Freitag, 5. Mai 2017

Lumen Christi. Und das Mikrophon

»Es war kurz nach der Erneuerung der Osternacht durch Papst Pius XII. Im Münsteraner Dom zelebrierte der Dompropst die Zeremonien der Feuerweihe vor dem Tor des Doms und des feierlichen Einzugs der Osterkerze in die Kirche. Ich war mit vielen Gläubigen in der Kirche geblieben und erwartete in der Stille des dunklen Kirchenschiffs den Einzug mit dem dreimaligen Gesang des Lumen Christi.

Aber die Stille wurde beendet durch einen Lautsprecher, der die Gebete des Priesters am Feuer draußen in den Innenraum übertrug. Ich war schockiert und schrieb dem Dompropst, daß es in dieser Zeremonie eben ein Drinnen und ein Draußen gibt und daß es dem Geist der Liturgie ganz zuwider sei, räumliche Unterschiede, die zugleich symbolischen Charakter haben, durch einen Lautsprecher zum Verschwinden zu bringen. Es sei auch überhaupt nicht nötig, daß jeder alles, was irgendwo im Rahmen der Liturgie gesprochen wird, auch am anderen Ende des Gotteshauses lückenlos hört.

Der Propst, der berühmte Domprediger Donders, eine verehrungswürdige Gestalt, antwortete mir, mein Einwand habe ihn überzeugt und er werde künftig den Einsatz des Mikrophons während dieser Feier unterlassen.«
Aus: Robert Spaemann, Über Gott und die Welt. Eine Autobiographie in Gesprächen, Stuttgart 2012, 57 – ein Beispiel, so Spaemann, »für den mich bedrückenden Einbruch der virtuellen Welt und der schleichenden Virtualisierung der realen (…)«

Am heutigen Tag wird Robert Spaemann 90. Wir gratulieren.

Grafik:    https://unsplash.com/@cgreiter, st peters basilica citta del vaticano vatican city