Freitag, 26. März 2021

Ave Maria

»Die Gebete zu Maria sind Gebete auf Vorrat. Das sind sie, Gebete auf Vorrat. Es gibt kein einziges davon, in der ganzen Liturgie kein einziges, verstehst du, das der elendeste der Sünder nicht wirklich sagen könnte. Im Mechanismus des Heils ist das Ave Maria die letzte Zuflucht. Mit ihm kann man nicht verlorengehen.«
      
Charles Péguy
(1873 - 1914)

 Grafik: Caravaggio, Madonna di Loreto. wikicommons

Montag, 22. März 2021

Hildegard von Bingen – Die Geliebte

VI.

Geboren wird Hildegard in eine »weibische Zeit«. So kennzeichnet sie selbst ihr Zeitalter. Es ist eine Zeit der großen Gefährdungen und Versuchungen, eine Zeit der Betrügereien, der Täuschungen, der Häresien. Es ist vor allem die Zeit geistigen und moralischen Niedergangs, in der selbst der Klerus seine Aufgaben sträflich vernachlässigt: »Weh, wehe – die heutige Zeit ist nicht kalt, sie ist auch nicht warm, sie ist einfach lau.«  

Dem Menschen ist jedoch aufgetragen, was sie einst dem Erzbischof von Bremen vorschreibt: »Sei ein heller Stern, der in der Finsternis der Menschen in ihrer Verderbnis leuchtet (…).«

Sie selbst, Hildegard, ist zeitlebens eine im Licht Lebende. Das Licht, das unfaßbare, das ursprüngliche, hat ein Beiwort. Hildegard spricht immer wieder vom lebendigen Licht. Auch das Adjektiv wahr legt sie dem Licht bei. Oder das Adjektiv mild. Oder geheimnisvoll.

Und dann gibt es noch den Schatten des Lichts, in dem Hildegard, so sie, beständig lebe, gleichsam das Fenster zum übergroßen lebendigen Licht.

Spät, vier Jahre vor ihrem Tod, schreibt sie an Wibert ausführlich über das Geheimnis ihrer visionären Gabe. Da heißt es:

»Von meiner Kindheit an, als meine Gebeine, Nerven und Adern noch nicht erstarkt waren, erfreue ich mich dieser Gabe der Schau in meiner Seele bis zur gegenwärtigen Stunde, da ich doch schon mehr als siebzig Jahre alt bin (…) Das Licht, das ich schaue, ist nicht an den Raum gebunden. Es ist viel, viel lichter als eine Wolke, die die Sonne in sich trägt. Weder Höhe noch Länge noch Breite vermag ich an ihm zu erkennen. Es wird mir als der Schatten des Lebendigen Lichtes bezeichnet (…) Die Gestalt dieses Lichtes vermag ich aber nicht zu erkennen, wie ich ja auch die Sonnenscheibe nicht ungehindert anschauen kann. In diesem Licht sehe ich zuweilen, aber nicht oft, ein anderes Licht, das mir das lebendige Licht genannt wird. Wann und wie ich es schaue, kann ich nicht sagen.«

Als die Seherin Hildegard 1179 in ihrem Kloster auf der Bergeshöhe stirbt, bleibt das Licht. Denn es sei – so steht es in ihrer Lebensbeschreibung – am Tag ihres Heimgangs in die Ewigkeit am Himmel eine wunderbare Lichterscheinung aufgestrahlt, welche »die nächtliche Finsternis vom Sterbehaus zu vertreiben« schien. »In diesem Lichte«, so fährt die Vita fort, »sah man ein rotschimmerndes Kreuz, das zuerst klein war, dann aber zu ungeheurer Größe anwuchs.« Die Lichterscheinung hüllt schließlich »den ganzen Berg in strahlendes Licht«

Und die Verfasser der Vita bezeugen abschließend: »Wir müssen wohl glauben, daß Gott durch diese Zeichen offenkundig machte, mit welcher Lichtfülle Er seine Geliebte im Himmel verherrlicht hat.«

Am 7. Oktober 2012 hat Papst Benedikt XVI. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin (Doctor Ecclesiae universalis) erhoben.

