Donnerstag, 24. Mai 2018

Die Seifenblasen


Wenn man jedes Jahr über 300.000 Abtreibungen und also über 300.000 Kindstötungen allein in Amerika zu verantworten hat, dann weiß auch die (ehemalige) Chefin des weltweit größten Abtreibungskonzerns Planned Parenthood, daß diese Statistik bei etlichen Amerikanern nicht so gut ankommt. Was tun?

Der Trick ist einfach. Man manipuliert die Sprache. Nicht nur, daß Abtreibung als Gesundheitsservice (»health service«) dargestellt wird. Es kommt noch besser: Eigentlich verdient der Abtreibungskonzern, so das immer wiederkehrende Mantra, ja nicht an Abtreibungen, sondern vielmehr an den anderen Basisleistungen für Frauen – etwa den Mammographien.

Und dieses wohlfeile Mantra wiederholen sodann die Anhänger des Konzerns, zumal die VIP‘s, zum Beispiel der einstige US-Präsident Obama, der seit Bill Clinton zu den vehementesten Befürworten der Abtreibungsagenda zählte und eingeschworener Intimus der Abtreibungschefin war.

Das Dumme ist nur, daß es die Recherchen der Lebensschützer gibt, die die Seifenblasen der Abtreibungsindustrie zum Platzen bringen. Was die Welt der Abtreibungsindustrie zusammenhält, ist nämlich das Immerselbe: Das falsche Spiel, das tödliche Neusprech. Die Mimikry und der Mammon.

Wer dies für eine böswillige Unterstellung hält, sollte sich das folgende Kurzvideo anschauen. Ms. Richards, die heuer zurückgetretene Chefin des Abtreibungskonzerns, muß 2015 – nach publik gewordenen Skandalen in ihren Abtreibungsstätten – ein peinliches Verhör im Kongreß über sich ergehen lassen. Dabei gesteht sie ein, daß - man höre und staune - es in ihren Einrichtungen keine Mammographiegeräte gäbe und dies auch nie behauptet worden sei.

Im Gegenschnitt sieht und hört man jedoch genau das Gegenteil. Aus dem Munde derselben Ms. Richards, der Chefin von Planned Parenthood, wird - man höre und staune - noch wenige Jahre zuvor hochdramatisch behauptet, daß dann, wenn ein restriktives Abtreibungsgesetz in Kraft treten würde, welches die aus Steuergeld finanzierten Subventionen für den Abtreibungskonzern kürzen würde, eben dann millionenfach Frauen grundlegende Gesundheitsleistungen entbehren würden, etwa Mammographien.

Da haben wir es wieder, das altbekannte Mantra, die Seifenblase. Planned Parenthood als die Speerspitze gynäkologischer Gesundheitsservices mit den wunderbaren Mammographieangeboten, die es freilich de facto überhaupt nicht gibt, weil sie schieres Nirwana sind.

Man braucht die folgenden eine Minute und sechs Sekunden nicht weiter zu kommentieren. Wer Ohren hat zu hören, der höre:

Grafik: Photo by Julie Laiymani on Unsplash

Freitag, 18. Mai 2018

Die Gabe der Einsicht


Es bedarf keiner hellseherischen Verkrampfungen, um wahrzunehmen, daß die Gabe der Einsicht (auch Gabe des Verstandes genannt) – eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes - heute an allen Ecken und Enden fehlt.

Denn mit dieser Gabe der Einsicht ist, kurz gesagt, das übernatürliche Vermögen des Menschen gemeint, die geschaffene Welt recht wahrzunehmen, das Erkannte recht einzuordnen und die Geschichte unter dem Blickwinkel der Heilsgeschichte zu deuten.

Die Gabe der Einsicht ist nicht zu verwechseln mit einem exorbitanten Intelligenzquotienten, so als sei der weltlich Schlaue der vom Heiligen Geist besonders Bevorzugte. Die Gaben des Heiligen Geistes sind allesamt übernatürliche Gaben, das heißt sie werden uns eingesenkt (etwa im Sakrament der Taufe) und befähigen uns derart – vorausgesetzt, wir werden Mitarbeiter des Heiligen Geistes und pflegen die uns geschenkten Gaben - zu einer Sicht, die das natürliche Erkennen übersteigt und zu dessen Vollendung führt. Ein frommer Bauer kann daher durchaus mehr wahre Erkenntnis des Geschaffenen an den Tag legen als ein gewiefter Geschäftsmann.

