Freitag, 20. Januar 2017

Alma D.

Sie ist 11. Wenn sie auftritt, dann sieht man sie zumeist mit ihren zwei Zöpfen und ihrem weißen Kleid mit roter Schärpe. Lächelnd. Fröhlich. Unkompliziert – Alma Deutscher.

Man muß aufpassen. Beginnt man einmal auf youtube Videos der kleinen Geigerin, Pianistin und Komponistin anzuschauen, dann kann man nicht mehr aufhören. Gibt’s das wirklich? Eine Elfjährige, die seit Kindesbeinen an komponiert und Musik macht? Die mit Bravour Konzertauftritte hinlegt und am Ende der Aufführung souverän dem Konzertmeister die Hand hinhält und kleinmädchenhaft ihre Verneigungen vor dem Publkum macht. Und die, wenn man sie in die Reihe mit dem Wunderkind Mozart stellen will, freundlich-charmant ablehnt. Nein, Mozart ist Mozart, aber sie ist Alma.

Mittlerweile ist die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter auf Alma aufmerksam geworden, und der weltberühmte Dirigent Zubin Mehta, der Alma seit vier Jahren kennt, hält sie für eines der herausragendsten Talente unserer Zeit.

Ja, wer staunt nicht, wenn er Alma zuschaut? Und vielleicht ist das Überragende dieses kleinen sommersprossigen Mädchens, das alle Erwachsenen mir nichts dir nichts  in die Tasche steckt, daß sie tatsächlich spielerisch klar macht, daß das Leben ein Wunder ist. Nicht nur das Leben Almas, sondern unser aller Leben.

Aber eben diese Wunder – wer staunt darüber noch?

Ihr Nachbar ist ein Wunder – schon gewußt? Sie selbst sind ein Wunder –  vergessen? Und was machen Sie mit Ihrem Ehemann und Ihrer Ehefrau?

Während Sie diese Zeilen lesen, leistet Ihr Körper mit seinen Nervenzellen, Muskelzellen, Gehirnzellen eine unvorstellbare Leistung an Koordination und Synthese. Mit anderen Worten: Ein alltägliches Wunder. Aber weil es so alltäglich ist, halten wir es für selbstverständlich und also für unbedeutend.

Und irgendwann staunen wir dann über ein kleines Mädchen mit Zöpfen und weißem Kleidchen. Und wir reiben uns die Augen und schütteln den Kopf und verstehen gar nichts. Denn das Wunder nimmt uns alle landläufigen wohlfeilen Kategorien, mit denen wir seiner habhaft werden wollen, aus der Hand. Daß eine Neunjährige ein Trio für Violine, Viola und Klavier in D-Dur komponiert, bleibt ein Rätsel. Genauso wie unser Ohr, welches den Klängen eben dieses Trios fasziniert lauscht, und unser Auge, welches beglückt der kleinen Geigerin zuschaut:



Alma: Es ist Zeit, wieder über Wunder nachzudenken.

Grafik:   A portrait of Alma Deutscher by Alex Nightingale Smith, wikicommons.