ist dürftig. Und es ist unwahr. Denn die sogenannte Antwortlosigkeit ist auch eine Antwort, halt eine dürftige.
Doch im modernen Feuilleton ist diese Antwort gern gesehen. Man attestiert ihr bereitwillig die Aura des Aufklärerischen, des Abgeklärten, des Existentialistischen, während sie tatsächlich bodenlos relativistisch ist.
Und der Relativismus zeigt sich. Im ersten Film der Trilogie sieht dies derart aus: Die Hauptdarstellerin – soeben durch einen Autounfall, bei dem ihr Mann und ihre Tochter ums Leben gekommen sind, Witwe geworden – streift durchs Leben. Mit einem der Mitarbeiter ihres verstorbenen Mannes verbringt sie eine Nacht, um ihn anschließend vor die Tür zu setzen.
Mit einer jungen Frau, die in ihrem Miethaus unter ihr wohnt, kommt sie in näheren Kontakt, es entwickelt sich eine Art Freundschaft. Besagte junge Frau ist Nutte und findet das gut so.
Der verstorbene Komponist, so entdeckt seine Witwe post mortem, hat seine Frau seit Jahren mit einer Juristin betrogen. Die Witwe will die fremde Frau, die ein Kind von dem Komponisten erwartet, kennenlernen. Am Ende des Kontaktes vermacht die Witwe ihr großbürgerliches Domizil der Juristin und dem noch ungeborenen Kind. Warum? Ihr Mann habe schließlich diese Frau geliebt.
Tja, Liebe ist offensichtlich alles. Der Slogan kommt einem bekannt vor. Dazu paßt dann auch noch, daß der Komponist vor seinem Tod an einem großen Werk mit Chor arbeitete, dessen Textgrundlage… na was wohl? … das Hohelied der Liebe des Apostels Paulus ist. In Griechisch!
Doch auch dieses bombastische musikalische Zitat ändert nichts an der relativistischen Struktur des Films. Die Frage ist, woher dieser Relativismus des polnischen Regisseurs, der die religiösen Quellen seiner Heimat durchaus kennt.
Und da sind wir bei der echten Antwort angekommen. Auch sie zeigt sich, denn die Wahrheit zeigt sich.
Etwa in der Mitte des Films kommt es zu einer weiteren Begegnung der Hauptdarstellerin, diesmal mit einem jungen Burschen. Man trifft sich in einem Café. Antoine, so der Name des Burschen, hat diese Begegnung gesucht, denn er war damals Zeuge des Unfalls. Und an der Unfallstätte fand er eine Halskette samt Kreuz. Diese Halskette will er der Witwe zurückgeben, denn schließlich gehört sie ihr.
Und was passiert? Die Witwe nimmt Kette und Kreuz nicht an, sie läßt sie Antoine und verläßt das Lokal.
Klarer könnte die Antwort nicht sein. Wer das Kreuz, welches absolut ist, zurückweist, der endet im Relativismus. Darüber täuschen weder träumerische Großaufnahmen noch betörende Filmmusiken noch cineastische Preise hinweg. Die Leere breitet sich aus. Die emphatisch beschworene Liebe ist letztlich eine schale, nichtssagende Vokabel unter anderen.
Zu den letzten Bildern des Films gehört in einem Reigen verstörender Momentaufnahmen auch der Blick auf den jungen Burschen, der weiterhin das Kreuz in Händen hält. Man kann nur hoffen, daß Antoine, als Zeuge im wahren Wortsinn, die Zukunft lebt, die der Regisseur ein und eine halbe Stunde lang verbarrikadiert.
Grafik: Photo by Sophia Sideri, unsplash.com
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Samstag, 18. Juni 2022
Das Kreuz III
Freitag, 3. April 2020
Die Liebe in Zeiten der Epidemie IV
»Die meisten Menschen schockiert es, eine Katze zu sehen,
die einen Vogel erlegt.
Es ist erstaunlich, wie viele von ihnen
nicht die geringste Gefühlsregung verspüren,
wenn sie Woche für Woche hören,
daß Gott getötet wurde.«
Dorothy L. Sayers
Grafik: Photo by Christoph Schmid on Unsplash
Samstag, 21. September 2019
Die grünen Auen, die Todesschatten und das Haus des Herrn
Eine Umfrage würde wahrscheinlich ergeben, daß der Psalm 23 (Vulgata 22) zu den beliebtesten Gebeten der Kirchgänger zählt.
