Mir fällt dazu eine Geschichte ein – eine wahre Geschichte –, die ich vor etlichen Jahren gelesen habe.
Eine ältere Dame erfährt von einer jungen Schwangeren, daß diese ihr Kind ablehnt und weghaben will. Besagte Dame bietet daraufhin an, das Kind an Mutterstelle zu übernehmen.
Die junge Frau, die, wenn ich mich recht erinnere, drogen-abhängig und eine arg Verzweifelte war, nimmt trotz allem Widerstand und aller Auflehnung Gott sei Dank diesen Vorschlag an.
Als das Kind zur Welt kommt, stellen die Ärzte ziemlich bald fest, daß das Neugeborene an einer schwersten Augenläsion erkrankt ist, die, so die Prognose, unheilbar ist.
Die ältere Dame, der das Kind nun anvertraut ist, bekommt von einer Freundin, die um diesen schrecklichen Befund weiß, einen merkwürdigen Rat: Sie solle, so die Freundin, das Neugeborene gleichsam erneut austragen, wie in einer zweiten Schwangerschaft. Mit anderen Worten: Das Kind, das in der ersten Schwangerschaft massive Ablehnung erfahren habe, solle in einer symbolischen zweiten, nachgeholten Schwangerschaft, diesmal die Zuneigung und Liebe erfahren, die es aufgrund der unglücklichen Umstände bislang entbehrt habe.
Die ältere Dame stimmt dem Rat willfährig zu. Und tatsächlich trägt sie seitdem neun Monate lang den Säugling auf ihren Armen, liebkost ihn, spricht ihm Worte der Liebe zu, gibt ihm Küsse und wieder Küsse, bis schließlich die neun Monate vorüber sind.
Nun freilich geschieht das Wunder. Und es ist ein Wunder. Ärzte, die das Kind neuerlich untersuchen, konstatieren, daß die Augen des Kleinen vollkommen intakt sind. Von einer Erkrankung, Läsion oder gar Erblindung ist nicht die geringste Spur wahrzunehmen.
So weit die wahre Geschichte.
Und damit ist auch bereits das gesagt, was über Maria gesagt gehört.
Denn wenn man Maria recht betrachtet, dann versteht man, daß sie genau das mit einem jeden von uns tun möchte: Sie will uns gleichsam neu gebären. Diesmal allerdings in einem Schoß, der vollkommen rein ist und also ohne Sünde. Nur sie vermag dies, denn sie ist das einzige Menschenkind, welches dieser Auszeichnung der Vollkommenheit würdig befunden wurde. Sie ist, so nennt sie die Theologie, die Immaculata.
Immaculata heißt ja genau dies: Ohne Makel sein, ohne Verkehrtheit, ohne Leerstellen der Liebe. Mag sein, daß uns dies zu wundersam vorkommt, um wahr zu sein. Und doch ist es wahr.
Und auch dies ist wahr: Diese Immaculata ist das Bild der Kirche.
Grafik: Immaculatastatue, Grotte in Lourdes. commons.wikimedia© José Luiz Bernardes Ribeiro; Schutzmantelmadonna, Stephansdom Wien. commons.wikimedia© Jim Kovic.