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Samstag, 28. Mai 2022

Der Marienmonat und der Missionar und Molokai

Molokai wurde bekannt durch den heiligen Damien de Veuster. Es ist die Insel der Leprakranken. Dorthin ließ sich der belgische Missionar 1873 senden, um sein Leben für die Leprakranken hinzugeben.

Ein anderer Missionar, ebenfalls nach Molokai aufgebrochen, berichtet Jahrzehnte später von seinem Aufenthalt auf der Leprainsel.

Es ist der Marienmonat Mai. Der Missionar kommt auf die Insel, um dort den Marienmonat zu eröffnen und zugleich die Statue Unserer Lieben Frau von Fatima zu segnen und aufzustellen.

Auf der Insel angekommen, erfaßt den Missionar das Erschrecken angesichts der entstellten Kranken. Mutlosigkeit will sich breit machen. Wie soll das gehen? Die wunderschöne Statue der Madonna aufstellen und dabei in die ungestalten, zerstörten Gesichter der Leprosen schauen?

Während er noch seinen bedrückenden Gedanken nachhängt, kommt eine Schwester und bittet ihn, sofort zu einem Sterbenden zu kommen. Die Marienstatue solle er mitnehmen, denn der Sterbende wünsche sich, bevor er sterbe, die Madonna zu sehen.

Der Missionar, die Madonna in den Armen, folgt der Schwester mit beklommenem Herzen. Sie erreichen das Lager des Sterbenden. Dieser stammelt bewegt: »Die Madonna.« 

Ist es nun die Beklemmung des Missionars, seine Angst zu versagen oder ganz einfach seine Hilflosigkeit? Als er sich dem Bett des Kranken nähert, stolpert er und fällt. Bevor er zu Boden geht, ruft er, um die Statue zu retten, aus: »Maria, hilf.«

Als er sich erhebt, gilt sein erster Blick der Madonna. Die Muttergottes ist an vielen Stellen verletzt. Die Hände halten zwar weiterhin den Rosenkranz, sind aber beschädigt. Der Lack im Gesicht ist an etlichen Stellen abgesplittert, auf den Wangen sind nun dunkle Flecken zu sehen, das Lächeln der Muttergottes weist einen schmerzlichen Zug auf. Nur die Augen sind unversehrt und schauen mit derselben Güte und Zärtlichkeit den Betrachter an.

Der Missionar zögert. Was soll er tun? Die Schwester ruft ihn ans Lager des Sterbenden. Dieser, als er die Madonna wahrnimmt, wird von einer Welle der Liebe und Sehnsucht und Glaubenserschütterung erfaßt. Er versteht, ohne viele Worte: Die himmlische Mutter kommt zu ihrem sterbenden Kind.

Denn so ist Maria. Sie steigt herab. Aus Liebe zu ihrem kranken, entstellten Kind verzichtet sie auf ihre makellose Schönheit.

Samstag, 16. Mai 2020

Virgo potens

Der Mai ist der Monat der Muttergottes. Das ist bekannt.

Weniger bekannt ist die Stellung, die Maria im geistlichen Kampf einnimmt.

Um mal zwei Päpste der jüngeren Zeit zu zitieren. Papst Pius XII. bezeichnete die Gottesmutter im Weihegebet an das Unbefleckte Herz Mariens, 1942, als die »Siegerin in allen Schlachten Gottes«.

Papst Johannes Paul II. stellte bei einer seiner Frankreichreisen fest: »Wenn der Sieg kommt, wird er durch Maria kommen. Mehr denn je ruft die Jungfrau Maria heute ihre älteste Tochter (sc. Frankreich), aber auch alle ihre Töchter, die Nationen, auf, zu erwachen und sich zu bekehren, um ihren Sieg zu ermöglichen.«

Daß diese kämpferische Stellung Mariens so wenig bekannt ist, mag einerseits damit zusammenhängen, daß in Abbildungen der Gottesmutter vorzüglich ihre Sanftheit und Lieblichkeit dargestellt wird, andererseits damit, daß der Mensch die Wahrheit des geistlichen Kampfes ungern vernimmt. Man will in Ruhe gelassen werden, wie die Allerweltsfloskel lautet, schließlich sei das Leben schon anstrengend genug.

Ja, anstrengend ist das Leben. Aber ohne Maria, die in der Lauretanischen Litanei unter anderem als die virgo potens, die mächtige Jungfrau, angerufen wird, ist das Leben dermaßen anstrengend, daß es den Einzelnen erdrückt. Denn Maria, gerade in ihrer vollkommenen militärischen Reinheit, ist, wenn wir uns unter ihren Mantel stellen, der Schild, der uns vor den Angriffen des Bösen beschützt. Das aber heißt, mit ihr wird unser Leben ein befreites, wenn auch kein bequemes. Denn sie wird uns nicht zum Quietismus erziehen, sondern zum Mitkampf. In diesem Kampf freilich ist sie a priori die Siegerin, und folglich wir, wenn wir ihre Pädagogik annehmen, die Mitsieger.

Die Zeugnisse dieser Mitsiegerschaft sind zahllos. Hier eines:

»In Italien erzählte mir ein Exorzist, daß eines Tages ein junger Mann in großer Not zu ihm kam, weil er verzweifelt war; er konnte es nicht mehr ertragen. Er war nicht nur körperlich krank, sondern auch sein Geist wurde ständig gequält. Er hatte sich mit okkulten Praktiken beschäftigt, ganz zu schweigen von Drogen, Alkohol und anderen schädlichen Dingen!
Der Priester, in Beschlag genommen von einem anderen schwierigen Fall, kann seine Arbeit jedoch nicht unterbrechen. Da er aber das Leiden des jungen Mannes sieht, will er ihn nicht enttäuscht gehen lassen. Er erinnert sich an die Muttergottesstatue in seiner Kirche. Es ist die Muttergottes der Rue du Bac in Paris, die Jungfrau der Wundertätigen Medaille. Sie streckt ihre Hände aus und den Ringen, die sie an ihren Fingern trägt, entspringen Strahlen, welche die Gnaden symbolisieren, die Maria allen gewährt, die sie darum bitten. Der Priester sagt zu dem jungen Mann: Geh und bete vor der Statue und schau ihr in die Augen! Sie ist deine Mutter, sie wird dir helfen!
Der junge Mann kniet vor der Jungfrau Maria nieder, schreit ihr sein Elend entgegen und richtet seinen Blick auf ihre Augen. Plötzlich spürt er eine große Erleichterung, die ihm aus dem Blick der Gottesmutter zukommt. Noch nie in seinem Leben hat er eine solche mütterliche Zärtlichkeit verspürt. Voller Freude verweilt er lange vor der Statue. Es ist wie ein Balsam, der seinen Körper, sein Herz und seine Seele durchdringt! Als er weggeht, ist er geheilt und befreit!«

Die Muttergottesstatue in der Rue du Bac, einem der berühmten marianischen Wallfahrtsorte, zeigt Maria in beiden Eigenschaften: Als die liebliche Mutter und als die Siegerin in der Schlacht - unter ihren Füßen windet sich die besiegte Schlange.