Will man wissen, wie denn die Pflege der Gaben ausschaut, sollte man einen beherzten Blick in die Psalmen werfen. Dort ist derjenige, der das Geschaffene erkennt, der es ein-sieht, der folglich die Schrift des Geschaffenen recht zu lesen versteht (im Lateinischen: intelleget), derjenige, der Tag und Nacht über die Weisungen Gottes nachsinnt.

Eben so, im betrachtenden Gebet, im liebevollen Bedenken der Rechtsvorschriften des Schöpfers, kommt der Beter dahin, das Rechte des Geschaffenen zu erkennen, d.h. den herrlichen Sinn, der im Geschaffenen anwesend ist. Man betrachte etwa den großen Psalm 118, Vulgata, der mit dem programmatischen Vers einsetzt: Beati immaculati in via: qui ambulant in lege Domini. Glückselig die, deren Weg makellos ist, die wandeln im Gesetz des Herrn.

Der Gegenspieler des Erkennenden wird von der Bibel als der Törichte, der Dumme, der Tor, der Uneinsichtige bezeichnet. Dieser wähnt sich selbstherrlich im Besitz der Vernunft, während er in Wirklichkeit doch nur seinen eigenen Fabeleien hinterherrennt und sich selbst und andere durch seine Einbildungen in die Irre führt.

Um den Gegensatz, zumal für das Heute, an einem markanten Punkt zu demonstrieren: Der wahrhaft Einsichtige erkennt zum Beispiel den Sinn der Zeit, seiner eigenen Lebenszeit wie den Sinn von Zeit allgemein. Er weiß, daß sein Status der des Pilgers ist, der das Ziel vor Augen hat – den Himmel, wie der Apostel Paulus es nennt: Unsere Heimat aber ist im Himmel (Phil 3,20).  Seine Frage ist nicht die des hektischen modernen Adepten: Was bringt mir das?, sondern die Frage des jungen heiligen Aloysius: Was bringt mir das für die Ewigkeit.

Will man ein leuchtendes neutestamentliches Beispiel für die praktizierte Gabe der Einsicht, so schaue man auf Maria, die Immaculata, die Braut des Heiligen Geistes. Ihr Magnificat (LK 1, 46ff) zeigt überhell die Erkenntnisse des wahrhaft vernünftigen Menschen. Die Illusionen haben keine Macht über ihn. Er kennt den Platz des Demütigen und den Platz des Stolzen. Er weiß um die unerschütterliche Erhabenheit und Vollmacht Gottes. Er sieht, als wahrhaft Erleuchteter, die Geschichte als Heilsgeschichte und vermag, trotz aller vordergründigen Machinationen eines glitzernden, rasend dem Abgrund zuhastenden Zeitalters, im Lobpreis zu bleiben, denn er weiß, aus Einsicht: SEIN Name ist heilig. 

Grafik:
Maria Knotenlöserin, von Johann Georg Melchior Schmidtner (1625-1705). commons.wikimedia (Ausschnitt)

Freitag, 11. Mai 2018

Loslassen III


Er war berühmt. Er war der Entdecker der Chromosomenanomalie, die unter dem Namen Trisomie 21 bekannt wurde. Er hatte etliche wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten, unter anderem die weltweit bedeutendste Auszeichnung im Bereich der Genetik. Er war der erste Präsident der von Johannes Paul II. gestifteten Päpstlichen Akademie für das Leben. Und er war ein Geächteter.

Denn der weltberühmte Genetiker und Pädiater Jérȏme Lejeune ließ sich nicht korrumpieren von Ruhm, Erfolg, wissenschaftlicher Karriere und medizinischem Prestige. Was ihn auszeichnete, war seine uneingeschränkte Liebe zum Leben, und das schloß die Liebe zu den Ungeborenen, den Behinderten, den Ausgestoßenen ein, die er zärtlich meine Kleinen nannte.