Samstag, 13. März 2021

Hildegard von Bingen – Die Feder

Vielleicht denkt mancher, eine Visionärin sei eine in ihrem religiösen Elfenbeinturm Lebende, die wenig von den aktuellen Weltläuften erfahre. Weit gefehlt.

Der Briefwechsel Hildegards macht überdeutlich das prophetische Sprechen Hildegards in ihre Zeit hinein. Und dieses Sprechen ist von stupender Aufrichtigkeit, Geradheit und Unbestechlichkeit. Ein Beispiel mag dies veranschaulichen.

1178, und also ein Jahr vor ihrem Tod, läßt Hildegard einen mutmaßlich exkommunizierten Adligen auf ihrem Klosterfriedhof beerdigen. Tatsächlich hat sich jedoch dieser Adlige vor seinem Tode durch den Empfang der Sakramente wieder mit der Kirche versöhnt. Da die Wiederaufnahme in die Kirche jedoch nicht offiziell stattgefunden hat, sondern lediglich im quasi privaten Rahmen, verlangt das Mainzer Domkapitel von Hildegard die Entfernung der Leiche aus der geweihten Erde.

Der Erzbischof von Mainz ist, als diese Auseinandersetzung beginnt, nicht in Mainz, sondern in Rom, und kann daher nicht eingreifen. Hildegard weigert sich standhaft, der ungerechten Anordnung des Domkapitels nachzukommen. Daraufhin wird die Kirchenstrafe des Interdikts über sie und über ihre Klostergemeinschaft verhängt. Das heißt im Klartext: Verbot der gottesdienstlichen Handlungen, Verbot der Sakramentenspendung, Verbot des Gesangs der Tagzeitenliturgie.

Die Beschneidung des klösterlichen Lebens konnte drastischer nicht sein. Bedenkt man allein die Tatsache, daß der tägliche Psalmengesang, der das benediktinische Klosterleben strukturiert und prägt, für Hildegard, die Schöpferin etlicher geistlicher Hymen und Antiphonen, zugleich geschuldetes Gotteslob wie musikalischer himmlischer Balsam für Körper, Geist und Seele ist, mag man die Grausamkeit der Maßnahme ermessen.

Die Replik Hildegards an die Mainzer Prälaten läßt an geistlicher Schärfe nichts zu wünschen übrig (was man, notabene, auch in Zeiten wie den unsrigen gut bedenken sollte): 

»Diejenigen also, die der Kirche in Bezug auf das Singen des Gotteslobes Schweigen auferlegen, werden – da sie auf Erden das Unrecht begingen, Gott die Ehre des Ihm zustehenden Lobes zu rauben – keine Gemeinschaft haben mit dem Lob der Engel im Himmel, wenn sie das nicht durch wahre Buße und demütige Genugtuung gutgemacht haben.«
Und dennoch: Hildegard ist bereit, den Schmerz des Verzichts zu leben, wenn es die Wahrheit verlangt. Sie ist zu keinem fadenscheinigen Kompromiß, erst recht nicht zu einer Lüge bereit (die Lüge nennt sie »das Laster der Unmenschlichkeit«). Und die Wahrheit, die nicht auslöschbar ist, setzt sich endlich durch. Nach Monaten schrecklicher Prüfung wird das Interdikt aufgehoben. Zeugen bestätigen, daß der Exkommunizierte tatsächlich im Frieden mit der Kirche verstorben ist; sogar der Priester, der ihm die Beichte abgenommen hatte, sagt zu Hildegards Gunsten aus.