                                                                    

Samstag, 18. April 2020

Der dritte Tag


Einer der offiziellen Titel der Muttergottes lautet: Ursache unserer Freude (causa nostrae laetitiae).

Im Licht von Emmaus versteht man diesen Titel nochmals besser.

Maria ist diejenige, die, noch durch die Finsternis des Karsamstags hindurch, den Glauben bewahrt. Maria zweifelt nicht an ihrem Sohn. Sie glaubt Seiner Verheißung, daß Er, wie Er es gesagt hat, am dritten Tage auferstehen wird. Eben deswegen ist es unmöglich, Maria als eine Hoffnungslose und Unglückliche am Ostermorgen sich vorzustellen. Diejenige, die geglaubt hat, ist am Ostermorgen keine Verzweifelte. Sie wartet, sehnsuchtsvoll, und wird diejenige sein, die ihr Sohn in der Frühe des Ostersonntags als Erste besucht. Sie ist und bleibt die Ursache unserer Freude.

Die Emmausjünger dagegen sind am Ostertag, wie Lukas berichtet, in der Traurigkeit – sie blieben traurig stehen. An die Auferstehung glauben sie nicht, die Hoffnung haben sie aufgegeben - wir aber hatten gehofft. Darum tadelt sie der Herr: O ihr Törichten!

Um recht zu verstehen: Es gibt sehr wohl Gründe, traurig zu sein. Der Karfreitag ist ein schrecklicher, trauriger Tag. Der Karsamstag ist ein schrecklicher, trauriger Tag. Wie könnte es anders sein? Die Menschen töten ihren Erlöser. Der Erlöser liegt im Grab. Gibt es Schrecklicheres und Traurigeres?

Aber der dritte Tag ist ein anderer Tag. Der dritte Tag ist kein Tag der Trauer. Darum auch gehört es zu den Vorhersagen Jesu, daß Er dann, wenn er von Seinem Leiden spricht, es nicht bei den Leidensansagen beläßt, sondern stets das entscheidende Faktum nennt, nämlich daß er am dritten Tage auferstehen wird (siehe etwa die drei Leidensankündigungen beim Evangelisten Markus: 8,31ff; 9, 30ff; 10,33ff).

Die Emmausjünger sind in der Traurigkeit, weil sie eben an diesen dritten Tag, wiewohl Jesus ihn vorhergesagt hat, nicht wirklich glauben. Nicht umsonst gehen sie aus Jerusalem, der lukanischen Stadt, wo sich das Heil vollzieht, weg. Sie gehen weg, weil sie an das Heil nicht glauben. Erst am Ende der Erzählung, als der Herr ihnen die Augen geöffnet hat, gehen sie zurück nach Jerusalem und also in die Stadt der Erfüllung und also in den Osterglauben hinein.

Mit anderen Worten: Der Unglaube führt in  die Traurigkeit, der Glaube in die Freude. Wenn Jesus sagt: So und so verhält es sich, dann lautet die Antwort des Jüngers: Ja, Herr, ich glaube. Und dieses Einverständnis führt in die Freude.

Selbst Maria Magdalena, die weiß Gott eine große Liebende ist, muß in ihrer Liebe wachsen und sich folglich die Frage der Engel am leeren Grab anhören: Frau, warum weinst du? Und ein zweites Mal die exakt gleiche Frage aus dem Mund Jesu: Frau, warum weinst du?

Warum? Ist diese Frage nicht unmenschlich angesichts der Fakten? Hat Maria Magdalena nicht alles Recht der Welt, zu weinen?

Ja, weltlich gesehen hat sie recht zu weinen. Aber der Herr führt Seine Freunde nicht in die Welt, sondern in die Über-Welt, denn ihr seid gestorben und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott (Kol 3,3). Er will nicht, daß wir weltlich rechnen, sondern daß wir übernatürlich glauben. Wenn wir dies auf Sein Geheiß hin tun, dann hört das Weinen auf, dann ist der dritte Tag angebrochen.

Grafik: Piero della Francesca. wikicommons

                                                       

Freitag, 8. Februar 2019

Mysterium iniquitatis


Kann man verstehen, wenn Menschen frenetisch applaudieren und jubeln darüber, daß endlich Menschen bis zur Geburt getötet werden können?

So geschehen in New York, Jänner 2019, als der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo das neueste Abtreibungsgesetz unterzeichnet und damit in Kraft setzt. Ein Gesetz, welches rechtsgültig gestattet, daß Kinder, letztlich aus jedem beliebigen Grund, bis zur Geburt getötet werden können, und dies nicht nur von Ärzten, sondern auch von nicht-ärztlichem Personal, etwa Hebammen oder Krankenpflegern.

Und die Juristen und politischen Verantwortlichen dieses infamen Gesetzes, die bei dessen Ratifizierung anwesend sind, schreien vor Begeisterung, immer wieder, geben standing ovations allen, die an der Durchsetzung dieses Gesetzes mitgearbeitet haben.

Geht es noch kränker?

Ja. Denn der Bürgermeister versteht sich als Katholik. Kinder zu töten, ist für ihn - wörtlich - ein «historischer Sieg für unsere Werte». Katholisch zu sein und Handlanger des Todes zu sein, ist für ihn kein Problem.

Geht es noch kränker?

Durchaus. Derselbe Gouverneur, der, man höre und staune, sich vehement für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt, benutzt in seiner Rede zum neuen Gesetzeserlaß immer wieder, wenn es darum geht, Komplizen, die sein Tötungsgesetz unterstützt haben, zu honorieren oder zu dekorieren, die Formel God bless.

Und um dem Horror auch noch die farbliche Note zu geben, ordnet der New Yorker Gouverneur an, daß die Spitze des One World Trade Building – des Hochhauses also, welches auf dem zerstörten Gelände von 9/11 errichtet wurde – nachts rosa illuminiert wird, um die Tötungslizenz weithin sichtbar zu zelebrieren. Rosa, die neue Farbe des Todes. Rosa, die Farbe des Abtreibungsnetzwerkes Planned Parenthood.

