Freitag, 23. April 2021

Modicum

Für manche oder auch etliche scheint die katholische Kirche erst mit dem Zweiten Vatikanum zu beginnen. Die Zeit davor wird geschmäht als vorkonziliär. Gemeint ist damit eine Zeit der Engstirnigkeit, der rigiden Strenge, der klerikalen Abgehobenheit und wie die Verdikte sonst noch lauten.

Da tut es gut, sich ein konkretes Beispiel aus dieser vorkonziliären Zeit zu Gemüte zu führen. Das Beispiel von Clemens August.

Er ist 10 Jahre alt. Zusammen mit seinem Bruder Franz geht er am 27. April 1890 zur Ersten Heiligen Kommunion. 

Seine Mutter schenkt Clemens als Andenken an diesen hohen Festtag das kleine Büchlein der Nachfolge Christi des Thomas von Kempen. Und wie es sich gehört, schreibt die Mutter ihrem Sohn eine Widmung in das Buch. Diese besteht aus einem einzigen Wort: modicum.

Es ist das Wort, welches im Tagesevangelium vom Dritten Ostersonntag, dem Kommuniontag der beiden Brüder, aufscheint. Da steht geschrieben: Joh 16,22

In illo tempore: Dixit Jesus discipulis suis: Modicum, et jam non videbitis me; et iterum modicum, et videbitis me: quia vado ad Patrem.

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Noch eine kleine Weile, und ihr werdet mich nicht mehr sehen: und wieder eine kleine Weile, und ihr werdet mich sehen, denn Ich gehe zum Vater.       

Eine kleine Weile – dahin lenkt die Mutter den Blick ihres Sohnes. Und der Sohn mit seinen gerade mal zehn Jahren ist – engstirnig? - offensichtlich bereit und geistig so weit, dieses Wort aufzunehmen und zu verstehen.

In einem Brief, exakt 18 Jahre später, schreibt Clemens August an die Mutter: »Heute vor 18 Jahren gingen der Kleine und ich zur ersten heiligen Kommunion. Wieviel Jahre mag das modicum, das Du uns damals in den Thomas schriebst, wohl noch dauern?«

Das Leben von Clemens dauert nach der Ersten Heiligen Kommunion noch 56 Jahre. Am 22. März 1946 stirbt er. 

2005 wird Clemens August seliggesprochen.

                                                               

Samstag, 17. April 2021

Zeugen dafür

Wofür?

Im Evangelium des 3. Ostersonntags heißt es:

»Jesus sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden. Ihr seid Zeugen dafür.« (Lk 24,48)
Der Zeuge bezeugt den Tod und die Auferstehung Jesu, er bezeugt, daß wir Sünder sind, er bezeugt die Notwendigkeit unserer Umkehr und also die Lebensnotwendigkeit der Beichte.

Das setzt voraus, daß der Zeuge das Grundlegende verstanden hat: Was die Welt zu bieten hat und was sie nicht zu bieten hat. Der Zeuge hat keine Illusionen. Er weiß, wie es um ihn steht und wo das wirkliche Glück ist und wie man es erreicht.

Was arg theoretisch klingen mag, leuchtet bald ein, wenn man zum Beispiel das Leben von jemandem betrachtet, der ein Zeuge im oben genannten Sinne war. Nehmen wir die heilige Bernadette, die Seherin von Lourdes, die achtzehnmal die Muttergottes schauen durfte.

Man vergißt über soviel Bevorzugung vielleicht die Kehrseite dieses Lebens, die der lichtumstrahlten Gestalt der Erscheinungen korrespondiert: Nämlich daß Armut, Krankheit und Erniedrigung die lebenslangen Gefährtinnen der begnadeten Seherin waren.

Im Kloster, in welches Bernadette nach den Erscheinungen  eintritt, wird ihre Profeß immer wieder hinausgeschoben, da man sie für ein kleines, dummes Ding hält. Daß sie von Kindheit an eine Kranke ist, die an Asthma leidet, und im Kloster eine gedemütigte Schwerkranke, die an schmerzlichster Knochenmarkstuberkulose dahinsiecht, sind nur einige Fakten dieses Lebens, das, je mehr man über es erfährt, um so staunenswürdiger wird.

Während der dritten Erscheinung am 18. Februar 1858 sagt Maria zu der vierzehnjährigen Bernadette: »Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, sondern in der anderen«.

Wer, der diese himmlische Aussage vernimmt, fährt nicht innerlich zusammen? Hat das die Muttergottes tatsächlich gesagt? Jesus selbst sagt doch: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben«  (Joh 10,10). Gilt diese Zusage Jesu nicht für Bernadette?

Doch, sie gilt auch für Bernadette. So wie sie für jeden Christen gilt, der tatsächlich Christ sein will. Aber nur, wenn der Christ – und da kann Bernadette die unerbittliche, prophetische Lehrmeisterin für uns heute sein - , wenn der Christ ernst macht damit, die omnipräsente Vergötzung der Welt zu beenden.

