Freitag, 15. Dezember 2017

Die Tatsachen


Elche sind zur Zeit in.

In den Schaufensterauslagen sind sie die bevorzugten Vierbeiner. Vorzugsweise dekoriert mit Sternen und glitzernden Kugeln und Kunstschnee.

Selbst die österreichische Post darf da nicht hinten anstehen. Gestern am Schalter, als ich Weihnachtsbriefmarken erstehen wollte, sagte mir die freundliche Dame, daß leider schon alle ausverkauft seien. Es gäbe allerdings noch eine 50er-Rolle mit einem anderen Motiv. Sie zeigte mir die Rolle – da war er wieder, der Elch. Und wir beide, die freundliche Dame und auch ich, waren einer Meinung: »Wie dämlich.«

Was ist es letztlich, was diese Dämlichkeit ausmacht?

Es ist die Tatsache, daß krampfhaft Tatsachen geleugnet und durch Surrogate ersetzt werden. Die Geburt Christi ist eine Tatsache, ja, sie ist die Tatsache, die seit ihrem Ereignis die Welt grundlegend verwandelt hat. Wie könnte es auch anders sein? Gottes Sohn wird nicht mal so einfach Mensch und nichts passiert. Vielmehr ist es so: Gott wird Mensch und die Welt ist von Grund auf eine andere. Zeugen dafür gibt’s zuhauf.

Gleich, ob man den religiösen Inhalt, sprich die Frohe Botschaft des Faktums, annimmt oder nicht, die Tatsache bleibt bestehen. Die Geburt Christi ist geschehen und nicht rückgängig zu machen.

Aber da wir nun mal in der Epoche des grenzenlosen Genderns sind, ist es nur zwangsläufig, daß Weihnachten gegendert wird zum Fest der Elche. Keine Krippen in den Schaufenstern, kein Christkindl.

Das Dumme daran ist nur, daß Tatsachen etwas an sich haben, was in das Szenario des Beliebigen nicht paßt: Sie sind widerständig. Man kann noch so viele Elche aufmarschieren lassen und noch so viele rote Zipfelmützen, irgendwann sagt ein Kind: »Der Kaiser ist ja nackt.«

Bleibt die Frage: Warum so viel Beliebigkeit?

Auch da kann die Tatsache weiterhelfen, und zwar das Wort selbst. Das nackte Wort Tatsache bringt nämlich Wesentliches zum Ausdruck. Wenn der Mensch bereit ist, sachlich die Wirklichkeit zu betrachten, und das heißt ohne Vor-Urteile oder Manipulationen, dann gelangt er zusammen mit der seinsadäqaten Annahme der Wirklichkeit (der Sachen) zugleich zum rechten Tun (der Tat). Mit anderen Worten: Tatsachen sind Sachen, die sachlich betrachtet sein wollen und genau so, in der praktizierten Sachlichkeit, zur Tat führen.

Das aber heißt, daß die sachliche Betrachtung der Wirklichkeit mitunter sehr herausfordernd sein kann. Was nämlich tue ich, wenn ich bemerke, daß die Tatsachen meine Auffassung der Wirklichkeit stellenweise als Illusion entlarven? Wenn ich mich also, soll es mit rechten Dingen zugehen, zu ändern hätte? Was mache ich, wenn ich – nehmen wir mal an in einer kritischen Phase meines Lebens – feststelle, daß mich kein Elch rettet, wohl aber der menschgewordene Sohn Gottes mich tatsächlich zu retten vermöchte?

Und man bedenke auch dies: Diskriminieren wir nicht die Elche! Ein Elch freut sich, wenn er mit Ochs und Esel hinter der Krippe stehen oder auch liegen darf. Aber ein Elch kommt aus dem Rotwerden gar nicht mehr heraus, wenn man ihn permanent dazu mißbraucht, das neue Weihnachtsmaskottchen zu sein.

Grafik:    Bethlehem, Geburtsgrotte. Von DE.MOLAI – wikicommons.