Mit diesem letzten Kampf neigt sich das Leben der Äbtissin dem Ende zu. Ein Leben, welches bei aller Begnadung zugleich ein Leben der steten Angefochtenheit ist: »Ich (...) bin ständig von zitternder Furcht erfüllt. Denn keine Sicherheit des Könnens erkenne ich in mir.«

Sie weiß, daß sie die Arme ist, die ganz zu Gott hin Geöffnete, die alle ihre vorzüglichen Gaben nicht sich verdankt, sondern ihrem Schöpfer, in dessen liebender Umarmung sie sich aufhält: »Und so bin ich keineswegs durchtränkt mit einer menschlichen Wissenschaft, auch nicht mit besonderen Geisteskräften, strotze auch keineswegs von körperlicher Gesundheit, sondern fuße allein auf der Hilfe Gottes.«

Sie ist »eine kleine Feder«, die nicht aus sich selbst heraus fliegt, sondern im Windhauch Gottes sich bewegen läßt, so die wirklichkeitsgetreue Selbsteinschätzung der Äbtissin. Gott hat es gefallen, das Federchen zu berühren, auf »daß sie in Wundern emporfliege«. Oder wie es an anderer Stelle heißt: »Doch strecke ich meine Hände zu Gott empor, daß ich von Ihm gehalten werde, wie eine Feder, die ohne jedes Gewicht von Kräften sich im Wind dahinwehen läßt.«

Und das Federchen ist, auch dies gehört zur Selbstbescheidung, nur das Fenster, fenestrum. Wort und Werk der Seherin sind zu verstehen fenestraliter, sie sind nicht das Urlicht selbst, sondern öffnen gleichsam wie ein Fenster den Blick in die Mysterien der Schöpfung, sind durchlässig für das Licht von oben und durchscheinend auf IHN hin, der alles umfängt.

 

Mittwoch, 10. März 2021

Hildegard von Bingen – Die Ärztin

V.

Nach dem bisher Gesagten dürfte es einleuchten, daß dann, wenn von der Ärztin Hildegard und der ihr zugeschrieben Heilkunst die Rede ist, mehr auszusagen ist als ein plattes therapeutisches Konzept, dem es lediglich um die Instandsetzung kranker Funktionen geht.

Heilkunst ist Kunst des Heilens und also Lebenskunde. Alle Lebensbereiche sind im Blick der Benediktinerin, die gesamte materielle Welt als Reservoir des göttlichen Heilungswillens – Edelsteine, Steine, Metalle, Kräuter, Bäume, Pflanzen, Tiere – wird befragt, dies stets in der Haltung der discretio, der Unterscheidung, die für Hildegard Mutter aller Tugenden ist. 

Zu dieser Gabe des Unterscheidens gehört, sich einerseits nicht im Fragmentarischen zu verlieren, andererseits nie außer Acht zu lassen, daß der aktuelle Stand des Menschen ein gebrechlicher Zwischenstand ist (destitutio), nämlich zwischen dem verlorenen schönen Urstand (constitutio) und seinem Ziel der Wiederherstellung (restitutio).

Zu fragen hat sich der Kranke: Wie sinnvoll ist meine Lebensführung? Traue ich der guten Schöpfung, der lebensfrischen, nie versiegenden Grünkraft, die meine umfassende Gesundung will? Bin ich bereit, den Weg der Bekehrung und Buße zu gehen und mich und mein habituelles Unglück loszulassen und meine Wunden dem großen Arzt Christus – dem magnus medicus, dem Christus medicus - hinzuhalten und zu übergeben in der Überzeugung: »Heilig bist Du, der Du die eiternden Wunden reinigst.«? Oder, wie es in Scivias aus dem Munde Christi selbst heißt: »Ich bin der große Arzt für alle Krankheiten, und Ich handle wie ein Doktor, der einen Kranken sieht, der so sehr nach einer Medizin verlangt.«

Die Medizin, das remedium, will im wahren Wortsinn re-medium sein, Mittel, um den Menschen zurückzuführen in seine ursprüngliche Ganzheit. Naturkunde, Krankheitslehre, Diätetik, Anthropologie, Kosmologie und theologische Durchdringung verbinden sich in Hildegards Lebenskunde zu einem harmonischen Gefüge.