Noch einmal: Kann man verstehen, wenn Menschen frenetisch applaudieren und jubeln darüber, daß endlich Menschen bis zur Geburt getötet werden können?

Nein, verstehen kann man das nicht.

Darum auch spricht die Theologie vom mysterium iniquitatis, dem Mysterium der Bosheit. Denn das Böse entzieht sich in seinem diabolischen Gestus letztlich der Vernunft.

Das heißt nicht, daß man vor dem Bösen kapitulieren sollte, weil es eh unverständlich ist. Nein. Man muß, dringender denn je aufzeigen, wie das Böse operiert und manipuliert. Zum Beispiel die permanenten Lügen des Diabolos aufzeigen.

Wurde jahrelang nicht mit der Lüge hausieren gegangen, das ungeborene Kind sei ein Zellhaufen, nichts weiter?

Und jetzt? Ein  voll entwickeltes Kind im neunten Schwangerschaftsmonat, welches kurz vor seiner Geburt steht, ist für jeden sichtbar kein amorpher Zellhaufen. Gleichwohl wird ihm jeder Schutz abgesprochen, woraus man erkennen kann, daß, wenn man die pseudohumanitären Mantras zur Seite legt, es stets nur um die Agenda des Tötens ging, die darüber hinaus sehr lukrativ ist. Und diese Agenda hat ihre Adepten: Abgeordnete, Juristen, Geschäftsmänner, Ärzte, Bürgermeister.

Demjenigen, der wachen Auges auf youtube das Video der Signierstunde sich anschaut, gruselt es vor dem neuen Barbarismus. In die verblendeten Gesichter der Todesberauschten zu schauen, Frauen wie Männer, ist nur mehr erschreckend. Ein amerikanischer Bischof nannte ein Zweitvideo, welches die Abgeordneten im Senat zeigt, die die soeben geschehene Beschlußfassung des neuen Tötungsgesetzes beklatschen, «eine Szene aus der Hölle».

«Weh denen», so heißt es beim Propheten Jesaja 5,20ff, «die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen (…) die den Schuldigen für Bestechungsgeld freisprechen und dem Gerechten sein Recht vorenthalten.»

Es sind apokalyptische Zeiten. Doch Maria, die Jungfrau der Apokalypse, ist wie eh und je «die Siegerin in allen Schlachten Gottes» (Pius XII.). Sie zertritt die lügnerische Schlange.

Grafik: Miguel Cabrera, The Virgin of the Apocalypse. wiki commons

Freitag, 14. Dezember 2018

Der Augenblick


für M. T.

Behüte mich wie den Augapfel, den Stern des Auges, heißt es im Psalm 17,8. Die Vulgata, die traditionelle lateinische Übersetzung, schreibt sehr konkret: custodi me ut pupillam oculi (behüte mich wie die Pupille des Auges).

Man könnte dies für blumige, metaphorische Redeweise halten. Die Hebräer in ihrem semitischen Denkgestus übertreiben halt gerne.

Der Festtag Unserer Lieben Frau von Guadalupe, den die katholische Kirche am 12. Dezember begeht, kann einen dagegen eines Besseren belehren.

Wie bekannt sein dürfte, gehört das Gnadenbild von Guadalupe aus dem Jahre 1531 zu den sogenannten Acheiropoieta, das heißt zu den nicht von Menschenhand geschriebenen Ikonen. Die Entstehung des Bildes, sein Ursprung, seine Konsistenz, seine Bildsprache sind gänzlich mirakulös.

Nur kurz: In der vierten Erscheinung der Muttergottes, die dem getauften Indio Juan Diego auf einem Hügel nahe der heutigen Hauptstadt Mexiko gewährt wird, sagt Maria zu dem Seher, er solle auf den Gipfel des Hügels gehen und dort (es ist Winterzeit, der Boden ist steinig!) Blumen pflücken. Dies sei das Zeichen, welches dem zuständigen Bischof die Echtheit der Erscheinungen beweise.

Juan Diego tut, wie ihm aufgetragen ist. Er findet die Blumen, er pflückt sie, er sammelt sie in seinem Umhang und geht zurück zur Muttergottes. Diese ordnet die Blumenpracht und schickt ihn weiter zum Bischof.

Als man den Seher schließlich in der bischöflichen Residenz einläßt und Juan Diego vor dem Oberhirten und weiteren Versammelten steht und seinen Umhang öffnet, um die wundersamen Blumen zu zeigen, offenbart sich während des Öffnens ein weitaus größeres Wunder: Auf dem Umhang Juan Diegos entsteht, vor den Augen der Versammelten, das Bild der Muttergottes – seitdem von ungezählten Millionen von Gläubigen ehrfurchtsvoll verehrt.

Erst die Technologie der Neuzeit brachte neue Details zum Vorschein, die dem Gnadenbild weiteren Glanz verleihen.

So ergab eine Computeranalyse, in welcher die Augen der Muttergottes immens vergrößert wurden, daß in den Pupillen Unserer Lieben Frau offensichtlich exakt die Personen widergespiegelt sind, die das damalige Ereignis vor Ort erlebten.

Und damit erfährt die Bitte des biblischen Beters, der Schutz vor den Frevlern sucht und daher Gott bedrängt, Er möge ihn, den Bittenden, hineinnehmen in Seine Pupille, mit anderen Worten in Sein Eigenstes, um dort, im Blick Gottes, geborgen zu sein – diese dringliche, kraftvolle Bitte erfährt im Licht Guadalupes ihre himmlische Bestätigung.

Ja, so ist es. Gott hört auf das Flehen Seiner Kinder. Er schickt Seine Mutter, und diese Mutter ist keine distanzierte Beobachterin, sondern die Mit-Leidende und Mit-Fühlende und Mit-Erlöserin. Mein liebstes, kleinstes Söhnchen, so Maria zu Juan Diego, bin ich denn nicht hier, deine Mutter? Ja, die Mutter ist da, und als solche nimmt sie ihre Schutzbefohlenen in ihren Blick, so daß jeder Augenblick tatsächlich mütterlicher Augen-Blick ist.

Grafik: wiki commons

Samstag, 19. August 2017

Der hl. Dominikus und der Rosenkranz

Von der streitenden Kirche, die im Lateinischen ecclesia militans bezeichnet wird, hört man heutzutage wenig.

Woran liegt’s?