Lejeune weigerte sich, Pränataldiagnosen durchzuführen, deren Ziel eine Abtreibung war. In etlichen Stellungnahmen vor Wissenschaftlern und ebenso vor politischen oder juristischen Gremien trat er unmißverständlich für den vollständigen Schutz des Lebens ein, das, wie er anhand seiner Forschungen nachwies, nicht irgendwann beginnt, sondern bei der Empfängnis, so daß der Mensch stets, in welchem Stadium auch immer, Mensch ist.

Bei all seiner ausgedehnten Forschungsarbeit vergaß Lejeune dabei nie den eigentlichen Schwerpunkt seiner Arbeit: Die Begegnung mit seinen Patienten am Krankenbett, das persönliche Gespräch, die Zuwendung zum Gegenüber, die Sorgfalt jedem Einzelnen gegenüber, denn dieser Einzelne war der je Einzelne, kein Fall, sondern die unschätzbare, nicht auswechselbare Person.

Er hätte es leichter haben können. Er hätte sich, wie man so sagt, arrangieren können mit dem Zeitgeist, welcher mehr und mehr der Ungeist der medizinischen Machbarkeit wurde, der Geringschätzung des Lebens, der Abtreibung, der Embryonenvernichtung, der Experimente am Menschen. Er hätte auch reich werden können, dotiert, vermögend. Er hätte den Nobelpreis erhalten können, denn er war der Kandidat für diese Auszeichnung.

Aber Jérȏme Lejeune wählte den integren Weg. Seine Tochter berichtet über ihren Vater:

»Hier ist ein Mann, der sich aufgrund seiner ärztlichen Überzeugungen den Trends der Zeit verweigerte und eben deshalb von der Gesellschaft geschnitten wurde, von Freunden fallen gelassen, gedemütigt, von der Presse gekreuzigt, an seiner Forschungsarbeit durch Budgetkürzungen gehindert wurde. Hier ist ein Mann, den manche kleinkriegen wollten, für andere war er ein Mann, für den es sich nicht lohnte, den eigenen Ruf zu kompromittieren; und für wieder andere war er ein inkompetenter Extremist.«

Eine seiner Mitarbeiterinnen stellt Lejeune das folgende Zeugnis aus:
»Was mich betrifft, so bestand die wertvollste seiner Leistungen in dem Wandel, den er in mir bewirkte. Als ich in Frankreich ankam, lebte ich ein Leben, das zwischen Glauben und Vernunft aufgeteilt war. Von Montag bis Samstag, so dachte ich, ziehe ich für meine wissenschaftlichen Aufgaben meinen weißen Arztkittel an; am Sonntag ziehe ich sodann den weißen Kittel aus, ziehe mein Kruzifix an und komme meinen religiösen Verpflichtungen nach. Professor Lejeune bekehrte mich gründlich, indem er mir klar machte, daß man den weißen Kittel und das Kreuz tragen kann, und zwar gleichzeitig. Mit anderen Worten: Man kann sowohl mit den Flügeln des Glaubens wie mit den Flügeln der Vernunft fliegen.«

Johannes Paul II., befreundet mit Lejeune, schrieb in seinem Nachruf auf den Freund: »Er war bereit, zum Zeichen des Widerspruchs zu werden, ohne sich um den Druck seitens der freizügigen Gesellschaft zu kümmern oder um die Verfemung, der er ausgesetzt war.«

Nach einer wissenschaftlichen Konferenz in San Francisco, bei der er mit einem renommierten Preis ausgezeichnet worden war, hatte Lejeune in seiner anschließenden Festrede sein ärztliches Credo dargelegt Am Abend desselben Tages schrieb er an seine Frau: »Heute Nachmittag habe ich meinen Nobelpreis verloren.« Denn auch den Nobelpreis galt es loszulassen.

Jérȏme Lejeune: Familienvater. Kinderarzt. Genetiker. Christ. Er stirbt am 3. April 1994. Es ist der Ostersonntag.

