Maria, die Liebliche. Maria, die Süße. Das stimmt. Denn jeder, der sich der Muttergottes nähert, wird es bestätigen können.
Aber ein jeder, der Maria wahrhaft kennenlernen will, wird auch die Seite in Maria entdecken, von der heutzutage weniger gesungen wird. Wir meinen: Maria, die Kämpferin. Oder, wie es Papst Pius XII. ausdrückte: Maria, die Siegerin in allen Schlachten Gottes.
Wie könnte es auch anders sein. Denn da Maria stets auch Bild der Kirche ist, ist sie logischerweise auch Bild der streitenden Kirche, d. h. der Kirche, die hier auf Erden den geistlichen Kampf zu bestehen hat. Und das ist ein durch und durch biblischer Befund. Schließlich verzeichnet die Heilige Schrift bereits im Buch Genesis und also auf den ersten Seiten der Bibel – nach dem Sündenfall – diese markante Verheißung:
»Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. ER wird dir den Kopf zertreten …« (Gen 3,14 f)
Die Überlieferung hat diesen Text als Protoevangelium bezeichnet und in der »Frau« die Vorankündigung der Gottesmutter Maria gesehen, weil sie diejenige ist, die durch ihr Jawort zur Menschwerdung Christi am Erlösungswerk mitwirkt, nämlich die Schlange, welche auch Satan heißt, am Kreuz endgültig zu besiegen. Ipsa conteret: Sie, Maria, zertritt. Sie ist die Schlangenzertreterin. Kein Wunder daher, daß sie auf etlichen Abbildungen die teuflische Schlange besiegt unter ihren Füßen hat.
Maria, die nur Süße, ist in dieser Ausschließlichkeit eine theologische Verkürzung. Maria ist immer auch die, die jeder Sünde, Unwahrheit, Verfälschung – kurz: jeder Verneinung des Lebens – den erbittersten Widerstand entgegensetzt. Widerstand auch dann, wenn es darum geht, den wahren Glauben zu verteidigen.
In einer französischen Marien-Enzyklopädie (Maria, études sur la Sainte Vierge, 7 vol., Paris, Beauchesne, 1949–1964, hier Bd. IV, 1956, 695) findet sich bezeichnenderweise folgende Geschichte:
Polen 1621 – Am Vorabend der Schlacht von Chocim und wenige Tage nach der schrecklichen Niederlage von Cecora, verbrachte der Oberbefehlshaber Stanislas Lubomirski die Nacht vor dem Kampf in einer früher in Polen sehr beliebten Bußhaltung: kniend, die Arme gekreuzt, im Gebet.
Nach einer Nacht glühender Gebete hatte er folgende Erleuchtung, von der er glaubte, daß sie direkt von unserer Lieben Frau kam, und die sich mit einem einfachen Aufruf zusammenfassen läßt: »Leiste Widerstand, koste es, was es wolle«.
Am darauffolgenden Tag brach er die Unterhandlungen mit den Türken ab und trug einen glänzenden Sieg davon, den das polnische Volk jedes Jahr am 10. Oktober feiert.