Der Herr ist mein Hirte. Und nicht nur das. Er führt mich zu den grünen, saftigen Wiesen, Er schenkt mir Ruhe, Er erquickt mich, Er deckt mir den Tisch.
Wunderbar. Was will man mehr.
Aber vielleicht ergeht es uns so, wie es einstens Card. Newman (der heuer am 13. Oktober heiliggesprochen wird) seinen Zeitgenossen diagnostizierte, mehr als einhundert Jahre vor unserer Zeit:
»Was ist jetzt die Religion der Welt? Sie hat die lichtere Seite des Evangeliums aufgegriffen, seine Botschaft des Trostes, seine Gebote der Liebe; alle dunkleren, tieferen Ansichten von der Lage des Menschen und seinen Aussichten sind vergleichsweise vergessen. Das ist die einem zivilisierten Zeitalter natürliche Religion, und geschickt hat Satan sie aufgezogen und vollendet zu einem Trugbild der Wahrheit.«
Wir wollen das Sanfte, das Liebliche, das durch und durch Konfliktfreie. Und weil wir so erpicht sind auf die grünen Augen, die kein Wässerchen trüben darf, radieren wir aus, was dem Lieblichen in die Quere kommt.
Da macht uns nun gerade der idyllische Psalm 23 einen Strich durch die Rechnung. Denn in ihm plätschern nicht nur die Wasser der Erquickung, in ihm werden auch die dunkleren, tieferen Ansichten der Lage des Menschen zur Sprache gebracht.
Denn in der Mitte dieses großen Gebetes drohen schlagartig die Schatten des Todes (so die kräftigere Fassung der Vulgata: in medio umbrae mortis). Und die friedliche Atmosphäre ist eine offensichtlich bedrohte, denn sie ist den Feinden abgerungen, denen, die den Beter bedrängen.
Fatal wäre es, wenn diese dunklen Seiten des Psalms unterschlagen oder routinemäßig überlesen und vergessen würden. Das hieße aus dem Gebet eine billige Vertröstung machen. Die Heilige Schrift jedoch – wie könnte es auch anders sein – entzieht sich jedem Trugbild der Wahrheit.
Es stimmt schon: Der Herr ist mein Hirte. Und es gibt die grünen Auen. Und der Herr will uns in die Ewigkeit führen, in das Haus des Herrn. Doch der Gang in dieses Haus ist ein mit Mühen und Kämpfen beladener. Auch die Züchtigung, die uns überhaupt nicht schmeckt, wird es auf diesem Gang geben, denn der Stab des Hirten ist nicht nur der wegweisende Halt, auch nicht nur die Waffe gegen die Wölfe, sondern bei Bedarf das Mittel, um uns, die Irregehenden, zu züchtigen und auf den rechten Weg zurückzubringen.
Wer dies bejaht, der hat es gut. Der ist umgeben von der Süße der Verheißung.
Denn auch dies gehört zur Größe dieses Gebetes: Die Todesschatten dräuen nicht zu Beginn, sondern sind eingebettet in den strahlenden Anfang und das aufatmende Ende. Der Beter, der bejaht, braucht keine Angst zu haben. Er ist tatsächlich geborgen. Der Sieger ist der Hirte. Dem Schaf obliegt es, die Bedingungen dieses Hirten, der bekanntlich nicht auf einer Wiese, sondern am Kreuz gesiegt hat, anzunehmen.
Grafik: Photo by Adrian Dascal on Unsplash
Dienstag, 16. April 2019
Karwoche 2019. Das Menetekel
Kathedrale Notre-Dame de Paris, in Flammen.
Stat crux dum volvitur orbis.
Das Kreuz steht, während der Erdkreis sich dreht.
