Dienstag, 25. Dezember 2018
Das Weihnachtsmärchen
Wer über Weihnachten nachdenkt, denkt über Märchen nach. Doch während man nach der Lektüre von Märchen oft genug seufzt: Zu schön, um wahr zu sein, ist das Weihnachtsmärchen genau das: Schön und wahr.
Künstler verstehen dies. Ein Boticelli etwa, der in seiner Mystischen Geburt Christi Engel im Reigentanz zeigt, weil diesem unfaßbaren Märchen der selige Tanz entspricht, der göttliche Reigen, der das Unausdenkbare in Schönheit besingt und beschreitet und feiert und preist.
Oder ein Schubert. Ja, der Schwammerl, wie ihn seine Freunde liebevoll nannten. Bei all seinen biographisch bedingten Schwierigkeiten mit der Kirche, schwingt er sich in seiner im Todesjahr 1828 komponierten Es-Dur-Messe zum Tanz der Menschwerdung auf. Man muß sein Et incarnatus est anhören, den genialen tänzerischen, schwebend-ernsten Takt mitvollziehen, um einen Geschmack davon zu bekommen, welch‘ ein Wunder wir lobsingen, wenn wir einander wünschen: Frohe, gesegnete Weihnachten!
Grafik: wiki commons
Montag, 24. Dezember 2018
Hodie. Heute
«Alle Vorkommnisse unseres Lebens, was immer es sei, ohne Ausnahme, sind Liebeszeichen Gottes. Die Anfänger im Erlernen dieser Sprache glauben, nur einige Worte sagten: Ich liebe dich. Die diese Sprache kennen, wissen, daß alles nur eine einzige Bedeutung hat. Gott hat kein Wort, um Seinen Geschöpfen zu sagen: Ich hasse dich.»
Simone Weil
(1909 - 1943)
Grafik: Georges de La Tour, Das Neugeborene, wiki commons
Freitag, 14. Dezember 2018
Der Augenblick
für M. T.
Behüte mich wie den Augapfel, den Stern des Auges, heißt es im Psalm 17,8. Die Vulgata, die traditionelle lateinische Übersetzung, schreibt sehr konkret: custodi me ut pupillam oculi (behüte mich wie die Pupille des Auges).
Man könnte dies für blumige, metaphorische Redeweise halten. Die Hebräer in ihrem semitischen Denkgestus übertreiben halt gerne.
Der Festtag Unserer Lieben Frau von Guadalupe, den die katholische Kirche am 12. Dezember begeht, kann einen dagegen eines Besseren belehren.
Wie bekannt sein dürfte, gehört das Gnadenbild von Guadalupe aus dem Jahre 1531 zu den sogenannten Acheiropoieta, das heißt zu den nicht von Menschenhand geschriebenen Ikonen. Die Entstehung des Bildes, sein Ursprung, seine Konsistenz, seine Bildsprache sind gänzlich mirakulös.
Nur kurz: In der vierten Erscheinung der Muttergottes, die dem getauften Indio Juan Diego auf einem Hügel nahe der heutigen Hauptstadt Mexiko gewährt wird, sagt Maria zu dem Seher, er solle auf den Gipfel des Hügels gehen und dort (es ist Winterzeit, der Boden ist steinig!) Blumen pflücken. Dies sei das Zeichen, welches dem zuständigen Bischof die Echtheit der Erscheinungen beweise.
Juan Diego tut, wie ihm aufgetragen ist. Er findet die Blumen, er pflückt sie, er sammelt sie in seinem Umhang und geht zurück zur Muttergottes. Diese ordnet die Blumenpracht und schickt ihn weiter zum Bischof.
Als man den Seher schließlich in der bischöflichen Residenz einläßt und Juan Diego vor dem Oberhirten und weiteren Versammelten steht und seinen Umhang öffnet, um die wundersamen Blumen zu zeigen, offenbart sich während des Öffnens ein weitaus größeres Wunder: Auf dem Umhang Juan Diegos entsteht, vor den Augen der Versammelten, das Bild der Muttergottes – seitdem von ungezählten Millionen von Gläubigen ehrfurchtsvoll verehrt.
