Mittwoch, 14. September 2016

Ruanda und wir

Lourdes und Fatima sind bekannt. Kibeho gleichfalls?

In den Jahren 1981 bis 1989 erscheint die Gottesmutter Maria Schülerinnen aus dem ruandesischen Dorf Kibeho. Die Botschaften der Muttergottes, die sich als Mutter des Wortes vorstellt, sind denkbar einfach und einprägsam: Umkehr, Buße, Gebet und die sühnende, rettende Kraft des Leidens sind die wesentlichen Inhalte. Kehrt um, solange es noch Zeit ist, heißt es in einer Botschaft. Ein andermal: Die Welt rennt ins Verderben, sie droht in den Abgrund zu fallen.

Einmal sehen die Mädchen Ströme von Blut, Menschen, die einander umbringen, Bäume in Flammen. Die Seherinnen weinen und sind bis ins Mark getroffen.

Jahre später, 1994, werden die blutigen Flüsse Wirklichkeit. Innerhalb dreier Monate, von April 1994 bis Juli 1994, kommt es zum schrecklichen Völkermord in Ruanda. Angehörige des Stammes der Hutu, welche die ethnische Mehrheit in Ruanda bilden, töten in einer Art Blutrausch Stammesangehörige der Tutsi-Minderheit. Die Zahl der Ermordeten beläuft sich nach Schätzungen auf 800.000 Opfer. Marie-Claire, eine der Seherinnen, ist unter den Ermordeten.

Erschreckend auch dies: Der reiche Westen sieht dem Genozid im Grunde tatenlos zu. Die Friedenstruppen der UNO versagen, wirksame humanitäre Interventionen der sogenannten Ersten Welt bleiben aus. Das Blutbad nimmt derart ungehindert seinen Lauf. Filme, die auf wahren Begebenheiten beruhen – wie etwa Hotel Ruanda oder Shooting Dogs –, geben eine Ahnung vom erschütternden Ausmaß der Katastrophe und zeigen zugleich den heldenhaften Einsatz Einzelner – bis zur Hingabe ihres Lebens.

Ruanda. Kibeho. Fernes Afrika. Und wir?

2001 wurden die Erscheinungen der Muttergottes in Kibeho von der katholischen Kirche offiziell anerkannt. Kibeho ist heute Wallfahrtsort, eine große Kirche wurde gebaut. Der Ort selbst, an dem mehr als 200.000 Menschen während des Massakers ums Leben kamen, ist zu einer Stätte der Versöhnung geworden. Nathalie, eine der überlebenden Seherinnen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier zu leben und zu beten und zur Vergebung beizutragen. In einem Interview der österreichischen Missionzeitschrift missio sagt sie: »Maria gab uns eine Botschaft für die gesamte Menschheit: Die Welt hat den Weg eingeschlagen, der zum Tod führt. Sie wollte aber, daß wir Menschen den Weg des Heiles wählen. Und das ist Jesus Christus.«

Ein anderer, der in Kibeho lebt und wirkt, ist der Pallotinerpater Zbigniew Pawłowski. Er betreut als Priester die zahlreichen Pilger des Heiligtums. Er gibt in dem nämlichen Interview zu bedenken: »Grundsätzlich lag den Botschaften derselbe Inhalt zugrunde: Kehrt um, sonst gefährdet ihr euch selbst. Und ich finde, daß diese Botschaft ihre Aktualität nicht mit den traurigen Ereignissen des Jahres 1994 verloren hat. Wenn ich an Europa denke und wie dort mit dem Leben umgegangen wird – Abtreibungen, Euthanasie und dergleichen –, oder wie man Witze über die Kirche und den Glauben macht, dann mache ich mir ebenfalls Sorgen.«

Ja, wenn ich an Europa denke …