Nennen wir ihn Heinz.
Es war Sommer. Wir saßen im Innenhof des Miethauses, neben einem kleinen Garten. Vier Freunde. Heinz war zu Besuch gekommen. Heinz, der als Cellist in einem Orchester und in einem Quartett spielte, und dies seit Jahren.
Und wie selbstverständlich war das Gespräch auf Musik gekommen. Auf Mozart und Schumann und Messiaen. Und wir vier waren der gleichen Ansicht: Die postmoderne Musik konnte mit diesen Komponisten nicht mithalten. Wir sagten ohne Umschweife, daß diese neue Musik, die sich als Nachfolgerin der klassischen verstand, seit Jahrzehnten in eine Sackgasse geraten sei, zumal durch ihre elektronischen Experimente und Verstümmelungen.
Heinz verteidigte die modernen Versuche, und man merkte, daß er zunehmend die Fassung verlor.
Irgendwann stand er erbost auf. Er rannte aus dem Innenhof und hinein in das ebenerdige Zimmer, wo er seine Siebensachen abgestellt hatte. Dieses Zimmer ging hinaus zum Garten, sein Fenster stand offen. Es dauerte nicht lange, bis wir verstanden.
Heinz, der imstande gewesen wäre, aus dem Stegreif die Solopartie eines berühmten Cellokonzertes zu spielen, wollte uns eine Kostprobe dessen geben, was er leidenschaftlich verteidigte. Er hatte offensichtlich wutentbrannt sein Cello aus dem Kasten genommen und gab uns jetzt die Probe aufs Exempel.
Aus dem geöffneten Fenster klangen die neuen Töne. Aber das Erschreckende war, daß nicht eigentlich Töne erklangen, sondern gequältes, qietschendes, die Ohren verletzendes Gekratze. Keine Harmonien. Keine Melodie. Stattdessen Zerstörung jedes musikalischen Gefüges.
Wir verstummten. Was wir vernahmen, bestätigte in einer Weise, die uns zuinnerst traf, das, was wir zuvor gesagt hatten. Wir verstanden, daß wir die Diskussion beenden sollten, denn was hätten wir, die wir die späten Beethovenquartette liebten, diesem Gekrächze gegenüber sagen sollen?
Und ich habe seitdem auch dies verstanden: Es gibt den gesunden Menschenverstand, der sich vor den Meinungen der sogenannten Experten nicht zu fürchten und nicht einzuschüchtern lassen braucht. Wer sich eingeübt hat in die Maßstäbe großer Kunst, bildet irgendwann den inneren Kompaß aus. Denn Mozart ist ein Kompaß. Beethoven ist ein Kompaß. Sie zerstören nicht, sondern bauen auf. Sie bergen und bringen den schönen Glanz der Wahrheit. Sie sind wahrhaft tröstlich.
In den Worten eines großen Malers: »Kunst ist es, diejenigen zu trösten, die vom Leben gebrochen werden« (van Gogh).