Samstag, 29. Oktober 2022

Die Sonnenblumen

Es ist ein bekanntes Muster: Dort, wo Ideologen das Sagen haben, wird über kurz oder lang die große Kunst attackiert. Bücher werden verbrannt. Ikonen werden zerstört. Statuen werden geköpft.

Warum ist das so?

Weil jede große Kunst der letztlich atheistischen Ideologie den Garaus macht. Große Kunst kündet vom Schönen. Und das Schöne ist ein Transzendentale, es kündet vom Glanz der Wahrheit. Es spricht von Gott.

Dostojewski, der zu seiner Zeit das Heraufkommen des nihilistischen Anarchismus hautnah erlebte, sagte gleichsam apotropäisch, daß die Schönheit die Welt retten werde, denn er wußte um das aufbauende Potential großer Kunst.

Jetzt hat es in London van Gogh erwischt (Monet in Potsdam). Fanatisierte Klimaideologen haben in London eines der berühmten Sonnenblumengemälde des niederländischen Malers mit Tomatensuppe beworfen. Das ideologische Geschwurbel der Täter interessiert wenig. Es ist wie immer: Der Bildersturm wird gerechtfertigt mit moralischem Pathos. Nichts Neues unter der ideologischen Sonne.

Doch sollte sich der Zeitgenosse von der Clique der Gehirnwäscher nicht korrumpieren lassen. Fakt bleibt: Ein großes Kunstwerk wurde mutwillig besudelt. Keine reine Gesinnung kam hier zum Vorschein, sondern eine schmutzige, die sich der Gewalt und der Zerstörung verschreibt. 

Die linken Allesversteher, welche die offensichtliche Gewalt als revolutionären Akt der Selbstbehauptung legitimieren, sollten, wenn sie das Denken noch nicht komplett verlernt haben, bei Gelegenheit über das nachdenken, was Vincent, der Leidgeprüfte, denen, die verstehen wollen, mitteilte:

»Nur wer ein Auge dafür hat, sieht etwas Schönes und Gutes, in jedem Wetter, er findet Schnee, brennende Sonne, Sturm und ruhiges Wetter schön, hat alle Jahreszeiten gern und ist im Grunde damit zufrieden, daß die Dinge so sind, wie sie sind.«
Denn, so ein weiteres Diktum van Goghs:
»Die wirkliche Bedeutung dessen zu verstehen suchen, was die großen Künstler, die ernsten Meister, uns in ihren Meisterwerken sagen, das führt zu Gott; der eine hat es in einem Buch gesagt, der andere in einem Bild.«

 Grafik: Van Gogh, Sonnenblumen, National Gallery, London. wikicommons

Samstag, 22. Oktober 2022

Wer erlöst?

Das Thema der Erlösung ist bei Richard Wagner das Dauerthema, welches seit dem Fliegenden Holländer den Komponisten umtreibt. Die dramatische Wendung erfolgt schließlich im Tannhäuser. Und diese Wendung ist Wagners Trick.

Dazu muß man sich die berühmte Romerzählung im dritten Akt des Tannhäusers anhören. Der schwache Held ist mit den anderen Büßern nach Rom gepilgert, um beim Papst endgültig Vergebung seiner Schuld zu erlangen. Während nun die Mitpilger diese Vergebung in der Tat empfangen und im Pilgersang davon künden, erzählt Tannhäuser bei seiner Rückkehr über das vernichtende Urteil des Pontifex, dessen Gnade er doch so sehnlich erheischte:

(…) und um Erlösung aus den heißen Banden
rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt. -
Und er, den so ich bat, hub an: -
«Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heißem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!» - -
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir.
Tannhäusers trotzige Reaktion auf das päpstliche Verdikt: Er will zurück in den Venusberg und also zurück in den lasziven Untergang.

Was Wagner nicht thematisiert, ist das theologisch zur Gänze Unverständliche der Romerzählung. Denn warum sollte Tannhäuser, der ja seine aufrichtige Reue und Bußbereitschaft in stürmischen Bildern und Beispielen beschreibt, keine Vergebung erfahren? Das macht keinen Sinn. Zum katholischen Verständnis der Reue und Buße gehört geradezu, daß der echte Bußwillige absolviert wird, noch dann, wenn seine Sünde maßlos ist. Der gute Schächer am Kreuz ist, neben ungezählten anderen, das hinlängliche Beispiel.

Was also macht Wagner?

Er trickst. Er trickst, so unsere Deutung, die katholische Kirche aus. Nicht sie soll, kraft ihres sakramentalen Amtes, die Erlösung vermitteln, sondern die hehre Frau, die sich für Tannhäuser sterbend opfert. Damit aber bewegt sich Wagner in seinem altbekannten huis clos. Die Frau wird stilisiert zur Heroine, die von Wagner höchstselbst kanonisiert wird.