Vermutlich daran, daß man nirgends anecken will. Denn die streitende Kirche setzt voraus, daß es Lehren, Situationen, Meinungen etc. gibt, die für einen Christen unannehmbar sind und gegen die folglich kämpferisch Stellung zu beziehen ist.

Das Leben ist, und dies ist durchgängige biblische Sichtweise, kein gemütlicher Spaziergang, sondern ein Kampf. Ein geistlicher Kampf. Kampf meint freilich zuallererst Kampfansage an die eigene Bequemlichkeit, Lauheit und Feigheit, die sich gerne einrichten würden im Gehäuse der Welt, selbst auf die Gefahr hin, damit den christlichen Sendungsauftrag zu verraten, der uns als Fremdlinge in die Welt schickt, nicht als gemütlich Seßhafte.

Die Heiligen aller Zeiten haben dies bestens verstanden. Sie sind dem Kampfe nicht ausgewichen, sondern haben sich unerschrocken mitten in den Kampfplatz gestellt. So auch der Gründer des Dominikanerordens, dessen 800jähriges Gründungsjubiläum bis zum Beginn des Jahres 2018 gefeiert wird, der hl. Dominikus.

Einer seiner Biographen schreibt über die Zeit, in die der Heilige hineingeboren wurde: »Es ist die Zeit, in der die Bischöfe fast lauter stumme Hunde sind, um ein hartes Wort Papst Innozenz’ III. aufzugreifen; es stammt aus dem Propheten Jesaja (Jes 56,10). Vielleicht aus Mangel an Wissen wagen sie nicht zu bellen! Die Kirche befand sich damals in der traurigen Zeit des schlimmen Schweigens (pessima taciturnitas)«.

Naturgemäß schweigt der hl. Dominkus nicht auf schlimme Weise. Er spricht, mit Freimut, in Wahrheit und mit Liebe. Denn es geht ihm nicht darum, den Gegner – sei es den Irrgläubigen, den im Glauben Unwissenden oder den gänzlich Fernstehenden (wie man heute sagen würde) beziehungsweise den der Kirche feindlich Gesinnten – zu zerstören, sondern ihn zu überzeugen und derart seine Seele zu retten, und dies kraft der Gnade, des echten apostolischen Lebenszeugnisses und der verantwortungsvollen Rede und Antwort.

Was nun die Gnade betrifft, so kam die Mittlerin aller Gnaden, die Jungfrau Maria, dem heiligen Dominikus wirkmächtig zu Hilfe.

Wie diese Hilfe ausschaute, ist auf unzähligen Abbildungen zu sehen: In Kirchen, Kapellen, Oratorien, Museen. Eine davon kann man im Kunsthistorischen Museum (KHM) zu Wien betrachten, auf einem berühmten Gemälde von Caravaggio.

Zu sehen ist die Madonna, die dem heiligen Dominikus, der ihr zur Linken mit offen dargebotenen Händen steht, Rosenkränze überreicht hat. Und diese Rosenkränze soll der heilige Ordensgründer weiterreichen an die vor ihm knienden Menschen, die – mit sehnsüchtiger Gebärde – sich nach eben diesen Rosenkränzen ausstrecken.

Nun ist die Übergabe der heiligen Rosenkränze in dieser heiligen Reihenfolge – aus den Händen der Muttergottes in die Hände des heiligen Dominikus in die Hände des Volkes – mehr als ein frommes Geschichterl. Denn man muß wissen, daß eben der Rosenkranz kein frommer Devotionsgegenstand unter unzähligen anderen ist, sondern vom Himmel gezielt eingesetztes Instrument der Gnade im Kampf gegen die Häresien. Und der hl. Dominikus und seine Brüder sind die Herolde im Gebet und in der Verbreitung dieses himmlischen Kampfmittels.

Der selige Papst Pius IX. drückte es folgendermaßen aus:
»Nachdem der heilige Dominikus den Predigerorden gegründet hatte, war sein Verlangen, den Irrtümern der Albigenser (einer damaligen häretischen Sekte, die von zwei gleich mächtigen schöpferischen Prinzipien, nämlich dem Guten und dem Bösen, ausging) ein Ende zu setzen. Von göttlicher Inspiration bewegt, begann er, die Hilfe der Unbefleckten Muttergottes anzurufen, der allein es gegeben ist, alle Häresien des Universums auszumerzen; und er predigte den Rosenkranz als unfehlbaren Schutz gegen Häresien und Laster.«
Papst Benedikt XVI. sprach in einer Generalaudienz aus dem Jahre 2010 davon, daß der heilige Dominikus »vor allem die Marienverehrung … seinen geistlichen Kindern als kostbares Erbe hinterließ; diese haben in der Geschichte der Kirche das große Verdienst, das Gebet des heiligen Rosenkranzes zu verbreiten (…).«

Heute, da die Häresien gleichsam überall aus dem Boden sprießen, wobei, im Unterschied zu den Zeiten eines heiligen Dominikus, diese Häresien nicht länger als Irrlehren kenntlich sind, sondern quasi als neue Heilslehren gehandelt werden und längst in der gängigen Meinung des sogenannten mainstreams, auch des kirchlichen mainstreams, angekommen sind, ist es folglich dringender denn je, dieses so wirksame geistliche Mittel des Rosenkranzes zu beherzigen, zu pflegen, zu verbreiten.

»Kinder helft mir, die Übel der Kirche und der Gesellschaft zu bekämpfen, aber nicht mit dem Schwerte, sondern mit dem Rosenkranz!«

Diesem Aufruf des seligen Papstes Pius IX. hätte der heilige Dominikus, wie man getrost annehmen darf, ohne weiteres zugestimmt.


Freitag, 2. Juni 2017

153


Es ist die dritte Erscheinung des Auferstandenen.

Sieben Jünger gehen fischen. Es ist Nacht. Eigentlich die günstige Zeit, um Fische zu fangen. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts, notiert Johannes, der Evangelist, einer der sieben Fischer (21,3).

Und dann naht bereits der Morgen und die Morgendämmerung. Und am Ufer steht ein Mann, und dieser Mann sagt zu den Fischern: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen (6).

Und die sieben Fischer, gestandene Männer, gehorchen. Sie werfen das Netz erneut aus. Und das Wunder geschieht: Sie konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es (6). Und Johannes, der Zeuge des Wunders, schreibt schließlich, daß Petrus das Netz an Land zieht: Es war mit 153 großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriß das Netz nicht (11).