Denn dem Christen ist die Welt nicht das, für was sie sich gemeinhin präsentiert. Sie ist nicht das glitzernde Sesamöffnedich für die totale Erfüllung. Die Welt und ihre sogenannten Schätze, dies der nüchterne biblische Befund, vergehen. Wer sich daran festhält, ist über kurz oder lang nicht der Glückliche, sondern der Betrogene.

Mit Trübsinn hat das nichts zu tun, mit billiger Vertröstung auf Jenseitiges ebenso wenig. Alles dagegen mit Augen, die sich öffnen und zu sehen anfangen und derart einzuschätzen vermögen, was die Welt zu bieten hat und was nicht.

Klug ist derjenige, der die Welt als eine vorläufige wahrnimmt und auf diese desillusionierende Weise der von Christus verheißenen sehr realen Lebensfülle nahekommt.

Wer in der Welt in der ersten Reihe sitzen will und sich dort einrichtet, so als sei diese Welt die bleibende Stätte, wird unglücklich. Bernadette hatte selbst die geliebte Grotte loszulassen.

Wer dagegen in der Welt den letzten Platz einnimmt und sich ausrichtet auf die zukünftige Stadt hin, die himmlische, der hat gute Chancen, schon jetzt glücklich zu werden.

Hat sich also die Muttergottes geirrt, als sie zu Bernadette sagte, sie werde in dieser Welt nicht glücklich?

Nein, die Muttergottes hat die Wahrheit gesagt. Man muß nur genau hinhören. In dieser Welt, sagt Maria. Und so stimmt es. In dieser Welt wurde Bernadette nicht glücklich, denn niemand wird in dieser vergänglichen Welt glücklich. Nur in der anderen. Doch diese andere Welt kann, wer will, jetzt anfangen.

Darum ist es die pure Wahrheit, wenn Bernadette bekennt: »Sehen Sie, meine Geschichte ist ganz einfach. Die Jungfrau hat sich meiner bedient, dann hat man mich in die Ecke gestellt. Das ist nun mein Platz, dort bin ich glücklich, und dort bleibe ich.«

Grafik: wikicommons


Samstag, 10. April 2021

Emmaus 2021

Wer sieht den Auferstandenen?

Nennen wir anhand des Berichts der Emmausjünger drei menschliche Voraussetzungen, um den Auferstandenen sehen zu dürfen. Nennen wir sie die drei Bereitschaften.

Die erste Bereitschaft ist die, ein offenes, waches, bereites Herz zu haben.

In der Fastenzeit ermahnt die Kirche die Gläubigen stets aufs neue mit der Weisung: Verhärtet nicht euer Herz! Ein verhärtetes Herz ist ein verstocktes, besserwisserisches, uneinsichtiges Organ. Dieses Herz ist blind für die Zuneigung Gottes.

Die Emmausjünger sind anders. Bei aller Niedergeschlagenheit und Traurigkeit wahren sie sich ein Herz der Sehnsucht. Man erkennt es daran, daß ihr Herz sich gerade nicht verhärtet, sondern tatsächlich in Brand setzen läßt: Brannte nicht unser Herz in uns, als Er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete? (Lk 24,32)

Die zweite Bereitschaft ist die Bereitschaft zur Verwandlung. Will ich mich verwandeln lassen vom Blick Jesu, von Seinem Wort, von Seiner Liebe? 

Kleopas und sein Gefährte ändern sich. Das Kennzeichen? Sie lassen ihre depressive Zweisamkeit aufbrechen zum Dritten hin. Und mehr noch: An diesen Dritten, den Auferstandenen, richten sie ihr Gebet: Bleibe bei uns; denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt! (Vers 29)

Schließlich die dritte Bereitschaft. Es ist die Bereitschaft, sich senden zu lassen und damit Zeugen des Auferstandenen zu sein. Auch hier das eindeutige Zeichen: Nach der Begegnung mit dem Auferstandenen brechen die Beiden auf und gehen zurück nach Jerusalem, um den Jüngern dort die Frohe Botschaft zu künden.

Sehnsucht. Verwandlung. Zeugenschaft. Diese sind notwendig, was den Menschen betrifft.

Und was Gott betrifft?

Da gilt: Jesus offenbart sich dem, dem Er sich offenbaren will. Er unterliegt keinem Zwang. Doch wo der Auferstandene die genannten drei Bereitschaften antrifft, da wirken diese in Art eines Magnets. Sie ziehen an. Sie ziehen die Liebe an. Und dann kann es geschehen, daß einem selbst die Augen aufgehen und das Herz zu brennen beginnt.

Und dann sollten wir es wie die Emmausjünger machen: Wir sollten den Herrn bitten, bei uns zu bleiben.

Dieses Gebet, womöglich das erste überhaupt an den Auferstandenen, ist das Gebet für uns heute. Dringender denn je.

       
Grafik: Emmaus. Willem Herreyns (1743-1827), Emmaus. wikicommons
 

Freitag, 2. April 2021

Karfreitag 2021

»Die Krone ist uns vom Haupt gefallen. Weh uns, wir haben gesündigt!«

Klagelieder 5,16

 

Grafik: https://pixabay.com/de/photos/schule-mundschutz-maske-corona-5058305/