Samstag, 1. Dezember 2018

Advent


Vielleicht wissen die wenigsten, daß der Advent mit Abenteuer zu tun hat. Dazu sollte man einen Blick in die Sprachetymologie werfen. Beide Wörter – Advent und Abenteuer – entstammen derselben Wurzel. Im Altdeutschen wird Abenteuer aventiure genannt, da ist die sprachliche Verwandtschaft bereits deutlich. Und schaut man sich das Englische an, wird  die inhaltliche Nähe sogleich greifbar: advent und adventure.

Nun war das, was das Mittelalter eine ritterliche aventiure nannte, weitaus mehr als ein moderner Selbsterforschungstrip oder ein riskantes Überlebenstraining, welches man unternimmt, weil einen die faden Abläufe der bourgeoisen Zivilgesellschaft anöden.

Der Ritter, der auf Fahrt ging und auf dieser Fahrt die bedeutsamen Er-fahr-ungen machte – und dazu gehörten auch die obligaten Ge-fahren – kam, wenn seine Fahrt glückte, zu guter Letzt beim Wesentlichen an.

Parzival, der Archteyp des Auf-Fahrt-Gehenden, zeigt die Richtung. Aufbrechend ist er der tumbe Tor. Er scheitert an den grundlegenden Fragen des Lebens. Erst allmählich, durch das Bestehen schwerwiegender Gefahren, durch das Geflecht von Schuldverstrickung und Verzeihung hindurch sowie durch etliche Wendungen des Geschicks, das kein kaltes Fatum ist, sondern die gütige, leitende Vorsehung des gütigen Gottes, kommt der Aufgebrochene an das Ziel der Fahrt und die entscheidenden Fragen klären sich zum lebendigen Ganzen. Wer bin ich? Wo komme ich her? Wer ist der Nächste? Wer ist Gott?

Im Gral, dem Kelch des heiligen Abendmahls, der das Blut Christi empfing, leuchtet auf das Ganze, offenbart sich der Sinn.

Der Advent, will er recht gelebt sein, sollte demnach die echten abenteuerlichen Zusammenhänge bedenken. 24 Tage lang macht sich der Pilger im Advent auf die entscheidende aventiure ins Herz des Lichts. In diesen Wochen wird er, wie der mittelalterliche Wanderer, den Gefahren des Weges konfrontiert sein. Der modernen Tristesse, der Versuchung des Sich-Ablenken-Lassens von der dunklen Welt Klingsors, der Müdigkeit, der Verwechslung des wahren Zieles mit fadenscheinigen Surrogaten, des sich Einrichtens in gemütlichen, betäubenden Behausungen aller Art, des sich Verlierens im Interessanten und Nebensächlichen.

Wer freilich seine Sehnsucht nicht verderben läßt, wer durchhält trotz verführerischer Einladungen zum Verlassen des einzig gültigen, königlichen Weges, der kommt an. Bei der Krippe. Beim göttlichen Kind. Beim Gloria in excelsis Deo.

Danach, so viel ist sicher, ist der Abenteurer ein anderer.

Grafik: Photo by Ben White on Unsplash