Grafik: Fondation Jérȏme Lejeune

Freitag, 4. Mai 2018

Loslassen II


Eines seiner letzten Worte an seine Gemahlin ist: »Ich liebe dich unendlich.«

Am Tag vor der kirchlichen Trauung sagt der zukünftige Kaiser zu seiner Verlobten Zita: »Jetzt müssen wir uns gegenseitig in den Himmel helfen.«

In ihre Eheringe lassen sich Karl und Zita die lateinischen Anfangsworte des ältesten Mariengebetes der Christenheit eingravieren: Sub tuum praesidium confugimus, sancta Dei Genitrix  (Unter deinen Schutz und Schirm…).

Die Geschichte von Kaiser Karl und Kaiserin Zita ist – ineins mit der Geschichte der Politik und des Hauses Habsburg – auch die Geschichte einer großen Liebe. Liest man über das Paar, so ist man versetzt in eine andere Welt. Nicht in eine fremde Welt oder gar in eine illusorische, sondern vielmehr in die echte Welt, in die reale.

Am Traualtar versprechen die Brautleute einander die Treue, in guten wie in bösen Tagen, bis der Tod sie scheidet. Das Herrscherpaar Karl und Zita lebt diese Liebe. Der Thronfolger und der spätere Monarch ist ein liebevoller Familienvater, auch wenn ihm die politischen Geschäfte wenig Zeit für die Familie lassen. Die Kaiserin ist in allem die wahre Gefährtin ihres Mannes, diskret, unverbrüchlich, in grandioser Treue. Eine starke Frau, wer findet sie?, fragt das biblische Buch der Sprichwörter 31,10. In Zita findet Karl diese starke Frau.

Zessner-Spitzenberg berichtet in seinem Charakterbild des Herrschers, Kaiser Karl, ausführlich über die letzten Tage des Verbannten. Die Siegermächte fällen ein Schandurteil: Der Kaiser wird in erniedrigender Weise der Heimat verwiesen und zusammen mit seiner Gemahlin ins Exil, ins abgelegene Madeira, verfrachtet. Es sagt mehr als etliche Kommentare, wenn man liest, daß den Verbannten, auf ihrem Transport in das Exil, die heilige Messe als Beistand der katholischen Kirche verweigert wird, obgleich der Kaiser mehrmals um diese Gunst bittet.

In den Tagen des Exils reifen die letzten, unabänderlichen, ewigen Entschlüsse des Herrschers.
»In all diesen Tagen«, so Zessner-Spitzenberg, »schien der Kaiser innerlich nach Klarheit in einer wichtigen Frage und um einen entscheidenden Entschluß zu ringen. Er habe schon längere Zeit das Gefühl, sagte er, Gott wünsche von ihm das Opfer seines Lebens zur Rettung seiner Völker. Fassungslos vermochte Kaiserin Zita kein Wort zu erwidern. Der Kaiser schwieg und schien zu warten. Dann, während seine Augen erneut die Marienkirche am Berge suchten, schloß er mit großer Festigkeit: Und ich werde es tun!
Kaiserin Zita flehte in ihrem Innern, Gott möge es bei diesem Gedanken bewenden lassen. Der Kaiser jedoch begann von jenem Tage an, ihr Ratschläge zu geben, was sie tun müsse, wenn er – vielleicht in kurzer Zeit – nicht mehr bei ihr wäre.«

Hier vollendet sich das Versprechen, welches das Paar sich vor der Trauung gab. Indem Karl, wie es der Kolosserbrief 3,2 vorgibt, konsequent das im Blick hat, was oben ist (Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische), geht er voraus und ebnet den Weg für seine Gemahlin. Aber die Treue kostet. Sie verlangt noch die Hingabe des Kostbaren, der irdischen Gemeinschaft mit der Gefährtin und den geliebten Kindern. Doch genau so wird die Treue in der Ewigkeit besiegelt.

Am  3. Oktober 2004 wird Kaiser Karl seliggesprochen. Der Gedenktag des Seligen ist der 21. Oktober. Es ist der Hochzeitstag von Karl und Zita.

Grafiken: S. Kaiser-Karl-Gebetsliga.

Literaturempfehlung: Hans Karl Zessner-Spitzenberg, Kaiser Karl. Aus dem Nachlaß hrsg. v. Erich Thanner, Salzburg 1953.