Samstag, 8. Februar 2020

Ein verborgenes Leben II


Ein Maler steht auf dem Gerüst in der Kirche und malt Fresken. Er weiß, so der Maler, daß er stets den bequemen Jesus malt, den Jesus, der Bewunderer findet, aber keine Nachahmer. Doch eines Tages, so der Maler, wird er den wahren Jesus malen.

Dies eine Szene aus Terrence Malicks Film Ein verborgenes Leben. Malick ist Regisseur, kein Maler. Und doch, in seinem neuen Film unternimmt er es, das Portrait des unbequemen Jesus zu zeichnen. Wie er das macht? Indem er den radikalen Nachahmer Jesu ins Bild bringt - Franz Jägerstätter.

Drei Stunden Kino, drei Stunden, in denen Malick die Unbeirrbarkeit eines christlichen Gewissens zeigt. Drei Stunden, die deutlich machen, daß der Christ, der die Weisungen seines Meisters ernst nimmt, bereit sein muß, den Preis seines Meisters zu bezahlen.

In einer Zeit, in der das christliche Zeugnis mehr und mehr zu butterweichen Allroundformulierungen und gefälligen Zeitgeistnettigkeiten schrumpft, derart, daß man vergißt, daß Christsein und Kampfgeist Geschwister sind, ist die Konsequenz, mit der Malick den Kampf seines Helden und dessen Frau monumental ins Bild bringt, ein Memento, welches jede Verniedlichung der christlichen Botschaft souverän zur Seite wischt. Und dazu braucht er keine blutigen Hinrichtungsszenen oder modischen Schockbilder. Es genügt ihm, ein Ehepaar zu zeigen, das glaubt.
 
Wenn er in Großaufnahme die ineinander verschlungenen Hände von Franz und Fani zeigt, dann zeigt er zwei Hände, aber zugleich ist in Gedanken Rodins La Cathédrale da, zwei Hände, die beten, zwei Hände, an denen das Gold des Eherings leuchtet.

Wie überhaupt der Glauben in Malicks Film nicht denkbar ist ohne die schönen Bilder, die freilich keine Staffage sind, sondern das näherbringen, was man den Kosmos nennt – die Ordnung des Alls. Bei aller Mühseligkeit und Beschwer des Broterwerbs der Bauern zur Zeit Jägerstätters, die Malick nicht, wie es der Kitsch tut, unterschlägt, weitet er gleichwohl immer wieder den Blick (denn es ist der Blick der gläubigen Protagonisten) in die überwältigende kosmische Pracht der Berge, der Wasserfälle, der wogenden Felder und in die geordnete Schönheit einer Häuslichkeit, die keiner Luxusartikel bedarf, um einen einfachen, beglückenden Frieden auszustrahlen, den Franziska einmal in die Worte faßt: »And I knew, how simple life was then - Und ich wußte es, wie einfach das Leben da noch war.«

Und auch dies zeigt Malick: Die Kirche mag, warum auch immer, versagen in einzelnen Vertretern. Das ändert nichts daran, daß die Kirche bleibt. Einem billigen Abwatschen der katholischen Kirche versagt sich Malick. Das erste Bild, welches Jägerstätter zeigt, stellt ihn dar vor der einsamen Kirche, die hinter ihm aufragt. Das vorletzte Bild zeigt die nämliche kleine Dorfkirche, die auf freiem Feld vor der Kulisse der Bergwelt felsengleich die Stellung wahrt.

Und schließlich: A hidden life ist Kino als Kunst. Wann erlebt man das? Selten genug. Ein Beispiel mag ausreichen.

Als sich Franz, da er den Einberufungsbefehl erhalten hat, aufbrechen muß und sich von der Mutter, den Kindern und Fani verabschiedet, als Franz und Fani, sie im Sonntagskleid, an der Donau entlanggehen, dann am Bahnsteig stehen, wo der Zug einfährt – da unterlegt Malick die Szene mit dem Eingangschoral Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen aus Bachs Matthäuspassion. Das ist ergreifend groß. Da stimmt einfach alles.
  
Man hat das Kino - nach Architektur, Bildhauerei, Malerei, Musik, Poesie, Tanz - bisweilen le septième art genannt. In Terrence Malicks Ein verborgenes Leben ist diese siebte Kunst wahrzunehmen. Grandios, leidenschaftlich, verhalten, berührend!

Grafik: Facebook-Seite des Films. wikicommons