Freitag, 10. Januar 2020

Eine wahre Geschichte


Pater Gereon Goldmann, Franziskanerpater, der vierzig Jahre lang in Japan missionierte, erzählt in einem Video die folgende wahre Geschichte:

Eines Tages, da er Probleme mit seinen Augen hat, wird er von einem jungen Arzt zu einer bekannten japanischen Ophthalmologin überwiesen. Diese will den Patienten, da er Ausländer ist, zunächst nicht behandeln, stimmt schließlich aber doch, da Goldmann insistiert, einer Konsultation zu.

Am Ende der Behandlung, als die Augenärztin den Patienten nach dessen Beruf fragt und erfährt, daß er Priester ist, schreckt sie zurück und hält ihm entgegen, er sei von Beruf ein Lügner. Sie will damit nicht sagen, daß er subjektiv ein Lügner sei, sondern daß alles, was die Christen sagen, objektiv gelogen sei. 17 Jahre habe sie nach der Wahrheit gesucht, sei in etliche christliche Gemeinden in Tokio gegangen, habe theologische Bücher studiert, aber keine Klarheit gefunden, nur widersprüchliche Aussagen.

Als Goldmann die Ärztin verlassen will, kommt es zu einer ergreifenden Szene. Sie bittet ihn eindringlich, indem sie ihn am Weggehen hindert: »Bitte, bitte helfen Sie mir doch. Kommen Sie bitte und erzählen Sie nochmals alles von Gott, vielleicht kann ich dann glauben.«

P. Goldmann kommt die nächsten drei Jahre jeweils Donnerstagabend (mit Ausnahme der Heiligen Woche) zu der adligen Dame und unterrichtet sie, ihren Mann, der gleichfalls Arzt ist, und die beiden Kinder.

Nach drei Jahren lautet die Antwort der Ärztin, die zudem jeden Sonntag als Katechumenin in die hl. Messe kommt, unverändert: »Das kann ich nicht glauben.«

P. Goldmann bricht daraufhin, nicht weiter wissend, die Katechesen ab, während die Ärztin nach wie vor zu den heiligen Messen kommt, allerdings nach der Messe wortlos davongeht.

Zwei Monate später steht sie plötzlich in des Paters Büro und teilt diesem mit, daß ihr Mann zu einem Kongreß in Spanien eingeladen sei. Sie begleite ihren Mann. Von dem Pater möchte sie wissen, was sie in Deutschland, welches Land sie auch bereisen wollen, anschauen solle. P. Goldmann gibt ihr die entsprechenden Adressen. Die Ärztin fährt daraufhin mit ihrem Mann nach Europa, besucht die christlichen Familien, deren Adressen der Pater ihr gab, und hat selbst sogar in Rom eine Audienz beim Papst, die Goldmann aufgrund seiner Beziehungen arrangiert hat.

Als die Augenärztin nach Japan zurückkehrt, sucht sie den Pater auf und sagt: »Die Augen meines Herzens sind geöffnet. Bitte taufen Sie mich. Ich habe die Kirche erlebt, ich kann jetzt glauben.« Und P. Goldmann tauft sie.

In einem späteren Gespräch fragt sie der Pater, was denn passiert sei, daß sie 17 Jahre gesucht habe? Was der eigentliche Grund für den Beginn ihrer Suche gewesen sei?

Ihre ganze Familie, so daraufhin sie, sei buddhistisch. Sie sei groß geworden in einem Schloß im Norden Japans. Und zu diesem Schloß gehöre, wie durchaus üblich in alten Familien, ein sogenanntes Schatzhaus, in dem die adligen Familien uralte kostbare Gegenstände verwahren.

Während ihres Studiums, als sie in den Semesterferien nachhause kommt, ist das Schatzhaus, welches normalerweise verschlossen ist, offen, da die Bediensteten zwecks Lüftung des Raumes und der Gegenstände sämtliche kostbaren Gerätschaften nach draußen gebracht haben. Wertvolle Bilder, Statuen, Gemälde, kostbare Seidengewänder sind auf die Wiese nach draußen gebracht.

Sie geht zum erstenmal in das Schatzhaus. Alles ist leer. Sie steigt die Stiege hoch – auch dort ist alles leer. In einer Ecke entdeckt sie freilich runde Ballen, in der Größe eines Fußballs. Sie nimmt einen der Ballen und will von ihrem Vater wissen, was dieser Ballen bedeute.

Der Vater nimmt das Ding, öffnet es.

Uralte Kleider von Bedienten, jahrhundertealt, kommen zum Vorschein. Auf den Kleidern sind Flecken. Was ist das? Andere Ballen werden herbeigebracht. Es sind die Gewänder von zehn Frauen und sieben Männern. In der Tasche eines der Kleidungsstücke findet der Vater einen Rosenkranz, ein Kreuz und Medaillen. »Das sind ja Christen,« ruft der konsternierte Vater aus. »Da waren ja Christen bei uns im Schloß.«

Das Rätsel klärt sich, als man schließlich in der Chronik des Schlosses nachschlägt.
                 
1641 – in der großen Christenverfolgung in Südjapan – kommen verfolgte Christen auf ihrer Flucht in den Norden Japans, wo sie sich unerkannt in besagtem Schloß als Arbeiter verdingen. Als die Verfolgung der Christen auch nach Norden eindringt, werden die 17 Christen aufgespürt und, da sie ihrem Glauben nicht abschwören, zu Tode gepeitscht – vor dem Schatzhaus. Die Asche der Toten wird weggeschüttet, die Gewänder der Toten, auf denen die Blutflecken eingraviert sind, wirft man jedoch, so der Aberglaube, nicht weg, sie werden zusammengebunden in die Ecke des Schatzhauses geworfen.

Die junge Frau wird nach dieser Entdeckung krank, ein halbes Jahr lang. Was ist das für ein Gott, will sie wissen, für den sich Menschen töten lassen? Als sie ihr Studium wieder aufnimmt, beginnt zugleich damit nun ihre religiöse Suche. Sie hat die Gewänder von Märtyrern in den Händen gehalten. Was ist das für ein Gott? Was ist das für ein Glaube?

Und es vergehen Jahre, viele Jahre, bis die Gnade sie erreicht und durchdringt und sie endlich dem Pater gesteht: »Jetzt bin ich Gottes Kind.«

Grafik: Märtyrer von Nagasaki. wikicommons