Freitag, 17. Februar 2017

»Sieh, o Mensch …«

»Sieh, o Mensch, das Leben, das dir hier auf Erden gegeben ist, nicht für eine Stätte des Vergnügens an, darin jedem Befriedigung seiner Neigung werde; denn dieses Leben ist eine Laufbahn zum fernen Ziel … Dieses Leben ist ein Kampfplatz …

Der Geist des Menschen ist auf dieser Erde nicht daheim; er ist aus Gott und kann nur in Gott seine wahre Ruhe, nur in Gott das ewige Leben, die unvergängliche Krone finden. Der Menschengeist ist dazu hierher verpflanzt, damit er im Wettlauf geübt, im Kampf gehärtet, tüchtig werde, am Ziel den Preis zu erlangen.

Mensch, wie du dieses Leben ansiehst, so bist du selbst!

Du bist ein irdisches, elendes, dich selbst quälendes Wesen, wenn dir dieses Leben nur für einen Zeitvertreib, für eine Jagd nach Vergnügen gilt. Ach, du erjagst doch nichts als Herzeleid und Gewissensbisse. Du bist ein irdisches, dich selbst quälendes Wesen, wenn du nur lebst, um zu essen, um zu trinken, jeder Lust deines Herzens zu frönen.

Du bist oder wirst ein himmlisches, geistiges Wesen voll Licht, Liebe, Seligkeit, wenn du dieses Leben für einen Kampfplatz ansiehst, auf dem wider alles Ungöttliche gestritten werden muß.«

Johann Michael Sailer, Bischof zu Regensburg, † 1832, aus der Abhandlung Von einer höheren Betrachtung des menschlichen Lebens. 

Grafik:   Yamaoka / pixelio.de