Grafik: via @princess_redd / Twitter
Freitag, 18. Januar 2019
Das Kreuz
«Alle Vorkommnisse unseres Lebens, was immer es sei, ohne Ausnahme, sind Liebeszeichen Gottes. Die Anfänger im Erlernen dieser Sprache glauben, nur einige Worte sagten: Ich liebe dich. Die diese Sprache kennen, wissen, daß alles nur eine einzige Bedeutung hat. Gott hat kein Wort, um Seinen Geschöpfen zu sagen: Ich hasse dich.»Kann man das wirklich so sagen? Sind tatsächlich alle Vorkommnisse unseres Lebens Liebeszeichen Gottes?
Nehmen wir ein extremes Beispiel. Im August 1945 werden die Städte Hiroshima und Nagasaki von Atombomben zerstört. Wo sind da die Liebeszeichen Gottes, von denen Simone Weil schreibt?
Natürlich meint Weil nicht, daß Gott der Verursacher dieser Katastrophen ist, denn dann wäre Gott nicht mehr der Gott der Liebe, sondern der Gott, der die Zerstörung und den Tod will. Wenn wir also den Satz recht verstehen wollen, müssen wir tiefer schauen.
Am besten ist es, wir lassen einen Zeugen zu Wort kommen. Der Röntgenologe Dr. Takashi Nagai, der mit seiner Familie in Nagasaki lebte, hat die verheerenden Auswirkungen der Atombombe, die am 9. August 1945 auf Nagasaki fiel, erfahren. Sein Haus wird dem Erdboden gleich gemacht. Unter Schutt und Asche findet er die verkohlten Überreste seiner geliebten Frau Midori. Neben dem Knochenstaub etwas Glitzerndes – der geschmolzene, wiewohl noch erkennbare Rosenkranz Midoris. Nagai selbst, schwer verwundet, wird wenige Jahre später, nach einer längeren Zeit der Bettlägerigkeit, an der Strahlenkrankheit sterben.
Im November 1945, zur Zeit, als der erkrankte Nagai noch zu gehen vermag, lädt ihn der Bischof von Nagasaki ein, bei der Totenmesse für die Opfer der Katastrophe als Vertreter der Laien eine Ansprache zu halten. Er bereitet sich intensiv auf diese Rede vor. Und dann spricht er die folgenden, ungeheuerlichen Worte aus:
»Gibt es da nicht einen tiefgründigen Zusammenhang zwischen der Vernichtung Nagasakis und dem Ende des Krieges? War Nagasaki vielleicht das auserwählte Opfer, das Lamm ohne Makel, das als brennendes Ganzopfer auf einem Opferaltar getötet wurde und damit für die Sünden aller Nationen während des Zweiten Weltkriegs Sühne leistete? (...) Laßt uns dankbar sein, daß Nagasaki als brennendes Ganzopfer auserwählt wurde! Laßt uns dankbar sein, daß die Welt durch dieses Opfer Frieden erhalten hat und Japan die religiöse Freiheit.«
In der Wüste Nagasakis ringt sich Nagai den Blick ab, der durch die Wüste hindurch in das Herz Gottes schaut. Der christliche Gott ist der Gott des Kreuzes. Aus der schrecklichsten Katastrophe der Weltgeschichte – Golgota – macht Gott das Liebesopfer seines Sohnes, welches uns, den Sündern, Rettung bringt.
Die Atombombenasche Nagasakis ist die sichtbar gewordene Sünde der Sünder. Doch da ist ein Arzt, der diese Sünde stellvertretend und sühnend auf sich nimmt und damit an Gottes ewigem Plan der Liebe mitarbeiten will. Der, mit anderen Worten, das Kreuz umarmt und so – ohne Haß, ohne Verbitterung – Mitarbeiter Gottes wird, indem er die unverbrüchliche Liebe Gottes in die Wüste hineinträgt und bekennt: »Als ich mit Gott durch die nukleare Wüste von Urakami (dem Vorort Nagasakis, wo er wohnt) ging, hat Er mich die Tiefen Seiner Freundschaft gelehrt.«
Während Exerzitien fragte einmal der Exerzitiengeber die Exerzitanten: Was sieht die Muttergottes am Kreuz stehend?
Viele Antworten wurden gegeben. Sie sieht die Brutalität der Henker. Die Blindheit der Beteiligten. Das Blut und die Schrecken und die Qualen. Und all diese Antworten stimmten naturgemäß.
