Samstag, 7. August 2021

Hl. Giuseppe Moscati V

Die Eucharistie

Als Giuseppe Moscati am 12. April 1927 in Neapel stirbt, stirbt er als Armer. Sehr still, unbemerkt, zuhause in seinem Sessel. Am Morgen hat er die heilige Messe besucht. Danach geht er wie gewohnt auf Visite ins Spital. Das Mittagsmahl nimmt er zuhause ein. Da er sich erschöpft fühlt, will er etwas ausrasten. Es ist seine letzte irdische Rast. Ein Schlaganfall, wie die Diagnose lautet. Es ist der Dienstag der Karwoche, gegen fünfzehn Uhr am Nachmittag.

Oft hatte er gesagt: »Hört doch auf mit dem Geld! Das Wichtigste ist doch, daß ich den Kranken besuche.« Diese Losung hatte er sein ganzes Leben lang wahrgemacht. Die Liebe zu den Armen war tatsächlich Liebe gewesen, so sehr, daß er der Arme unter den Armen wurde.

Und diese Armen kommen allesamt herbei, als sie von seinem Tod erfahren. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: È morto il medico santo. Das Begräbnis für den »heiligen Arzt«, wie er schon zu Lebzeiten immer wieder genannt worden war, gestaltet sich zu einem herrlichen Triumph.
 
1880 geboren als Giuseppe Mario Carolo Alphonse Moscati, als Sohn des hochangesehenen Gerichtsbeamten Francesco Moscati und dessen Gattin, der Gräfin Rosa de Lucca, vollendet sich 47 Jahre später dieses Leben der Hingabe im sinnfälligen Zeichen. Denn es ist der hohe Donnerstag, der Gründonnerstag, der Tag der Einsetzung der heiligsten Eucharistie, an dem Moscati zu Grabe getragen wird. Hatte er nicht aus dem bleibenden Sakrament der Liebe gelebt? Hatte er nicht in den ihm anvertrauten Armen das Antlitz des Herrn geschaut? War er nicht, in seinem Leben wie in seiner Arbeit, stets von einem Tabernakel zu dem anderen Tabernakel gegangen?

60 Jahre nach seinem Tod, am 25. Oktober 1987, wird Giuseppe Moscati heiliggesprochen. Das zur Kanonisation erforderliche Wunder ereignet sich an einem jungen Mann namens Giuseppe Fusco, der an Leukämie erkrankt ist. Dessen Mutter schaut in einem Traum einen Arzt im weißen Kittel, den sie später, als ihr Pfarrer ihr ein Foto des seligen Moscati zeigt, als eben den Mann erkennt, der ihr im Traum erschienen ist. Daraufhin wird Moscati um Fürsprache angerufen. Und der lebensgefährlich Erkrankte wird auf unerklärliche Weise wieder gesund und kann seine Arbeit wieder aufnehmen.

Der Gedenktag des Heiligen, welcher der erste heiliggesprochene Arzt der Moderne und Patron der Ärzte ist, ist der 12. April. Dargestellt wird er vorzugsweise im weißen Arztkittel. 

In der Kirche Gesu Nuovo, wo er seine letzte Ruhestätte fand, schmückt ein großformatiges Relief seine Grablege. Das Relief ist als Triptychon angelegt. Zur Linken ist Moscati als Professor am Katheter vor seinen Studenten abgebildet. Zur Rechten schaut der Betrachter den heiligen Arzt am Bett seiner Patienten. Der Mittelteil des Triptychons zeigt die Lebensmitte Moscatis. Der Arzt neigt sich zu einer Mutter, die ihm ihr Kind entgegenhält. Am Firmament leuchtet dabei die Sonne, die Arzt, Mutter und Kind bescheint – die Eucharistie.  

Grafik: Kapelle zur Ehre des Heiligen. Mit Dank an: sacerdos-viennensis.blogspot.com


Dienstag, 3. August 2021

Hl. Giuseppe Moscati IV

Die Liebe

Bereits während seines Studiums hatte er die unsäglichen Reduktionen einer Wissenschaft erlebt, die sich dünkte, das neue, allumfassende Erklärungsmodell der Welt zu sein. Häckels antihumanes biogenetisches Grundgesetz war in aller Munde. Feuerbachs vernichtende Kritik am Christentum erreichte die Hörsäle. Darwins Abstammungslehre mutierte zur neuen Religion. Wissenschaft, so das mehr und mehr um sich greifende Dogma, hatte positivistisch zu sein, naturalistisch, materialistisch – so oder so ähnlich hießen die Schlagwörter. Davon hatte sich Moscati nie beeindrucken, geschweige denn anstecken lassen. Sein Glaube war der Glaube seiner Väter: Stark, erdverbunden, fest verwurzelt, demütig-einfach. Und dieser Glaube war kein Widerspruch zu seiner eifrig betriebenen Forschung, sondern erhellte und überwölbte das wissenschaftliche Erkannte, so daß es ein intelligentes Ganzes wurde. Nicht die pompöse Parole war Moscatis Motto, sondern die unauffällige Mystik der alltäglichen, treuen Tat, die die Hierarchie der Werte kennt:  »Nicht die Wissenschaft, sondern die Liebe hat die Welt verändert«, schrieb er einem seiner Studenten, und diese Liebe vermöge jeder zu leben.

Zu dieser gelebten Mystik gehört gleichfalls das geduldige Ertragen von Kollegenneid, von Verunglimpfungen und Verleumdungen. Er ist bekannt dafür, daß er unfaire Stellenbesetzungen freimütig ablehnt, ebenso die Postenschieberei gemäß Beziehungen und gesellschaftlichem Einfluß. 

Mit 42 Jahren, im Oktober 1922, als ihn körperliche Schmerzen und die Opposition eines Kollegen, den er unterstützt hatte, besonders heimsuchen, gibt er sich selbst die Weisung: »Liebe die Wahrheit; zeige dich, wie du bist, ohne Verstellung, ohne Angst und ohne Rücksicht. Und wenn dich die Wahrheit Verfolgung kostet, so nimm sie an; und wenn es eine Qual ist, ertrag sie! Und wenn du für die Wahrheit dich selbst und dein Leben opfern müßtest, sei stark im Leid.«

Mit dieser Haltung des aufrechten Ganges geht Hand in Hand der gerade, weite Blick. Kunst interessiert ihn, ebenso Architektur und die klassische Antike. 1923, während der Sommerzeit, reist er nach Paris und London. In der englischen Hauptstadt besucht er die National Gallery und ist, wie er später notieren wird, begeistert von den großen italienischen und flämischen Malern - da Vinci, Rubens, van Dyck. Aber auch ein Zeitgenosse, der große amerikanische Portraitist John Singer Sargent, findet seine Bewunderung.

In den, nach Moscatis Tod, gesammelten Berichten und Zeugnissen fällt eines auf: Gleich ob Patient, Professor, Kollege, Student, Freund, sämtliche Gefährten auf dem Wege sind berührt von der ausstrahlenden Güte des bescheidenen Arztes. Diese ist offensichtlich keine aufgesetzte Pose, sondern der Habitus desjenigen, der in seinem Tagebuch festhält: »Deine Liebe, Herr, lenkt mich hin zu den Menschen und zur Schönheit alles Geschaffenen, zu Deinem Abbild und Gleichnis.« 

Grafik: Kapelle zu Ehren des Heiligen in Neapel. Mit Dank an: sacerdos-viennensis.blogspot.com