Für den Arzt bedeutet dies, so der  Medizinhistoriker Schipperges: 

»Krankheit wird nicht als ein pathogenetischer Prozeß beschrieben, sondern eher als Unterbleiben und Versagen, als ein modus deficiens, während Gesundsein als produktives Geschehen gedeutet wird, als creatio continua, eine permanente Zeugung aus dem lichten Grün der viriditas. Deshalb besteht auch das Ethos des Arztes nicht im Sanieren, sondern in der Barmherzigkeit, die man einem notleidenden Menschen entgegenzubringen bereit ist. In der Situation der Not ist es die Hilfe, die von der Barmherzigkeit getragen wird. Es ist die Gestalt der Barmherzigkeit, die denn allein auch der Erscheinung der Herzenshärte die gebührende Antwort zu geben vermag.«

Diese Gestalt der Barmherzigket spricht im Liber vitae meritorum, dem Buch der Lebensverdienste: »Ich aber, die Barmherzigkeit (misericordia), ich bin in Luft und Tau und in aller grünenden Frische ein überaus liebliches Heilkraut. Übervoll ist mein Herz, jedwedem Hilfe zu schenken (…) Den Gebrechlichen helfe ich auf und führe sie zur Gesundung.«

Hildegard selbst ist zeit ihres Lebens von Krankheiten heimgesucht. Sie weiß, was es bedeutet, krank zu sein und zu leiden, ein homo patiens zu sein. Diesbezügliche Äußerungen ihrerseits sind zahlreich; in der Vita II, 14 heißt es:

»Niemals habe ich geruhsam dahingelebt, sondern in vielfachen Trübsalen mich abgemüht (…) Gott verstrickte mich in so viele Unbilden, daß ich nicht mehr zu denken wagte, welch große Güte Er mir in seiner Gnade schenken werde, zumal ich sah, in welches Unglück die gerieten, die sich der Wahrheit widersetzten. Von der Trübsal und den Schmerzen, die ich durch die trockene Hitze zu erleiden hatte, wurde mein Körper so zusammengeknetet, wie wenn lehmige Erde mit Wasser zusammengemengt wird.«

Und in einem Brief an Wibert von Gembloux, ihren späteren Sekretär, schreibt sie: »Und ich werde durch Krankheiten stark gehemmt und oft derart in schwere Schmerzen verstrickt, daß sie mich zu Tode zu bringen drohen. Doch hat Gott mich bis jetzt immer wieder neu belebt.«

Die Gewißheit von Gottes Plan und die Begegnung mit dem Arzt Christus tragen sie letztlich durch alle Prüfungen, wie es anderer Stelle in der Vita heißt (II, 10): »Wären die quälenden Schmerzen, die ich an meinem Leibe erlitt, nicht von Gott gekommen, ich hätte nicht länger zu leben vermocht.«

Darum auch läßt sie sich von den Drangsalen nicht entmutigen, auch aus teuflischen Anfechtungen geht sie kraft der Gnade als Siegerin hervor, denn: »Obgleich ich auch durch dies gepeinigt wurde, so sprach, sang und schrieb ich doch in der göttlichen Schau, was der Heilige Geist durch mich verkünden wollte.«


Montag, 1. März 2021

Hildegard von Bingen – Die Erschütterte

IV.

Wo ist der Platz des Menschen in dem besungenen Kosmos, in der Symphonie der Grünkraft?      

Homo est clausura mirabilium Dei – der Mensch ist die Eingeborgenheit der Wundertaten Gottes. Er ist Sein Werk (opus Dei), ja er steht als vollkommenes Werk Gottes mitten im Weltenbau, gestaltet mit Leib und Seele, Geschöpf und Schöpfer zugleich: »Sein Haupt nach aufwärts gerichtet, die Füße auf festem Grund, vermag er sowohl die oberen als die unteren Dinge in Bewegung zu versetzen.«                  

Alles am ursprünglichen Menschen ist Wohlklang. Gott, der überaus herrliche Künstler, formt sein Ebenbild in leib-seelischer Ganzheit, als Mann und Frau, und Er bildet sein Werk in Analogie zum kosmischen Weltgefüge und schenkt ihm in liebender Zuneigung alle Vermögen, damit der Mensch im Bauplan der Welt Verantwortung zu übernehmen und vernunftbegabt maßvolle, diskrete Entscheidungen zu treffen vermag: »Und Gott übergab dem Menschen die ganze Schöpfung, auf daß er sie mit seiner Manneskraft durchdringe, damit er alles wisse und alles erkenne. Denn der Mensch als solcher stellt die gesamte Schöpfung dar (homo omnis creatura), und der Hauch des Lebens, der kein Lebensende hat, kommt in ihm wesentlich zur Erscheinung.«

Woher dann der Absturz des Menschen? Woher seine Hinfälligkeit? Sein Kranksein?

