Freitag, 2. März 2018

Ecclesia militans I


Es ist wie so oft: Man liest Texte, man liest sie oft, immer wieder, und dann liest man dieselben Texte irgendwann in einer fremden Sprache (in Latein etwa), und man staunt: Ach!

Plötzlich stellt man nämlich fest, daß ein Offensichtliches, das in diesen Texten stets da war, allzuoft in der eigenen Lektüre vernachlässigt wurde oder, wenn bedacht, so sträflich wenig gewichtet worden ist.

Zum Beispiel: In den Psalmen ist das Thema des Kampfes ein Dauerthema. Und dieses Thema wird derart abgehandelt, daß der Beter der Psalmen nahezu unablässig sich an Gott wendet, damit der Allmächtige den Beter vor den Feinden, den Frevlern, den Fallenstellern, den Böswilligen, den Übeltätern, den Gottlosen, den Sündern, den Lästerern, den Törichten, den Schmähenden, den Ungerechten rettet.

Die Grundsituation, in die der Beter der Psalmen hineingestellt ist, ist keine idyllische Gebetslandschaft. Das alltägliche Brot des Beters ist der Kampf. Und die Feinde geben keine Ruhe, sie dringen selbst ins Heiligtum vor und wollen den sakralen Raum schänden.

Diese Psalmen betet die Kirche tagein, tagaus. Sie bilden das Stundengebet der Kirche. Es müßte also das Selbstverständlichste der Welt sein, daß die Kirche in ihrer Verkündigung das, was sie täglich betet, thematisiert. Nur: Wo hört man heutzutage in der Kirche von der streitenden Kirche, von der Ecclesia militans, wie sie seit je genannt wird? Das Thema der Kirche, die im Kampf ist und die zu kämpfen hat (denn der Kampf ist keine Option, sondern eine Pflicht), kommt auf den Kanzeln mehr oder weniger nicht vor. Die streitende Kirche ist mutiert zur allseits netten.

Was mache ich jedoch mit folgenden, beliebig herausgegriffenen Versen, die sich im Stundengebet der Kirche finden:
»Viele Tausende von Kriegern fürchte ich nicht, wenn sie mich ringsum belagern.
Herr, erhebe Dich, mein Gott, bring mir Hilfe!
Denn all meinen Feinden hast Du den Kiefer zerschmettert, hast den Frevlern die Zähne zerbrochen.
Beim Herrn findet man Hilfe. Auf Dein Volk komme Dein Segen.«
(Psalm 3,7 ff)
Und schließlich: Warum soll ich die Rüstung Gottes anlegen, wie Paulus schreibt, wenn es gar nichts zu kämpfen gibt (s. Epheserbrief 6,10 ff)?

Es ist kein geringes Verdienst der Lebensschutzbewegung, daß sie diese Tatsache des geistlichen Kampfes und also der streitenden Kirche wieder ins Bewußtsein gehoben hat. Und mehr noch.

Die Lebensschutzbewegung zeigt jeden Tag neu, daß der Kampf kein geschwätziger ist, kein intellektuelles bloßes Wortgeplänkel, sondern tatsächlicher Kampf hier und heute. Und in diesem Kampf wird der Lebensschützer verletzt, verspottet, verleumdet, verhöhnt, immer wieder. Eben das, seien wir ehrlich, will der moderne Christ nicht. Denn der Christ des Westens liebt es gemütlich. Bitte keine Aufregungen, die ins Fleisch schneiden, und keine Konfrontationen, die etwas kosten.

Angesagt sind die Werte, denn Werte sind harmlos. Über Werte läßt sich trefflich debattieren, ohne daß einer der Gesprächspartner auch nur einen Finger zu rühren braucht. Und das Bequeme an der Wertediskussion: Sollte es dennoch ungemütlich werden, dann kann man sogleich einen neuen Wert in Art eines netten Kaninchens aus dem Zylinder ziehen und sodann über diesen neuen, unbedingt interessanten Wert reden und reden und reden.

Es sind die Lebensschützer weltweit, die verstanden haben, daß der Christ, ebenso wie sein Meister, in den Kampf gestellt ist. Dies nicht deswegen, weil der Lebensschützer so erpicht aufs Kämpfen ist, sondern deswegen, weil die Welt nun mal so ist, wie sie ist: gefallen. Und diese gefallene Welt will die Bekehrung nicht, vielmehr treibt sie ihre Agenda des Todes gnadenlos voran. Wer dies für eine Übertreibung hält, der sollte einfach mal etwas googeln und schauen, wieviele immer neue Abtreibungsmethoden und Vermarktungsstrategien die Abtreibungsindustrie austüftelt, um den Tod zu verkaufen.

Wer das Stundengebet der katholischen Kirche betet und sich beruhigt im Sessel zurücklehnt, der sollte vielleicht mal das Stundengebet in einer anderen Sprache beten.

Grafik:    Photo by Ahna Ziegler on Unsplash