Erst die Technologie der Neuzeit brachte neue Details zum Vorschein, die dem Gnadenbild weiteren Glanz verleihen.
So ergab eine Computeranalyse, in welcher die Augen der Muttergottes immens vergrößert wurden, daß in den Pupillen Unserer Lieben Frau offensichtlich exakt die Personen widergespiegelt sind, die das damalige Ereignis vor Ort erlebten.
Und damit erfährt die Bitte des biblischen Beters, der Schutz vor den Frevlern sucht und daher Gott bedrängt, Er möge ihn, den Bittenden, hineinnehmen in Seine Pupille, mit anderen Worten in Sein Eigenstes, um dort, im Blick Gottes, geborgen zu sein – diese dringliche, kraftvolle Bitte erfährt im Licht Guadalupes ihre himmlische Bestätigung.
Ja, so ist es. Gott hört auf das Flehen Seiner Kinder. Er schickt Seine Mutter, und diese Mutter ist keine distanzierte Beobachterin, sondern die Mit-Leidende und Mit-Fühlende und Mit-Erlöserin. Mein liebstes, kleinstes Söhnchen, so Maria zu Juan Diego, bin ich denn nicht hier, deine Mutter? Ja, die Mutter ist da, und als solche nimmt sie ihre Schutzbefohlenen in ihren Blick, so daß jeder Augenblick tatsächlich mütterlicher Augen-Blick ist.
Grafik: wiki commons
Freitag, 7. Dezember 2018
Die Geschenke. Und das Geschenk.
»Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.«
So, vor bereits über vierzig Jahren, das im Nachhinein berühmt gewordene Diktum des deutschen Juristen E.-W. Böckenförde.
Wer etwa, so kann man zurecht fragen, gibt dem Staat die Regel, daß die Staatsbürger friedlich zusammenleben sollen? Woher bezieht der säkulare Staat eine solche Maxime? Aus welchen Quellen bezieht das deutsche Grundgesetz seine Norm von der Unantastbarkeit der Würde jedes Einzelnen?
Der Staat selbst, will er etwa die inhärente Unveräußerlichkeit der menschlichen Würde begründen, muß Anleihen bei außerstaatlichen Instanzen machen. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Die christliche Anthropologie, hier die Sicht des Menschen als imago Dei, als Ebenbild Gottes, garantiert dem Menschen eben die Würde, von der der Staat zehrt.
Man kann freilich noch viel weitergehen. Dann sieht man, daß der säkulare Staat permanent auf den Schultern des Christentums steht, ohne das Fundament zu benennen oder überhaupt noch zu kennen.
Beispiel Advent.
Der Konsument wird tagein tagaus sperrfeuergleich attackiert, damit er seine sogenannten Lieben zu Weihnachten endlich mit der neuesten technischen Errungenschaft oder dem verführerischsten Parfum beschert. Weihnachten: Das überdimensionierte Konsumharmageddon.
Wieso eigentlich?
Warum beschenken wir uns nicht im Wonnemonat Mai? Wenn die Maiglöckchen blühen und die Walzerklänge in den Prateralleen locken und die Tage wärmer sind?
Aber nein, der Mai geht nicht. Denn wir leben halt, ob es uns nun bewußt ist oder nicht, in den christlichen Ressourcen, die wir gnadenlos verbrauchen. Und jeder Konsumartikel, glitzernd verpackt und gelangweilt entpackt, weist, vom Konsumenten unbeachtet, über sich hinaus auf das größte denkbare Geschenk überhaupt: Auf die Menschwerdung des wahren Gottes Jesus Christus.
Darum ist es nicht der Mai, sondern der Dezember. Denn der säkulare Staat verbraucht die christliche Voraussetzung, die er selbst nicht zu gewährleisten vermag.
