Samstag, 25. April 2020

Empfangen

  
Seid dankbar, heißt es beim Apostel Paulus (Kol 3,15).

Es mag lange in einem Leben dauern, bis man diesen Imperativ versteht. Warum dankbar sein, wenn einen innere und äußere Verletzungen quälen, wenn das Leben aus den Fugen gerät, wenn ein Mensch an meiner Seite stirbt?

Die Antwort der Heiligen ist die immerselbe: Weil Gott die Liebe ist.

Und der Liebende gibt. Immer.

Die wesentliche kultische Feier der Christen heißt nicht umsonst Eucharistie, was ja meint: Danksagung. Die heilige Messe ist eine Danksagungsfeier. Wir danken dem Gott, der uns liebt und dessen Liebe, wie es der Evangelist Johannes benennt, bis zum Äußersten geht.

Die Osterzeit ist eine fünfzigtägige Einübung in die Dankbarkeit, in das Geheimnis, daß es jemanden gibt, der mich liebt, und der diese Seine Liebe nicht mit schönen, konsequenzlosen Worten anpreist, sondern der tatsächlich diese Liebe gelebt und geoffenbart hat: Am Kreuz.

In der Mitte der hl. Messe, der Danksagungsfeier, ist die Wandlung, in der die Gaben von Brot und Wein verwandelt werden in den Leib und das Blut Christi. In diesem heiligen Augenblick spricht der Priester in persona Christi, die Worte: Accipite et manducate ex hoc omnes. Korrekt übersetzt heißt dies: Empfangt und eßt alle davon.

Das deutsche Meßbuch übersetzt die lateinischen Worte allerdings anders. Da heißt es: Nehmt und eßt.

Accipere heißt freilich nicht nehmen, sondern empfangen, hinnehmen. Das ist keine Rabulistik, sondern einfache Sprachschulung, und erst diese führt mitten in das Mysterium. Denn das Heilige, und in diesem Falle das Allerheiligste, können wir uns nicht nehmen, sondern stets nur empfangen. Wo wir gewohnheitsmäßig oder aus Gier oder selbstherrlich nehmen wollen, entzieht sich der Heilige. Sakramente sind Geschenke, keine Waren. Wenn der Herr uns Seinen Leib zur Speise reicht, dann ist dies ein Reichen, welches den Empfänger bereichert, vorausgesetzt der Empfänger versteht, daß er der unfaßbar Beschenkte ist.

Wenn man dies bedenkt, versteht man vielleicht besser unsere Mühen mit dem Danken. Wenn man tagein tagaus getrimmt wird auf die egoistische Position des autonomen Zupackens und Nehmens, weil das bereite, stille Empfangen als schwächliches Ausgeliefertsein geschmäht wird, da verliert irgendwann auch das Mysterium seine tiefe Bedeutung, derart, daß man meint, sich auch des Sakraments habhaft machen zu können.

Doch die Wahrheit, wie Nikolaus von der Flüe sagt, bleibt da. Vor Gott sind wir alle Empfangende. Und da die Eucharistie das Geheimnis aller Geheimnisse ist, bestrahlt sie unser ganzes Leben und will uns schließlich dieses Leben erhellen als das, was es wahrhaft ist: Geschenk. Gabe. Geheimnis.

Grafik: Photo by Shalone Cason on Unsplash
                                                                                                    

Samstag, 18. April 2020

Der dritte Tag


Einer der offiziellen Titel der Muttergottes lautet: Ursache unserer Freude (causa nostrae laetitiae).

Im Licht von Emmaus versteht man diesen Titel nochmals besser.

Maria ist diejenige, die, noch durch die Finsternis des Karsamstags hindurch, den Glauben bewahrt. Maria zweifelt nicht an ihrem Sohn. Sie glaubt Seiner Verheißung, daß Er, wie Er es gesagt hat, am dritten Tage auferstehen wird. Eben deswegen ist es unmöglich, Maria als eine Hoffnungslose und Unglückliche am Ostermorgen sich vorzustellen. Diejenige, die geglaubt hat, ist am Ostermorgen keine Verzweifelte. Sie wartet, sehnsuchtsvoll, und wird diejenige sein, die ihr Sohn in der Frühe des Ostersonntags als Erste besucht. Sie ist und bleibt die Ursache unserer Freude.

Die Emmausjünger dagegen sind am Ostertag, wie Lukas berichtet, in der Traurigkeit – sie blieben traurig stehen. An die Auferstehung glauben sie nicht, die Hoffnung haben sie aufgegeben - wir aber hatten gehofft. Darum tadelt sie der Herr: O ihr Törichten!

Um recht zu verstehen: Es gibt sehr wohl Gründe, traurig zu sein. Der Karfreitag ist ein schrecklicher, trauriger Tag. Der Karsamstag ist ein schrecklicher, trauriger Tag. Wie könnte es anders sein? Die Menschen töten ihren Erlöser. Der Erlöser liegt im Grab. Gibt es Schrecklicheres und Traurigeres?

Aber der dritte Tag ist ein anderer Tag. Der dritte Tag ist kein Tag der Trauer. Darum auch gehört es zu den Vorhersagen Jesu, daß Er dann, wenn er von Seinem Leiden spricht, es nicht bei den Leidensansagen beläßt, sondern stets das entscheidende Faktum nennt, nämlich daß er am dritten Tage auferstehen wird (siehe etwa die drei Leidensankündigungen beim Evangelisten Markus: 8,31ff; 9, 30ff; 10,33ff).

