Freitag, 3. März 2017

»Vor Gott war ich nicht Jane Roe.«

Sie ist ein veritables Zeichen der Zeit. An ihrem Leben wird sichtbar, was Abtreibung und was die Abtreibungsgegenwelt ist. Aber an ihr wird auch sichtbar, daß die Abtreibung, ohne jeden Zweifel, einmal ein Ende hat.

Unter dem Decknamen Jane Roe wird Norma McCorvey eine traurige Berühmtheit. Denn das infame Urteil Roe versus Wade, das 1973 in die Annalen der amerikanischen Gesetzgebung eingeht, da dieses Urteil die sogenannte Legalisierung der Abtreibung in den USA begründet und im weiteren den Startschuß abgibt für die sukzessiven Abtreibungsgesetze in den europäischen Ländern, dieses infame Urteil hängt wie eine Klette an Norma McCorvey. Sie ist die Klägerin im Abtreibungsprozeß, sie ist der Präzedenzfall, der Abtreibung schließlich juristisch festschreibt.

Aber was die wenigsten wissen: Norma ist von Anfang an die instrumentalisierte, mißbrauchte Person zweier Abtreibungsanwältinnen. Um das strikte Abtreibungsgesetz in den Vereinigten Staaten zu kippen, braucht es ein tumbes, willfähriges Opfer – Norma. Sie wird systematisch für ihre Jane-Roe-Rolle präpariert. Die tatsächliche Norma ist nie von Belang. Kein Wunder, daß McCorvey Jahre später in ihrer Autobiographie unverhüllt davon spricht, lediglich benutzt worden zu sein.

In dieser Autobiographie, Won by Love, kommt alles ans Licht: Die Lügen der Abtreibungsindustrie, das desaströse Leben Normas, ihre abusiven Beziehungen, das permanente Mißbrauchtwerden.

Nach Roe vs. Wade arbeitet sie, gleichsam das Poster-Girl der Abtreibungsszene, in einer Abtreibungsklinik. Nur: Die Realität ist weit davon entfernt, glamourös zu sein. Mehr und mehr versinkt Norma in Drogen und Alkohol, denn das Geschäft mit dem Tod ist anders nicht zu ertragen.

Ihre wortwörtliche Konversion – weg vom Tod hin zum Leben – verdankt sie Lebenschützern, die vor der Abtreibungsstätte, in der sie arbeitet, ihren Dienst tun. Emily, die kleine Tochter eines der Lebenschützer, bringt Normas Herz zum Schmelzen. Im Antlitz des Kindes, in dessen liebevoller unverdienter Zuwendung, scheint das Wunder der menschlichen Person auf. Und eines Tages, in einer überwältigenden blitzhaften Erleuchtung, sieht sie Emily schrecklich entstellt: »Ich sah Emily nicht als das kleine Kind, sondern als winziges, abgetriebenes Baby (…).« Sich Rechenschaft gebend über den außergewöhnlichen Vorgang, kommt sie zu dem Schluß: »Es war das erste Mal, daß die Abtreibung für mich ein Gesicht bekam.«

Von da ist es nur mehr ein kurzer Übergang zu der augenöffnenden Wahrheit, die ihr das verschafft, was sie »meine vollständige pro-life-Bekehrung« nennt, indem sie unretuschiert das reale Gepräge der Abtreibungsgegenwelt, »die schreckliche Realität« wahrnimmt:
»Es war so, als ob Binden von meinen Augen abfallen würden, und plötzlich erkannte ich die Wahrheit. Es ist ein Baby! Ich war niedergeschmettert. Es ging mir so schlecht, daß ich am liebsten davongerannt wäre (…) Ich hatte der schrecklichen Realität ins Auge zu schauen. Abtreibung hatte nichts mit ›Gewebeklumpen‹ zu tun, nichts mit ›ausgebliebenen Blutungen‹. Es ging um Kinder, die im Schoß ihrer Mütter getötet wurden.«
Won by love. Die Liebe der kleinen Emily siegt.

Norma wird schließlich Christin und läßt sich taufen. Wenige Jahre später will sie in die katholische Kirche aufgenommen werden. Father Pavone, der Direktor von Priests for Life, nimmt sie auf. Sie ist angekommen. Sie weiß, daß sie zuhause ist. Sie weiß, daß sie vor Gott nie Jane Roe war.

Und aus Norma wird die Lebenschützerin, welche die ganzen letzten Jahre ihres Lebens – betend vor Abtreibungskliniken, als Rednerin auf Kongressen, als Buchautorin und unermüdliche Verbreiterin der Botschaft des Lebens – einer einzigen Aufgabe widmet: dem Kampf, daß das furchtbare Unrecht, welches den Namen Roe v. Wade trägt, aus der Welt geschafft wird.

Heuer, am 18. Februar 2017, ist Norma McCorvey endgültig heimgegangen. Requiescat in pace!