Und selbst dann, wenn eine Zeit kommen sollte, in der in Österreich und Deutschland (um nur diese beiden Länder zu nennen) die christliche Substanz aufgebraucht und eine Revolution in Art der französischen eine neue Kalenderordnung einführen würde, so würden, wie es die Heilige Schrift nennt, die Steine aufschreien (Lk 19,40).
Und man darf ergänzen: Auch die Tiere. Im Frankreich der terreur verendeten irgendwann die Fiakerpferde an der revolutionären Zehntageswoche. Wo die Menschen verrohen, so die Moral von der Geschich', da schreien halt die Tiere und bekunden die Wahrheit der christlichen Zeitrechnung.
Denn das Geschenk, das den Erdkreis prägt, bleibt unvermindert da. Christus bleibt da. Die Krippe bleibt da. Das Kreuz bleibt da.
Grafik: Photo by freestocks.org on Unsplash
Samstag, 1. Dezember 2018
Advent
Vielleicht wissen die wenigsten, daß der Advent mit Abenteuer zu tun hat. Dazu sollte man einen Blick in die Sprachetymologie werfen. Beide Wörter – Advent und Abenteuer – entstammen derselben Wurzel. Im Altdeutschen wird Abenteuer aventiure genannt, da ist die sprachliche Verwandtschaft bereits deutlich. Und schaut man sich das Englische an, wird die inhaltliche Nähe sogleich greifbar: advent und adventure.
Nun war das, was das Mittelalter eine ritterliche aventiure nannte, weitaus mehr als ein moderner Selbsterforschungstrip oder ein riskantes Überlebenstraining, welches man unternimmt, weil einen die faden Abläufe der bourgeoisen Zivilgesellschaft anöden.
Der Ritter, der auf Fahrt ging und auf dieser Fahrt die bedeutsamen Er-fahr-ungen machte – und dazu gehörten auch die obligaten Ge-fahren – kam, wenn seine Fahrt glückte, zu guter Letzt beim Wesentlichen an.
Parzival, der Archteyp des Auf-Fahrt-Gehenden, zeigt die Richtung. Aufbrechend ist er der tumbe Tor. Er scheitert an den grundlegenden Fragen des Lebens. Erst allmählich, durch das Bestehen schwerwiegender Gefahren, durch das Geflecht von Schuldverstrickung und Verzeihung hindurch sowie durch etliche Wendungen des Geschicks, das kein kaltes Fatum ist, sondern die gütige, leitende Vorsehung des gütigen Gottes, kommt der Aufgebrochene an das Ziel der Fahrt und die entscheidenden Fragen klären sich zum lebendigen Ganzen. Wer bin ich? Wo komme ich her? Wer ist der Nächste? Wer ist Gott?
Im Gral, dem Kelch des heiligen Abendmahls, der das Blut Christi empfing, leuchtet auf das Ganze, offenbart sich der Sinn.
Der Advent, will er recht gelebt sein, sollte demnach die echten abenteuerlichen Zusammenhänge bedenken. 24 Tage lang macht sich der Pilger im Advent auf die entscheidende aventiure ins Herz des Lichts. In diesen Wochen wird er, wie der mittelalterliche Wanderer, den Gefahren des Weges konfrontiert sein. Der modernen Tristesse, der Versuchung des Sich-Ablenken-Lassens von der dunklen Welt Klingsors, der Müdigkeit, der Verwechslung des wahren Zieles mit fadenscheinigen Surrogaten, des sich Einrichtens in gemütlichen, betäubenden Behausungen aller Art, des sich Verlierens im Interessanten und Nebensächlichen.
Wer freilich seine Sehnsucht nicht verderben läßt, wer durchhält trotz verführerischer Einladungen zum Verlassen des einzig gültigen, königlichen Weges, der kommt an. Bei der Krippe. Beim göttlichen Kind. Beim Gloria in excelsis Deo.
Danach, so viel ist sicher, ist der Abenteurer ein anderer.
Grafik: Photo by Ben White on Unsplash
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