Man hat viel über diese Zahl 153 nachgedacht. Symbolisieren die eingefangenen Fische den ganzen Erdkreis, den die Fischer für Christus einbergen sollen? Der heilige Hieronymus jedenfalls behauptet seinerzeit, griechische Zoologen hätten 153 unterschiedliche Fischarten identifiziert; die Zahl rückt damit wie selbstverständlich in den Bereich universaler Soteriologie.

Adrienne von Speyr, eine Mystikerin des 20. Jahrhunderts, hat die Zahl in stupender Schau anhand von Primzahlen, die entsprechenden Heiligen zugeordnet sind, ausgelegt, nachzulesen in ihrem nachgelassenen Werk Das Fischernetz.

Eine volkstümliche Auslegung, gleichsam eine Auslegung für die Kleinen, die der Herr seligpreist, könnte dies ergeben: 153 – das sind die 150 Perlen des klassischen Rosenkranzes, der freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse, samt den drei Perlen, in denen um die drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe gebetet wird.

153 – das ist das Netz dieses einfachen, meditativen Gebetes, in dem die Muttergottes ihre Kinder heimholen will hin zu ihrem Sohn. Und das Netz, so groß es auch sein mag, wird nicht reißen. Und dieses meditative Netz hat eine Wirksamkeit, welche die Vorstellungskraft der gläubigen Fischer aller Zeiten bei weitem übersteigt. Denn die Maschen dieses Fischernetzes gehen durch die Hände der Mittlerin aller Gnaden, deren Fürsprechmacht unberechenbar ist, und jede einzelne Masche ist Loblied des Schöpfers, der, wie am Schöpfungsmorgen, so auch heute und jeden Tag neu am Ufer unseres Lebens steht und sagt: Werft das Netz aus und fangt!

Grafik:    rosenkranzbeten.info

Freitag, 26. Mai 2017

Blau


Es kann sein, daß es lange dauert.

Man ist überwältigt von der Unausweichlichkeit. Man steht und betrachtet und wird nicht losgelassen.

Und das Merkwürdige: Selbst wenn man sich von der Wand mehr und mehr entfernt, weicht das Bild nicht zurück, sondern geht mit einem. Es ist unausweichlich, dieses Jüngste Gericht.

Ich weiß nicht, wie es Michelangelo geschafft hat, aber soviel steht fest: Nachdem man dieses Jüngste Gericht gesehen hat, kann man es nicht im Kopf archivieren unter anderen Bildern, die man in Museen gesehen hat. Denn dieses Bild hängt nicht in einem Museum, sondern in einer Kapelle. Und nur dort, in der Sixtinischen Kapelle, ist dieses Bild überhaupt auszuhalten.

Und vielleicht ist man etliche Schritte vom Bild entfernt, immer weiter gleichsam zurückgewichen vor dieser erschreckenden Größe, bis man es schließlich wahrnimmt: Dieses Blau.

Das Blau des Gewands der Muttergottes. Blau ist die Farbe des Himmels. Und Rot, die zweite klassische Farbe, in die Michelangelo Maria kleidet, ist die Farbe der Liebe. So stimmt es: Blau und Rot. Die Liebe und der Himmel. Denn dorthin, in den Himmel, will uns die Liebe, die in Maria lebt, führen.

In Fatima zeigt Maria drei kleinen Hirtenkindern die Hölle. Michelangelo zeigt allen, die in die Sixtina kommen, daß es diese Hölle und ihre Verdammten gibt.

Aber Gott sei Dank gibt es dieses leuchtende Blau des Himmels. Gott sei Dank gibt es die Muttergottes, die sich an ihren Sohn, den Weltenrichter, schmiegt und liebevoll Fürsprache hält, wie wir in jedem Ave Maria beten: Bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Und Gott sei Dank werden am 13. Juni alle österreichischen Bischöfe gemeinsam in Mariazell Österreich und seine Bewohner der Muttergottes, der Magna Mater Austriae, anvertrauen. Dies geschieht im Rahmen eines Festgottesdienstes, der um 11.15 Uhr beginnt. Dabei soll das Gebet verwendet werden, welches Papst Benedikt XVI. bei seinem Österreichbesuch 2007 gebetet hat:
Heilige Maria, makellose Mutter unseres Herrn Jesus Christus, in dir hat Gott uns das Urbild der Kirche und des rechten Menschseins geschenkt. Dir vertraue ich das Land Österreich und seine Bewohner an: Hilf uns allen, deinem Beispiel zu folgen und unser Leben ganz auf Gott auszurichten! Laß uns, indem wir auf Christus schauen, ihm immer ähnlicher, wirklich Kinder Gottes werden! Dann können auch wir, erfüllt mit allem Segen seines Geistes, immer besser seinem Willen entsprechen und so zu Werkzeugen des Friedens werden für Österreich, für Europa und für die Welt. Amen.

Grafik:    Last Judgement (Michelangelo).jpg. wikicommons

Donnerstag, 18. Mai 2017

Das Testament Jesu. Und Fatima

Warum soll ich mich der Muttergottes weihen? Warum ist die Andacht zum Unbefleckten Herzen Mariens und die Weihe an dieses Herz so wesentlich in der Fatimabotschaft? Warum gilt sie als Rettungsanker, als Heilmittel für die letzten Zeiten? Wo gibt es eine Grundlage für diese Verehrung in der Heiligen Schrift?

Diese Fragen stellte mir einst ein junger Mann. Er stellte sie nicht leichtfertig, auch nicht um zu provozieren. Er stellte sie, weil er nach einer sinnvollen Antwort suchte.

Ja, warum ist die »Andacht zu Meinem Unbefleckten Herzen«, wie die Muttergottes in der dritten Erscheinung am 13. Juli 1917 sagt, so heilsbedeutend? Die Antwort, wie mir scheint, ist durchaus in der Heiligen Schrift verankert.

Die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz sind bekannt. Sie sind gleichsam das Testament Jesu. Eines dieser Worte, im Johannesevangelium überliefert (19,25ff), lautet: Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Der Jünger, den Jesus liebte – mit diesem Jünger sind gleichsam alle gemeint, welche die Nachfolge Jesu leben wollen. Und diese haben es wie Johannes zu machen: Sie haben Maria, die Frau unter dem Kreuz, zu sich zu nehmen.

Im Griechischen heißt es: Johannes nahm Maria eis ta idia. Wörtlich müßte man übersetzen: Johannes nahm Maria in sein Eigenes auf. Damit ist mehr gemeint, als daß er die Muttergottes in seine Wohnung aufnahm. Der Evangelist will ausdrücken, daß der Lieblingsjünger Jesu Maria in seine Herzmitte aufnahm, in sein Innerstes. Was aber meint dies anderes, als daß sich der Apostel Johannes Maria ganz anvertraute, mit anderen Worten: Sich ihr weihte?

