Freitag, 29. Juni 2018

Die Schlüssel. Zum Leben


Auf die berühmte Frage Jesu an Seine Jünger: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?, antwortet Simon Petrus: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! (Mt 16, 15f)

Was hätten wir geantwortet? Was antworten wir? Heute?

Vermutlich hat man dieses Evangelium schon oft gehört. Und vermutlich hat man oft das wesentliche Adjektiv in der Antwort des Simon Petrus überhört: lebendig.

Hätte Simon Petrus geantwortet: Du bist der Messias, der Sohn Gottes, hätte diese Antwort auch gestimmt. Aber der erste Apostel bekennt mehr, er lobpreist: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!

Der Gott, den Petrus bekennt, ist der lebendige Gott. Er ist nicht der Gott der Toten, nicht der museale Gott und auch nicht der kulturell gezähmte Gott, sondern der durch und durch lebendige Gott.

Guardini hat diesem Gott ein schlichtes Buch gewidmet, dem er den Titel gab: Vom lebendigen Gott. Guardini wußte, daß diese Kennzeichnung ins Herz der Dinge führt. Denn letztlich münden alle unsere theologischen Überlegungen in dieses Prädikat: Daß unser Gott lebendig ist.

Und wenn der Mensch sein Leben ernsthaft betrachtet, wird er feststellen, daß die fundamentale Frage, die seinem Leben eingeschrieben ist, genau diejenige ist, nämlich ob er sein Leben lebt oder nicht lebt. Die Frage nach Leben und Tod ist keine dramatisch ferne, sondern die eigentliche, die alltägliche. Manchmal kann man sie als Graffiti gesprüht an einer Häuserwand finden: Heute schon gelebt? Was sich witzig anhören mag, ist tatsächlich die Frage der Fragen.

Wie aber recht leben?

Die Bibel und mit ihr die katholische Kirche gibt die Antwort: Wer leben will, wahrhaft leben, muß sich an den halten, der DAS LEBEN ist, an Jesus Christus. Nur Ihm, der von sich selbst sagt: Ich bin das Leben (Joh 14,6), ist die Vollmacht eigen, uns zum Leben zu bringen und uns den Weg zum erfüllten Leben zu öffnen. Das heißt zugleich, daß jeder, der sich Christus anheimgibt, von Ihm über kurz oder lang in die schärfste Konfrontation gestellt wird, die da lautet: Mensch, wie hältst du es mit dem Leben?

Das ist zuvörderst keine allgemein unverbindliche Frage, sondern die existentielle: Mensch, wie hältst du es mit deinem Leben? Lebst du oder stirbst du?

Die Möglichkeiten zu sterben, sind heute raffinierter denn je, denn die Götzen sind raffinierter denn je. Wer weiß etwa nicht, daß man heutzutage locker drei Stunden im Internet verbringen kann, dabei einen interessanten Artikel nach dem anderen konsumierend, während man in Wahrheit drei virtuelle Stunden damit verbracht hat, um vor dem Leben zu fliehen?

Vielleicht war die Versuchung des Menschen, den Tod zu wählen, und das heißt den Tod in den unzähligen modernen Masken des Todes zu wählen, nie so massiv und verführerisch wie heute. In dieser kollektiven Anhänglichkeit an die Kultur des Todes (so nannte es Papst Johannes Paul II.) wundert es nicht, daß die nekrophile Sucht bisweilen monströs sichtbar wird.

So wurde etwa im vergangenen Mai bei einer Auktion im New Yorker Sotheby‘s ein neuer Rekordpreis für ein modernes Gemälde erzielt. Der Käufer, ein japanischer Geschäftsmann, legte 110,5 Millionen Dollar hin für das begehrte Objekt. Und was ist auf dem Gemälde zu sehen? - Ein Totenkopf. Der Maler des Gemäldes ist mit 27 Jahren durch eine Drogenüberdosis ums Leben gekommen.

Halten wir nach einem Bild der Kultur des Lebens Ausschau, so könnten wir uns an die Schüssel des heiligen Petrus halten.

Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! So die Antwort des Simon Petrus. Und aus dem Munde Jesu vernimmt der erste Apostel die Worte:

Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein (Mt 16,19).

Die Schlüssel sind zum ikonographischen Symbol des Petrus‘ geworden. Schlüssel schließen, Schlüssel öffnen. Die Schlüssel des Petrus, des Stellvertreters Christi, sind Lebensschlüssel. Das läßt sich am Sakrament der Beichte, dort, wo gebunden beziehungsweise gelöst wird, bestens aufzeigen.

Sünden führen zum Tod, denn sie entfernen vom lebendigen Gott. In der Beichte werden die Sündenverstrickungen gelöst, das Tor zum Leben wird neuerlich geöffnet. Wer dagegen an seinen Sünden eigenwillig festhält, der bleibt gebunden, er verzichtet auf das lösende Wort der Absolution, er wählt die verschlossene Kultur des Todes.

Die Schlüssel des Petrus sind Schlüssel zum Leben. Wie könnte es auch anders sein, schließlich ist er der erste der Apostel, der das Geheimnis des lebendigen Gottes öffentlich bekannt hat.


Grafik: Münster, Überwasserkirche / cathédrale Notre-Dame de Paris / wikicommons