Doch der Exerzitienmeister sagte: Maria sieht die Barmherzigkeit des Vaters.
Verstehen kann man das nicht, oder nur sehr begrenzt. Denn wer würde sich anmaßen, das Kreuz verstehen zu wollen? Letztlich wird das Kreuz nicht verstanden, sondern erlitten. Und derjenige, der sich durch das Leiden hindurchführen läßt, der sich im Feuer dieses Leidens ausbrennen läßt, der irgendwann nur mehr Gott im Blick hat, der kommt schließlich kraft der Gnade dahin, in allen Vorkommnissen des Lebens die unfaßbaren Liebeszeichen Gottes zu sehen. Und dann, so geschehen beim Arzt Takashi Nagai und bei vielen anderen, wird man ein Tröstender.
Grafik: Photo by Orkhan Farmanli on Unsplash
Freitag, 17. November 2017
Was mir die Vögel erzählen
Von einem befreundeten Priester weiß ich das Folgende:
Seit geraumer Zeit lebt er in der denkbar größten Spannung. Einerseits weiß er, daß das Meßopfer, welches er täglich darbringt und welches ihm täglich zur unausdenkbaren Freude wird, das größe Geschenk ist, das er der Welt zu bringen hat.
Andererseits weiß er, daß er selbst, der Priester, zur Gänze unwürdig ist, eben dieses Meßopfer darzubringen, derart, daß es ihm vorkommt, es wäre das Angemessenste, aufgrund besagter Unwürdigkeit, eine geraume Zeit auf die Zelebration der heiligen Messe zu verzichten, um sich besser vorzubereiten auf das Geheimnis. Vergleichbar dem, was ein anderer getan hatte, nämlich der Gründer des Jesuitenordens, der nach seiner Priesterweihe nicht sogleich zum Altar geschritten sei, sondern nahezu ein Jahr lang sich auf die erste Feier der heiligen Messe vorbereitet habe.
Wenn ich diesen Priester betrachte, so scheint mir, vorausgesetzt mein Betrachten ist ein rechtes, daß er ein guter Hirte ist. Ich sehe in ihm das Wachsen des Kreuzes.
Das Kreuz ist ein blühender Baum, aber nicht sogleich. Zunächst ist das Kreuz ein Winziges, kaum merklich. Ein Trieb, ein fast Übersehbares. Und irgendwann, und man weiß nicht so genau, wann der Zeitpunkt der Sichtbarkeit kam, ist das Kreuz errichtet. Vielleicht nicht einmal hoch errichtet, vielleicht eher als ein klein errichtetes Kreuz (oder als eine Art Dornenkrone). Aber das macht nichts. Es ist jedenfalls sichtbar. Es ist errichtet. Und auf den Balken dieses Kreuzes oder auch in der Dornenkrone beginnen sich die Vögel des Himmels niederzulassen und zu zwitschern.
Wer ein gutes Gehör hat, vielleicht sogar ein absolutes Gehör, hört womöglich, was die Vögel singen. Wenn ich mich nicht täusche, habe ich einmal das Da pacem, Domine vernommen.
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Photo by Andreas P. on Unsplash
Freitag, 27. Oktober 2017
Das Kreuz II
»Warum fürchtest du dich vor dem Teufel? Biete ihm nur die Stirn. Fürchtest du für deine Stirne? Siehe – sie ist ja bezeichnet mit dem heiligen Kreuz.«
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Photo by Nick Herasimenka on Unsplash
Samstag, 1. Juli 2017
Gerettet
Ein 13jähriger Bursche beim Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen Gewässer. Eine Winterszene, wie sie sich soundsoviele Male ereignet. Nichts Besonderes.
Doch dann geschieht folgendes: Das Eis unter den Füßen des Jungen beginnt zu brechen. Die Eisdecke gibt nach. Der Dreizehnjährige stürzt und versinkt im eiskalten Wasser. Er schreit und schreit.
Ein zweiter Bursche, Christoffer mit Namen, der Bruder des Verunglückten, kommt dem Untergehenden zu Hilfe. Es gelingt ihm tatsächlich, den Gefährdeten aus dem eiskalten Tod zu befreien. Der Gerettete kriecht ans Ufer. Kraftlos. Erschöpft.