Das Drama beginnt am Ursprung, im Garten der Liebe, im Paradies. Der erste Mensch, noch ganz Licht, hervorgegangen aus der Hand des höchsten Künstlers (summus artifex), berufen zur Freude des Lebens, wählt in fehlgeleiteter Freiheit den Ungehorsam gegenüber seinem Schöpfer. In kleinlicher egoistischer Sicht, die den Blick auf das gerechte, lichtvolle Ganze und das Wohl der Schöpfung auslöscht, wählt er die Entstellung und die Spaltung.

Da jedoch der Mensch, das auserlesene Geschöpf Gottes, nie nur der solipsistische Einzelne ist, sondern in ihm die Mit-Welt zusammenklingt (symphonein), reißt er in seinem Sündenfall die gesamte Schöpfung in den Mißklang und die Entwurzelung mit hinein. Es ist mehr als eine mittelalterliche Anekdote, wenn in Hildegards Schau die heile Welt eine singende ist, Weltmusik (musica mundana), während der Teufel, der ewig Unheile, lediglich krächst.

Die Abbildung im Rupertsberger Scivias - Kodex zeigt den gefallenen Menschen als denjenigen, der quer zur Schöpfung liegt. Er hat seinen Platz in der Ordnung der Dinge eingebüßt, wird zum Umherschweifer, zum Ruhelosen, zum Heruntergekommenen. Mit der unvernünftigen, finsteren Entscheidung zur Sünde hält das Arsenal des Abtrünnigen Einzug in die urständige Augenweide der Schöpfung: Angst, Krankheit, Sorge, Not, Wankelmut, Umherschweifen, Siechtum, Mißtrauen, Unglauben, Verkrümmung ins Eigene, Gebrechlichkeit, Verstimmung, Verwirrung, Unbeständigkeit und Tod.

Das Erschütternde der Schau Hildegards: Aus dem Wunderwerk der Welt in ihrem lichten anmutigen Schwung wird der Ort der Plage und Schwere. Die Klage der Elemente ist herzzerreißend: »Wir können nicht mehr laufen und unsere Bahn nach unseres Meisters Bestimmung vollenden. Denn die Menschen kehren uns mit ihren schlechten Taten wie in einer Mühle von unterst zu oberst. Wir stinken schon wie die Pest und vergehen vor Hunger nach der vollen Gerechtigkeit.«

Auf diesen Schrei der Not antwortet Gott, der Vir Deus: »Jegliches Geschöpf strebt hin zu seinem Schöpfer. Nur der Mensch ist ein Rebell.« Der Mensch hat »immer den Geschmack des Paradiesapfels im Munde«.

Da jedoch Gott der Gott des Erbarmens ist, beläßt er den Menschen nicht im Unglück der Ferne, sondern geht ihm nach, ja wird zu Seinem Gefährten im Wunder der Inkarnation. Zum gefallenen Menschen kommt der göttliche Arzt, Christus, der barmherzige Samariter: »Dieser goß Öl und Wein in seine Wunden, das Öl Seiner Menschwerdung (...)«

Ergreift der Mensch die ausgestreckte Hand des Menschensohnes, die stets in der heiligen Herberge der Kirche auf ihn wartet, dann beginnt, bereuend und weinend, seine Rückkehr in die verlorene Heimat, in das Refugium der Freude, in die Kirche, die goldene Stadt. Die Reue ist der Schlüssel zur Heimkehr: »Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel. Das heißt: Gegen das himmlische Kunstwerk, das sich selbst bin.«