Samstag, 1. März 2025

Tosca

 

In der italienischen Oper wird viel und dramatisch gestorben. Das weiß man. Und doch ist Operntod nicht gleich Operntod.

Was ist das Schockierende am Tosca-Finale?

Tosca erlebt, wie ihr Geliebter Cavaradossi zur Hinrichtung geführt wird. Sie hält das Ganze für eine gefälschte Inszenierung, denn so hat sie es mit dem Schuft Scarpia ausgehandelt, bevor sie diesen umbringt.

Dementsprechend gibt sie dem Geliebten die Anweisungen, etwa sich theatergerecht fallen zu lassen, wenn die Todesschüsse fallen. Denn, wie gesagt: È una commedia.

Und noch dann, als die Befehle des Erschießungskommandos gegeben werden, ist Tosca entzückt über ihren schönen Mario: Com'è bello il mio Mario! Und als die Gewehrsalven abgefeuert werden und Mario zu Boden sinkt, ist Tosca noch einmal entzückt, wie geschickt der Exekutierte die Farce mitspielt: Ecco un artista!

Und dann, nachdem die Musik immer stiller wird und das Todeskommando, nach getaner Arbeit, von der Bühne tritt, und Tosca endlich zu ihrem Geliebten stürzen kann, um ihm das erlösende Signal zum Aufstehen zu geben, ist alles anders. Die Komödie ist keine Komödie. Der geschauspielerte Tod ist der echte. Mario! Mario! Morto! Morto! Diese Schreie versteht jeder.

Und dies ist das Schockierende. Puccini zeigt die Brurtalität des Todes, der nie eine Komödie ist. Er ist, so in Puccinis Musik, das Aus. Finire cosi? Soll das das Ende sein, so Tosca in ihrer Verzweiflung. Und sie gibt sich selbst die Antwort: Cosi!, um daraufhin, den Schächern entkommend, die ihr nachstellen, an den Rand der Festung zu fliehen und sich in den Abgrund zu stürzen, wobei dieser Sturz in die Tiefe um so absurder und grausamer ist, als er vom Schrei Toscas begleitet ist, die den Fall nach unten als Gang – nicht gemeinsam mit ihrem Geliebten – sondern zusammen mit dem Bösewicht Scarpia hin zu Gott herausschreit: O Scarpia, avanti a Dio!

Und auch hier, gleichsam den schrecklichen Tod als schrecklichen Tod zementierend, schreibt Puccini ein finales Fortissimo, das in den Ohren gellt und den ausweglosen Abgrund hörbar macht. Da ist keine Höhe, keine jenseitige Verzückung, sondern das nackte Aus.

Man höre zum Vergleich das Finale einer anderen Sterbeszene. Auch hier zwei Liebende, vereint im Kerker, vereint in den letzten Stunden vor dem Tod. Aber anders als Puccini, eröffnet Verdi den Blick in die Höhe. Das Abschiedsduett von Radamès und Aida ist kein Ende, sondern ein anderer Anfang: 

O terra, addio; addio, valle di pianti...
Sogno di gaudio che in dolor svanì.
A noi si schiude il ciel e l’alme erranti
Volano al raggio dell’eterno dì...


Es schließt der Himmel seine Pforten auf, und die wandernden Seelen
Sie fliegen zum Strahl des ewigen Tages...