Johannes erfüllt damit den Auftrag Jesu. Und wenn 1900 Jahre später, in einem winzigen Dorf in Portugal, dieselbe Muttergottes, die unter dem Kreuz stand, von der Andacht und der Weihe an ihr Unbeflecktes Herz spricht, die – wie sie selbst sagt – »Gott will«, dann ist dies die Aktualisierung des Testaments Jesu in unsere Jetztzeit hinein. Und allem Anschein nach brauchen wir diese Gegenwärtigsetzung der Kreuzesstunde Jesu und seiner testamentarischen Verfügung um so dringender, weil wir auf die zentralen Geheimnisse des Glaubens mehr und mehr vergessen.

»Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen« (13. Juli 1917). Die Botschaft von Fatima wiederholt denselben Ernst und dieselbe Frohe Botschaft, die im Evangelium zu vernehmen sind. Kreuz und Erlösung, Hölle und Rettung. Und wieder ergeht der Ruf an jeden Einzelnen von uns: Siehe, deine Mutter. Und die Mutter wartet darauf, daß wir sie in unser Innerstes aufnehmen – wie Papst Franziskus, der sein Pontifikat Unserer Lieben Frau von Fatima weihte.

Oder in den Worten einer großem Mystikerin des 20. Jahrhunderts – Marthe Robin –, welche die Weisung Jesu radikal beherzigte:
»Gehen wir also zu Maria, denn sie ist unsere Mutter, die Mutter eines jeden von uns! Gehen wir zu ihr, denn sie ist die universelle Mittlerin zwischen Gott und uns. Ach, wüßten wir uns doch ganz klein zu machen! Würden wir doch unsere Blicke und unsere Herzen ihr zuwenden, die uns so sehr liebt!«

Freitag, 10. Februar 2017

Bernadette

Wer über Lourdes, den französischen Wallfahrtsort schreibt, der schreibt naturgemäß über Maria. Und über Bernadette, die Seherin, der das Privileg zuteil wurde, achtzehnmal die Muttergottes zu sehen.

Man vergißt über soviel Bevorzugung vielleicht die Kehrseite dieses Lebens, die der lichtumstrahlten Gestalt der Erscheinungen korrespondiert: Nämlich daß Armut, Krankheit und Erniedrigung die lebenslangen Gefährtinnen der begnadeten Seherin waren.

Im Kloster, in welches Bernadette nach den Erscheinungen  eintritt, wird ihre Profeß immer wieder hinausgeschoben, da man sie für ein kleines, dummes Ding hält. Daß sie von Kindheit an eine Kranke ist, die an Asthma leidet, und im Kloster eine gedemütigte Schwerkranke, die an schmerzlichster Knochenmarkstuberkulose dahinsiecht, sind nur einige Fakten dieses Lebens, das, je mehr man über es erfährt, um so unbegreiflicher wird.

Zum Beispiel die dritte Erscheinung am 18. Februar 1858.

Da sagt Maria zu der vierzehnjährigen Bernadette: »Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, sondern in der anderen«.

Wer, wenn er diese himmlische Aussage vernimmt, fährt nicht innerlich zusammen? Hat Mariens Sohn nicht selbst gesagt: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Johannesevangelium 10,10). Gilt diese Zusage Jesu nicht für Bernadette?

Doch, sie gilt auch Bernadette. So wie sie für jeden Christen gilt, der tatsächlich Christ sein will. Aber nur, wenn der Christ – und da kann Bernadette die unerbittliche, prophetische Lehrmeisterin für uns heute sein –, wenn der Christ ernst macht damit, die omnipräsente Vergötzung der Welt zu beenden. Denn dem Christen ist die Welt nicht das, für was sie sich gemeinhin präsentiert. Sie ist nicht das glitzernde Sesamöffnedich für die totale Erfüllung. Die Welt und ihre sogenannten Schätze, dies der nüchterne biblische Befund, vergehen. Wer sich daran festhält, ist über kurz oder lang nicht der Glückliche, sondern der Betrogene.

Mit Trübsinn hat das nichts zu tun, mit billiger Vertröstung auf Jenseitiges ebenso wenig. Alles dagegen mit Augen, die sich öffnen und zu sehen anfangen und derart einzuschätzen vermögen, was die Welt zu bieten hat und was nicht. Klug ist derjenige, der die Welt als eine vorläufige wahrnimmt und auf diese desillusionierende Weise der von Christus verheißenen sehr realen Lebensfülle nahekommt. Wer in der Welt in der ersten Reihe sitzen will und sich dort einrichtet, so als sei diese Welt die bleibende Stätte, wird unglücklich. Bernadette hatte selbst die geliebte Grotte loszulassen … Wer dagegen klaglos in der Welt den letzten Platz einnimmt und sich ausrichtet auf die zukünftige Stadt hin, die himmlische, die bleibende, der hat gute Chancen, schon jetzt glücklich zu werden.

Hat sich also die Muttergottes geirrt, als sie zu Bernadette sagte, sie werde in dieser Welt nicht glücklich?

Nein, die Muttergottes hat die Wahrheit gesagt. Man muß nur genau hinhören. In dieser Welt, sagt Maria. Und so stimmt es. In dieser Welt wurde Bernadette nicht glücklich, denn niemand wird in dieser vergänglichen Welt glücklich. Nur in der anderen. Doch diese andere Welt kann, wer will, jetzt anfangen.

Darum ist es die pure Wahrheit, wenn Bernadette bekennt: »Sehen Sie, meine Geschichte ist ganz einfach. Die Jungfrau hat sich meiner bedient, dann hat man mich in die Ecke gestellt. Das ist nun mein Platz, dort bin ich glücklich, und dort bleibe ich.«

Grafik:   Wikimedia Commons

Donnerstag, 8. Dezember 2016

Die Immaculata

Wozu brauch’ ich Maria?

Mir fällt dazu eine Geschichte ein – eine wahre Geschichte –, die ich vor etlichen Jahren gelesen habe.

Eine ältere Dame erfährt von einer jungen Schwangeren, daß diese ihr Kind ablehnt und weghaben will. Besagte Dame bietet daraufhin an, das Kind an Mutterstelle zu übernehmen.

Die junge Frau, die, wenn ich mich recht erinnere, drogen-abhängig und eine arg Verzweifelte war, nimmt trotz allem Widerstand und aller Auflehnung Gott sei Dank diesen Vorschlag an.