Die katholische Kirche kann damit abdanken. Sie ist in Wagners Weltbild überflüssig geworden. Daran ändert auch nichts der herrliche Pilgerchor, der das ganze katholische Register zieht (Gnade, Heil, Reue, Buße, Hölle, Erlösung). Wagner, der Protestant mit seinem gelinde gesagt aus der Bahn geworfenen Liebesleben, mutiert in der Gewandung des Librettisten zum Hohenpriester und schafft endlich die so inbrünstig herbeigesehnte Erlösung in einem Salto Mortale: Er, er selbst, erlöst sich und die holde Geliebte. Kein Sakrament, keine Kirche, kein Amt ist vonnöten. Die Liebe ist’s. Nur: Die Wagnersche Liebe ist eine rein innerweltliche private, noch dann, wenn sie Wagner zur sakralen stilisiert.

Das heißt zugleich, daß jetzt das berauschte Ich beziehungsweise die berauschten Ichs schrankenlos agieren, musikalisch wie thematisch. Tristan ist schließlich der Exzeß der Selbsterlösung. Und wie jeder Exzeß endet er tödlich, bei Wagner freilich in betörenden Klängen.

Fazit: Man hätte Wagner einen blitzgescheiten Dogmatiker an die Seite gewünscht. Aber vielleicht hätte Cosima da ein Wörtchen mitgeredet...

Grafik: wikicommons

Freitag, 14. Oktober 2022

»(…) zu widersetzen.«


Daß das EU-Parlament die Abtreibung zum Menschenrecht deklarieren will, ist seit langem bekannt. Der österreichische Gesundheitsminister sowie die Justizministerin reagieren auf die Vorstöße der EU-Bürokraten mit einer Stellungnahme, in der sie für Österreich ein flächendeckendes Angebot an Möglichkeiten zur Abtreibung einfordern, und dies mit der Behauptung, die »Möglichkeit der selbstbestimmten, freien Wahl sicher(zu)stellen«, und dem Befehl, daß die »höchstpersönlichen Entscheidungen [der Frauen] zu akzeptieren« sind.

An dieser Stellungnahme ist alles falsch.

Gesundheitsminister und Justizminister sind nicht dazu da, Tötungen »flächendeckend« zu forcieren, sondern ganz im Gegenteil dafür zu sorgen, daß den Bürgern des Staates Leben und Gesundheit bestmöglich erhalten bleiben. Ist besagten Ministern entgangen, daß die Abtreibung ein Kind tötet und darüber hinaus auf alle Beteiligten zerstörerisch wirkt?

Das permanente Gerede von der Entscheidungsfreiheit der Frau macht die Aussagen der Regierungsbeamten nicht besser. Denn erstens ist die Frau, was Studien belegen, allzuoft nicht frei, sondern steht unter massivem Druck; zum zweiten geht es nicht um »höchstpersönliche Entscheidungen«, sondern darum, ob die Frau dem Urteilsspruch ihres Gewissens folgt oder nicht folgt. Robert Spaemann hat diesbezüglich in aller Deutlichkeit festgehalten:
»Das Wort ›Gewissensentscheidungen‹ ist (…) irreführend. Entscheidungen können dem Gewissen entsprechen oder widersprechen. Aber wenn sie dem Gewissen entsprechen, dann heißt das nicht, daß ›das Gewissen entschieden hat‹, sondern daß der Mensch so entschieden hat, wie es dem Urteil des Gewissens entspricht.« (in: Personen, Kapitel »Gewissen«, 175–190, hier 183).
Zum Dritten: Akzeptieren heißt anerkennen, billigen, einverstanden sein. Ein Minister sollte eigentlich in der Lage sein, zu verstehen, daß die absichtliche, gewaltsame Tötung eines wehrlosen Kindes nie und nimmer »zu akzeptieren« ist.

Und der Christ?

Der Christ muß sich widersetzen.

Der Widerstand gegen politische lebensfeindliche Maßnahmen, die jeder rechtlichen Grundlage entbehren, ist für den Christen keine Option unter ferner liefen, sondern eine Verpflichtung. Man lese dazu die lehramtliche Klarstellung in der Enzyklika Evangelium vitae des heiligen Papstes Johannes Paul II., welches Schreiben man zurecht die Magna Charta des Lebensschutzes genannt hat. Unter Nr. 73 steht dort die Aufforderung:
»Abtreibung und Euthanasie sind also Verbrechen, die für rechtmäßig zu erklären sich kein menschliches Gesetz anmaßen kann. Gesetze dieser Art rufen nicht nur keine Verpflichtung für das Gewissen hervor, sondern erheben vielmehr die schwere und klare Verpflichtung, sich ihnen mit Hilfe des Einspruchs aus Gewissensgründen zu widersetzen.«
Am Samstag, dem 15. Oktober 2022, hat jeder beim Marsch für's Leben in Wien die Möglichkeit, gegen die mörderischen Abtreibungsgesetze Widerstand zu leisten. Treffpunkt: 13.30 Uhr Karlsplatz. Zuvor um 11.00 Uhr Heilige Messe in der Peterskirche, Erster Bezirk. Zelebrant: S. Exz. em. H.H. Klaus Küng.

Grafik: Photo by Michal Bar Haim on Unsplash