Gibt es das? Neue Schöpfung? Genauer: Neue Schöpfung nach einem ruinierten Leben?
Für den Apostel Paulus ist das keine Frage, sondern eine Gewißheit, wenn er schreibt: »Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.«
Paulus benennt hier, was die Taufe tatsächlich ist: Hineingeboren werden in Christus und damit der Beginn des neuen Lebens, des christlichen Lebens.
Ist diese paulinische Theologie nicht zu schön, um wahr zu sein?
Reden wir mal über Torsten Hartung.
Hartung ist ein verurteilter Mörder. Sein Leben: Von früh auf eine Katastrophe. Ein kalter, gewalttätiger Vater. Eine kalte, lieblose Mutter. Der geprügelte, getretene, verstoßene Junge – das ist die tägliche Erfahrung. Auch in der Schule.
Doch das geschlagene Kind schlägt irgendwann zurück. Um zu überleben in einer Welt des Brutalen, trainiert sich Hartung die Härte an. Und das funktioniert. Als Jugendlicher und junger Mann ist er bald der Schläger und der Unbesiegte.
Und so geht es weiter. Erste Gefängnisaufenthalte folgen. Die Spirale von Gewalt, Kriminalität, Haß und Mißbrauch nimmt ihren Lauf. Menschen sind dazu da, gebraucht und ausgenutzt zu werden. Liebe? Ein Fremdwort. Hartung beweist, »wie böse ich bin«.
Und dann eines Tages der Mord. Ein Komplize der Autoschieberbande, deren Boß Hartung ist, hintergeht ihn. Hartung macht, als er es erfährt, kurzen Prozeß mit Dieter. Er bringt den Anderen um. Kaltblütig.
Wenig später fliegt die Verbrecherbande auf. Hartung wird, ebenso wie seine Komplizen, verhaftet und verurteilt. Hartung bekommt fürs erste fünf Jahre Einzelhaft.
Und jetzt, in der Einsamkeit und Ausgesetztheit der Zelle, allein mit dem Tagebuch, in welches er seine verzweifelten, auf ihn einstürzenden Gedanken aufzuschreiben beginnt, fängt ein anderer Prozeß an: Die Frage Hartungs nach seiner Schuld. Und die Frage, wie mit dieser Schuld umzugehen ist? Es ist ein Prozeß, in dem der Täter mehr und mehr erkennt, wer er wirklich ist und wie er zu dem geworden ist, der er ist.
Und: Hartung findet in der Ehrlichkeit der Selbstentblößung zum Glauben. Wer will, kann das nachlesen in seinem ergreifenden Rechenschaftsbericht, den er nach Abbüßung seiner fünfzehnjährigen Haftstrafe schließlich veröffentlicht.
Was hier interessiert, ist dies: Hartungs Bekehrungsweg führt ihn schließlich in die katholische Kirche. Am 20. Juni 2000 läßt er sich, nach einer intensiven Zeit der betenden und fastenden Vorbereitung, in der Kapelle der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel vom Gefängnispfarrer taufen.
Neue Schöpfung?
»Erst später«, so der kurze Satz in Hartungs Rechenschaftsbericht Du mußt dran glauben, »wird ihm bewußt, daß die Taufe auf den Tag genau acht Jahre nach dem Mord an Dieter stattfindet.«