Als das Kind zur Welt kommt, stellen die Ärzte ziemlich bald fest, daß das Neugeborene an einer schwersten Augenläsion erkrankt ist, die, so die Prognose, unheilbar ist.

Die ältere Dame, der das Kind nun anvertraut ist, bekommt von einer Freundin, die um diesen schrecklichen Befund weiß, einen merkwürdigen Rat: Sie solle, so die Freundin, das Neugeborene gleichsam erneut austragen, wie in einer zweiten Schwangerschaft. Mit anderen Worten: Das Kind, das in der ersten Schwangerschaft massive Ablehnung erfahren habe, solle in einer symbolischen zweiten, nachgeholten Schwangerschaft, diesmal die Zuneigung und Liebe erfahren, die es aufgrund der unglücklichen Umstände bislang entbehrt habe.

Die ältere Dame stimmt dem Rat willfährig zu. Und tatsächlich trägt sie seitdem neun Monate lang den Säugling auf ihren Armen, liebkost ihn, spricht ihm Worte der Liebe zu, gibt ihm Küsse und wieder Küsse, bis schließlich die neun Monate vorüber sind.

Nun freilich geschieht das Wunder. Und es ist ein Wunder. Ärzte, die das Kind neuerlich untersuchen, konstatieren, daß die Augen des Kleinen vollkommen intakt sind. Von einer Erkrankung, Läsion oder gar Erblindung ist nicht die geringste Spur wahrzunehmen.

So weit die wahre Geschichte.

Und damit ist auch bereits das gesagt, was über Maria gesagt gehört.

Denn wenn man Maria recht betrachtet, dann versteht man, daß sie genau das mit einem jeden von uns tun möchte: Sie will uns gleichsam neu gebären. Diesmal allerdings in einem Schoß, der vollkommen rein ist und also ohne Sünde. Nur sie vermag dies, denn sie ist das einzige Menschenkind, welches dieser Auszeichnung der Vollkommenheit würdig befunden wurde. Sie ist, so nennt sie die Theologie, die Immaculata.

Immaculata heißt ja genau dies: Ohne Makel sein, ohne Verkehrtheit, ohne Leerstellen der Liebe. Mag sein, daß uns dies zu wundersam vorkommt, um wahr zu sein. Und doch ist es wahr.

Und auch dies ist wahr: Diese Immaculata ist das Bild der Kirche.

Grafik:   Immaculatastatue, Grotte in Lourdes. commons.wikimedia© José Luiz Bernardes Ribeiro; Schutzmantelmadonna, Stephansdom Wien. commons.wikimedia© Jim Kovic.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Widerstand II – Maria

O dulcis virgo Maria. O süße Jungfrau Maria. So heißt es im Salve Regina. Und etliche Jahrhunderte später singt Novalis: Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt.

Maria, die Liebliche. Maria, die Süße. Das stimmt. Denn jeder, der sich der Muttergottes nähert, wird es bestätigen können.

Aber ein jeder, der Maria wahrhaft kennenlernen will, wird auch die Seite in Maria entdecken, von der heutzutage weniger gesungen wird. Wir meinen: Maria, die Kämpferin. Oder, wie es Papst Pius XII. ausdrückte: Maria, die Siegerin in allen Schlachten Gottes.

Wie könnte es auch anders sein. Denn da Maria stets auch Bild der Kirche ist, ist sie logischerweise auch Bild der streitenden Kirche, d. h. der Kirche, die hier auf Erden den geistlichen Kampf zu bestehen hat. Und das ist ein durch und durch biblischer Befund. Schließlich verzeichnet die Heilige Schrift bereits im Buch Genesis und also auf den ersten Seiten der Bibel – nach dem Sündenfall – diese markante Verheißung:

»Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. ER wird dir den Kopf zertreten …« (Gen 3,14 f)

Die Überlieferung hat diesen Text als Protoevangelium bezeichnet und in der »Frau« die Vorankündigung der Gottesmutter Maria gesehen, weil sie diejenige ist, die durch ihr Jawort zur Menschwerdung Christi am Erlösungswerk mitwirkt, nämlich die Schlange, welche auch Satan heißt, am Kreuz endgültig zu besiegen. Ipsa conteret: Sie, Maria, zertritt. Sie ist die Schlangenzertreterin. Kein Wunder daher, daß sie auf etlichen Abbildungen die teuflische Schlange besiegt unter ihren Füßen hat.

Maria, die nur Süße, ist in dieser Ausschließlichkeit eine theologische Verkürzung. Maria ist immer auch die, die jeder Sünde, Unwahrheit, Verfälschung – kurz: jeder Verneinung des Lebens – den erbittersten Widerstand entgegensetzt. Widerstand auch dann, wenn es darum geht, den wahren Glauben zu verteidigen.

In einer französischen Marien-Enzyklopädie (Maria, études sur la Sainte Vierge, 7 vol., Paris, Beauchesne, 1949–1964, hier Bd. IV, 1956, 695) findet sich bezeichnenderweise folgende Geschichte:
Polen 1621 – Am Vorabend der Schlacht von Chocim und wenige Tage nach der schrecklichen Niederlage von Cecora, verbrachte der Oberbefehlshaber Stanislas Lubomirski die Nacht vor dem Kampf in einer früher in Polen sehr beliebten Bußhaltung: kniend, die Arme gekreuzt, im Gebet.

Nach einer Nacht glühender Gebete hatte er folgende Erleuchtung, von der er glaubte, daß sie direkt von unserer Lieben Frau kam, und die sich mit einem einfachen Aufruf zusammenfassen läßt: »Leiste Widerstand, koste es, was es wolle«.

Am darauffolgenden Tag brach er die Unterhandlungen mit den Türken ab und trug einen glänzenden Sieg davon, den das polnische Volk jedes Jahr am 10. Oktober feiert.

Mittwoch, 14. September 2016

Ruanda und wir

Lourdes und Fatima sind bekannt. Kibeho gleichfalls?

In den Jahren 1981 bis 1989 erscheint die Gottesmutter Maria Schülerinnen aus dem ruandesischen Dorf Kibeho. Die Botschaften der Muttergottes, die sich als Mutter des Wortes vorstellt, sind denkbar einfach und einprägsam: Umkehr, Buße, Gebet und die sühnende, rettende Kraft des Leidens sind die wesentlichen Inhalte. Kehrt um, solange es noch Zeit ist, heißt es in einer Botschaft. Ein andermal: Die Welt rennt ins Verderben, sie droht in den Abgrund zu fallen.