Und jetzt geschieht das Schreckliche: Der Bruder, der Retter, bricht seinerseits ein und stürzt in die eiskalte Flut. Der gerettete Bruder am Ufer, unterkühlt, ohne Energie, ist zu schwach, ihm zu Hilfe zu kommen. Er muß tatenlos zusehen, wie sein um ein Jahr jüngerer Bruder in den Fluten untergeht.
Die Nachwelt weiß um diese Geschichte, weil der gerettete Bruder später Berühmtheit, ja schließlich Weltberühmtheit erlangt. Es handelt sich um Caspar David Friedrich, den Vorzeigemaler der romantischen Bewegung.
Das traumatische Erlebnis seiner Jugend, wen wundert’s, hat den Maler nachhaltig geprägt. Sein späterer Kampf mit der Depression ist bekannt. Von einem Selbstmordversuch in seinen jungen Mannesjahren ist die Rede. Und die Tatsache, daß immer wieder schwermütige Sujets in seinen Bildern bestimmend wirken – programmatisch in dem wüsten Gemälde mit dem Titel Das Eismeer –, sagt mehr als viele Worte.
Und dennoch wäre eine Sicht auf Friedrichs Biographie, die bei dieser düsteren Diagnose stehenbliebe, zu kurz gegriffen. Denn das eigentlich Erstaunliche ist, daß der Maler, trotz lebensbedrohlicher Traumatisierung, sich durchkämpft zum Leben. Theologisch gesprochen: Der Schrecken des Todes, den Friedrich in seiner ganzen Härte in jungen Jahren erfährt, wandelt sich unter dem letztlich unbegreiflichen Einfluß der Gnade weg von der Verzweiflung hin zum Gekreuzigten: Zum Kreuz, welches trotz erfahrener und womöglich im Inneren weiterhin drohender, berstender Eisschollen dennoch feststeht.
»Auf einem Felsen«, so der Maler, »steht aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glaube an Jesum Christum. Immer grün durch alle Zeiten während stehen die Tannen ums Kreuz, gleich unserer Hoffnung auf ihn, den Gekreuzigten.«
Dies schreibt er als Kommentar zu seinem bereits damals bewunderten Tetschener Altarbild. Zu sehen ist ein steil aufragendes Kreuz, welches verklärt in den Strahlen der abendlichen Sonne die unverbrüchliche Ordnung der Welt garantiert. Keine Klage. Kein Weh erhebt sich hier. Stattdessen der ruhige, sieggewisse, stille Gesang des Gekreuzigten.
In dieser künstlerischen Überwindung von der gescheiterten jungen Hoffnung zur Hoffnung der abendlichen Höhe scheint uns mehr als nur biographische Transformation aufzustrahlen. Es dünkt uns ein tiefes Gleichnis, das uns alle betrifft.
Denn – in welcher Härte immer –: Das Kreuz ist da, in jedem Leben. Die Schläge kommen, die Wunden kommen. Doch wie gehen wir mit dem um, was uns verletzt, verstört, lebensgefährlich trifft?
Die Rebellion liegt gleichsam stets in Reichweite. Sie ist der schnelle Zorn, der sich dem Unvermeidlichen nicht beugen will. Non serviam. Aber diese Rebellion, wie jeder Aufruhr, bleibt letztlich unfruchtbar.
Die tatsächliche Aufgabe, und es ist wortwörtlich das uns Aufgegebene, besteht dagegen darin, den Schlag, der uns trifft, mit Hilfe der stets dargereichten Gnade anzunehmen, gerade dann, wenn uns das Unverständliche überwältigen will, und uns derart wandeln zu lassen in das größere Geheimnis hinein – in das Einverständnis.
Das Mittel dahin? Laut einem Herrenwort die Geduld, so jedenfalls im Lukasevangelium, Kapitel 21, Vers 19: In patientia vestra possidebitis animas vestras (wörtlich: In der Geduld werdet ihr eure Seelen besitzen, nach der Vulgata).
Und ist es nicht so: Sind die Gemälde des Caspar David Friedrich sehr oft nicht genau das: Meditationen der Geduld?
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