Samstag, 27. August 2022

Die Anatomie und der Lobpreis

Daß Michelangelo ein genialer Anatomiker war, ist bekannt. Man braucht nur seine anatomischen Zeichnungen anzuschauen, um dies wahrzunehmen.

Doch wie exakt, ja akribisch Michelangelo seine Studien betrieb, das kann eine seiner großen Plastiken anschaulich machen. Wir meinen die Skulptur des Moses.

Am rechten Unterarm des Moses ist ein kleiner Muskel zu sehen. Dieser Muskel ist normalerweise unter der Oberfläche der Haut verborgen. Doch wenn man den kleinen Finger krümmt, tritt dieser Muskel an die Oberfläche. Dieses anatomische Faktum kann jeder selbst an seinem Körper nachvollziehen. Michelangelo bildet im Marmor des Moses genau diese Besonderheit ab (siehe Foto).

Doch dies ist zugleich mehr als ein lediglich reproduziertes anatomisches Detail. Es ist Lobpreis. Lobpreis des allmächtigen Schöpfers, dem Michelangelo in seiner Kunst die treue Reverenz erweist. Kunst wird zum Preisgesang. Sie macht sichtbar, wie grandios der menschliche Körper vom göttlichen Konstrukteur geschaffen wurde. Und der große Künstler deformiert nicht das Geschaute, sondern stellt es in das Licht der Wahrnehmung.

Die rechte Hand des Moses hält die beiden Gesetzestafeln, die Tafeln, auf die Gott seine Zehn Gebote geschrieben hat.

Michelangelo gibt auf seiner Tafel, dem gefügigen Marmor, wieder, was er in seinen anatomischen Studien von den Gesetzen Gottes erkennen durfte.

Und wer erkennt? Der Liebende erkennt. Noch das Verborgene.

Grafik: wikicommons

Samstag, 20. August 2022

Die Ordnung und die Schönheit

»Die Ordnung der Welt ist die Schönheit der Welt.«

Simone Weil


Grafik: Jonathan Francisca on unsplash.com
 

Samstag, 13. August 2022

Aktuell


»Man muß über ewige Dinge schreiben, um mit Sicherheit aktuell zu sein.«
  

Simone Weil


  Grafik:
Samantha Sophia on unsplash.com

Samstag, 6. August 2022

Der Schrei des Paulus

Bibelfilme sind so eine Sache. Es läßt sich trefflich streiten über die Darsteller, die Kostüme, die Ausstattung, die Dialoge und insgesamt die Bibeltreue.

Paulus ist ein solcher Bibelfilm. Er versucht, dem Menschen Paulus näherzukommen. Wer war der große Apostel? Wie wurde er zu Paulus? Wie war sein Umfeld?

Hier soll nur eine Szene des Films zur Sprache kommen, denn diese Szene ist genial.

Gemeint ist die alles entscheidende Episode im Leben des Apostels. Er ist unterwegs nach Damaskus, um in seinem pharisäischen Furor die dortigen Katholiken zu verhaften und einkerkern zu lassen. Die Geschichte ist bekannt. Der Sturz des Wütenden. Die Lichterscheinung. Die Stimme Jesu, die den Verfolger beim Namen nennt: »Saul, Saul, warum verfolgst du Mich?«

Was macht nun der Film aus dieser Szene?

Auch hier der gewaltsame Sturz zu Boden. Die Frage Jesu. Die Gegenfrage des Saulus. Und die Antwort Jesu.

Doch dann das Erschütternde: Saulus schreit. Es ist mehr als ein Schrei. Er wälzt sich am Boden, dann steht er auf und schlägt mit seinem Schwert um sich und schreit: »Er hat mich geblendet.« Und er schreit und schreit und schreit aus der Tiefe seines Herzens.

Es ist nicht nur das schreckliche Eingeständnis seines Lebensirrtums, der sich in diesem gequälten Schrei äußert, auch nicht nur das bis ins Mark Getroffensein über die geschehene Blendung. Ein Drittes kommt hinzu.

Hier schreit ein Neugeborener. Denn wenn ein Kind zur Welt kommt, beginnt es seine Lungen durch einen Schrei mit lebensspendender Luft zu füllen. Paulus ist der Neugeborene. Und wie bei Neugeborenen üblich, sieht er noch nicht. Er hat alles neu zu lernen. Das Sehen. Das Gehen. Das Denken.

Man mag vieles an dem Film vergessen. Doch diesen Schrei des Neugeborenen vergißt man so schnell nicht. Denn dieser Schrei des Paulus ist wahr.