Einmal sehen die Mädchen Ströme von Blut, Menschen, die einander umbringen, Bäume in Flammen. Die Seherinnen weinen und sind bis ins Mark getroffen.

Jahre später, 1994, werden die blutigen Flüsse Wirklichkeit. Innerhalb dreier Monate, von April 1994 bis Juli 1994, kommt es zum schrecklichen Völkermord in Ruanda. Angehörige des Stammes der Hutu, welche die ethnische Mehrheit in Ruanda bilden, töten in einer Art Blutrausch Stammesangehörige der Tutsi-Minderheit. Die Zahl der Ermordeten beläuft sich nach Schätzungen auf 800.000 Opfer. Marie-Claire, eine der Seherinnen, ist unter den Ermordeten.

Erschreckend auch dies: Der reiche Westen sieht dem Genozid im Grunde tatenlos zu. Die Friedenstruppen der UNO versagen, wirksame humanitäre Interventionen der sogenannten Ersten Welt bleiben aus. Das Blutbad nimmt derart ungehindert seinen Lauf. Filme, die auf wahren Begebenheiten beruhen – wie etwa Hotel Ruanda oder Shooting Dogs –, geben eine Ahnung vom erschütternden Ausmaß der Katastrophe und zeigen zugleich den heldenhaften Einsatz Einzelner – bis zur Hingabe ihres Lebens.

Ruanda. Kibeho. Fernes Afrika. Und wir?

2001 wurden die Erscheinungen der Muttergottes in Kibeho von der katholischen Kirche offiziell anerkannt. Kibeho ist heute Wallfahrtsort, eine große Kirche wurde gebaut. Der Ort selbst, an dem mehr als 200.000 Menschen während des Massakers ums Leben kamen, ist zu einer Stätte der Versöhnung geworden. Nathalie, eine der überlebenden Seherinnen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier zu leben und zu beten und zur Vergebung beizutragen. In einem Interview der österreichischen Missionzeitschrift missio sagt sie: »Maria gab uns eine Botschaft für die gesamte Menschheit: Die Welt hat den Weg eingeschlagen, der zum Tod führt. Sie wollte aber, daß wir Menschen den Weg des Heiles wählen. Und das ist Jesus Christus.«

Ein anderer, der in Kibeho lebt und wirkt, ist der Pallotinerpater Zbigniew Pawłowski. Er betreut als Priester die zahlreichen Pilger des Heiligtums. Er gibt in dem nämlichen Interview zu bedenken: »Grundsätzlich lag den Botschaften derselbe Inhalt zugrunde: Kehrt um, sonst gefährdet ihr euch selbst. Und ich finde, daß diese Botschaft ihre Aktualität nicht mit den traurigen Ereignissen des Jahres 1994 verloren hat. Wenn ich an Europa denke und wie dort mit dem Leben umgegangen wird – Abtreibungen, Euthanasie und dergleichen –, oder wie man Witze über die Kirche und den Glauben macht, dann mache ich mir ebenfalls Sorgen.«

Ja, wenn ich an Europa denke …

Donnerstag, 21. Juli 2016

Die Muttergottes, der Präsident und die Abtreibung

In der soeben publizierten Neuerscheinung des Christiana-Verlags: Jacques Cabaud, Erscheint Maria heute? ist ab Seite 100 folgende Begebenheit nachzulesen:
»Alles hängt mit allem zusammen. Denn alles hängt mit Gott zusammen. Der Mensch jedoch zieht es vor zu vergessen, daß der Himmel mit der Erde in Verbindung steht und daß er mit Mitteln eingreifen kann, die der Notwendigkeit am besten angepaßt sind. Aber wen geht das etwas an?

Augenblicklich scheint die Meinung zu herrschen, daß es Wichtigeres gibt, als den Inhalt von Botschaften aus dem Jenseits zu untersuchen. Sogar Ludwig XIV. reagierte im 17. Jahrhundert nicht auf die Bitte einer unbekannten Nonne aus Paray-le-Monial, die ihm den Sieg versprach, wenn er das Heiligste Herz Jesu als Emblem auf sein Banner setzen würde.

Auf ähnliche Weise empfing ein Souverän, dessen Unbesonnenheit mehr in die Öffentlichkeit drang als die des Sonnenkönigs, eine Botschaft der Muttergottes, mit der Bitte, einem größeren Verbrechen als dem des Ehebruchs ein Ende zu setzen (nämlich dem der Abtreibung).

Im Frühjahr des Jahres 1994 diktierte die Madonna Gianna Talone-Sullivan in Emmitsburg einen Brief an Präsident Clinton und versicherte ihr, dieser Brief würde den Adressaten erreichen, ›aber sie sagte nicht, wie‹.

›Ungefähr einen Monat später, am 5. Juli, stand Gianna in ihrer Küche‹, als ihre Schwester hereinstürmte und ihr sagte, daß Präsident Clinton beim 18. Loch des Golfplatzes spielte, der genau an das Haus der Sullivans angrenzte. Gianna schnappte sich den Brief, stürmte durch die Hintertüre … und rannte auf den Präsidenten zu, ohne von seinen Bodyguards daran gehindert zu werden. (Was für Zufälle!)

Als er das 18. Loch gespielt hatte, rief sie: ›Mr. President!‹ Er kam zu ihr herüber; sie reichte ihm die Hand und sagte: ›Ich bin Dr. Sullivan, Gott segne Sie.‹ Dann gab sie ihm den Brief.

Verblüfft antwortete der Präsident: ›Gut, Dr. Sullivan, ich danke Ihnen sehr‹, und steckte den Brief in seine Tasche.

Im Wesentlichen lautete der Inhalt des Briefes folgendermaßen: ›Es gibt kein Land in der Geschichte der Schöpfung, dem Gott gegenüber sich großzügiger erwiesen hätte als den Vereinigten Staaten. Sie sind der Führer der freien Welt und als solcher müssen Sie das Leben in all seinen Stadien schützen.‹

Einen Staatenlenker zu finden, der weniger bereit gewesen wäre, einem so gearteten Wunsch des Himmels nachzukommen, wäre wahrscheinlich schwierig gewesen. Aber die Muttergottes ist nicht weniger besorgt um die Seele eines Präsidenten als um das Überleben ungeborener Kinder.«

Zu den Zitaten im Text siehe:   Dom Forker, Our Lady of Emmitsburg, Queenship Publishing Co., Goleta CA 2000, 96f.