Die Emmausjünger sind in der Traurigkeit, weil sie eben an diesen dritten Tag, wiewohl Jesus ihn vorhergesagt hat, nicht wirklich glauben. Nicht umsonst gehen sie aus Jerusalem, der lukanischen Stadt, wo sich das Heil vollzieht, weg. Sie gehen weg, weil sie an das Heil nicht glauben. Erst am Ende der Erzählung, als der Herr ihnen die Augen geöffnet hat, gehen sie zurück nach Jerusalem und also in die Stadt der Erfüllung und also in den Osterglauben hinein.

Mit anderen Worten: Der Unglaube führt in  die Traurigkeit, der Glaube in die Freude. Wenn Jesus sagt: So und so verhält es sich, dann lautet die Antwort des Jüngers: Ja, Herr, ich glaube. Und dieses Einverständnis führt in die Freude.

Selbst Maria Magdalena, die weiß Gott eine große Liebende ist, muß in ihrer Liebe wachsen und sich folglich die Frage der Engel am leeren Grab anhören: Frau, warum weinst du? Und ein zweites Mal die exakt gleiche Frage aus dem Mund Jesu: Frau, warum weinst du?

Warum? Ist diese Frage nicht unmenschlich angesichts der Fakten? Hat Maria Magdalena nicht alles Recht der Welt, zu weinen?

Ja, weltlich gesehen hat sie recht zu weinen. Aber der Herr führt Seine Freunde nicht in die Welt, sondern in die Über-Welt, denn ihr seid gestorben und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott (Kol 3,3). Er will nicht, daß wir weltlich rechnen, sondern daß wir übernatürlich glauben. Wenn wir dies auf Sein Geheiß hin tun, dann hört das Weinen auf, dann ist der dritte Tag angebrochen.

Grafik: Piero della Francesca. wikicommons

                                                       

Montag, 13. April 2020

Emmaus

Wer kennt sie nicht, die Geschichte der beiden Emmausjünger.

Da gehen zwei Niedergeschlagene. Ihre große Hoffnung – Jesus von Nazareth – ist einen schmählichen Tod gestorben. Wir hatten gehofft, daß er der sei, der Israel erlösen werde. Der ersehnte Messias wurde gekreuzigt.

Und zu diesen zwei Niedergeschlagenen gesellt sich ein Fremder. Und spricht mit ihnen, und fragt sie. Und diesem Fremden gegenüber, den sie nicht erkennen, erzählen sie ihre Verzweiflung, die sie für durch und durch gerechtfertigt halten.

Und was sagt der Fremde?

Er sagt zu ihnen: O stulti. So heißt es im Lateinischen. Das Deutsche übersetzt reichlich brav: Begreift ihr denn nicht? Das Lateinische ist treffender. Es schreibt: O ihr Dummen, ihr Narren. Die Beiden, die da meinen, den Fremden belehren zu müssen, sind nicht gescheit, sondern dumm.

Wie bitte?

Ist die Tatsache, daß man einen Gekreuzigten für eine Zumutung hält, jedenfalls nicht für den ersehnten Messias, eine Dummheit?

Ja, genauso ist es.

Die Beiden hätten eine Entschuldigung, wenn es die Heiligen Schriften nicht gäbe und wenn es die Worte Jesu nicht gäbe. Hatte er nicht selbst seinen Jüngern mehrmals genau dies in aller Deutlichkeit gesagt: Daß der Messias leiden müßte, verspottet werden würde, gekreuzigt würde, aber am dritten Tag auferstehen würde?

Das aber heißt, die Beiden hätten einfach den göttlichen Worten Glauben schenken sollen. Hier gibt es kein Herumlavieren, kein wenn und vielleicht und aber, sondern schlicht und einfach das marianische Ja des Glaubens, gerade dann, wenn es unseren menschlichen Horizont sprengt. Und auch dies wurde uns bekanntlich gesagt: Meine Gedanken, so spricht Gott bei Jesaia, sind nicht eure Gedanken, und eure Weg nicht Meine Wege.

Naturgemäß gefällt uns diese Logik nicht. Wer will schon als der Dumme dastehen? Mit unseren Argumenten wollen wir schlau sein und gut ankommen. Wir wollen es besser wissen, notfalls besser als der Liebe Gott höchstpersönlich. Bist du so fremd in Jerusalem, daß du als einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Diese Frage der beiden Emmausjünger, ausgerechnet an den Auferstandenen, drückt unsere unverbesserliche Besserwisserei schlagkräftiger aus als lange Umschreibungen. Und es wäre gut, sich anhand dieses Evangeliums mal die Frage zu stellen, an sich selbst gerichtet, worin meine notorische Dummheit besteht.

Gott sei Dank hat derjenige, den wir belehren wollen, viel Geduld und Mitleid mit uns kleinen, dummen Besserwissern. Und nochmals Gott sei Dank weiß der Dritte auf dem Wege, daß hinter unserer sturen Dummheit oft ein lauteres Herz, das eigentlich brennen will, nur darauf wartet, endlich durch den einzigen Retter erlöst zu werden – auch von der eigenen Verbohrheit, die letztlich Unglauben ist.

Und eben deswegen geht der Dritte den Weg mit uns. Um uns zu erlösen. Um uns die Augen zu öffnen in das Geheimnis des Glaubens hinein. In das Geheimnis der größeren Gedanken und der größeren Liebe hinein. In diesem Geheimnis aber hört jede Besserwisserei auf. 

 
Grafik: wikicommons 

Freitag, 3. April 2020

Die Liebe in Zeiten der Epidemie IV


»Die meisten Menschen schockiert es, eine Katze zu sehen, 
die einen Vogel erlegt.
Es ist erstaunlich, wie viele von ihnen 
nicht die geringste Gefühlsregung verspüren,
wenn sie Woche für Woche hören,
daß Gott getötet wurde.«

Dorothy L. Sayers

Grafik: Photo by Christoph Schmid on Unsplash