Samstag, 18. Januar 2020

Der Einzelne


   Arles, Südfrankreich, 353
In der vom damaligen Kaiser Konstantius einberufenen Synode in Arles wird den versammelten Bischöfen – unter ihnen Bischof Paulinus von Trier – ein Entwurf vorgelegt, der die Verurteilung des Bischofs Athanasius verlangt. Athanasius von Alexandria ist es maßgeblich zu verdanken, daß auf dem ersten Ökumenischen Konzil zu Nicäa (325) die Irrlehre des Arius, der die Geschöpflichkeit Jesu Christi behauptet, als häretisch verurteilt wird. In der Folgezeit wird Athanasius für diese seine Rechtgläubigkeit verfolgt, verbannt, ostraziert.

Als es auf der Synode zu Arles zur finalen Abstimmung kommt – wobei der Kaiser jedem der anwesenden Bischöfe die Verbannung androht für den Fall, daß er die Position des Athanasius einnimmt – stimmen sämtliche Bischöfe für die Verurteilung des Athanasius und also gegen die Rechtgläubigkeit – bis auf einen Einzelnen: Bischof Paulinus von Trier, der sich auf die Seite des Athanasius stellt. Sein Zeugnis hat Konsequenzen: Paulinus wird nach Phrygien verbannt (heutige Türkei). Fünf Jahre später stirbt er dort, in der Verbannung. Der Gedenktag des heiligen Bischofs und Märtyrers ist der 31. August.

   London, England, 1534
Er ist geachtet, begabt, berühmt. Studium in Cambridge. Priesterweihe. Promotion. Vizekanzler, schließlich Kanzler der Universität. Professor. Glänzender Kirchenschriftsteller. Humanist. Bischof. Beichtvater der Königinmutter und der Gattin Heinrichs VIII.

Dann – er geht auf die Sechzig zu – der Abstieg. 1527 bezieht er unmißverständlich Stellung gegen die Scheidungsabsichten des Herrschers Heinrich. Jahre später weigert er sich, die katholische, gültig geschlossene Ehe des Potentaten als ungültig zu attestieren. Einen entsprechenden Eid leistet er nicht. Im selben Jahr verweigert er die Ablegung eines weiteren, vom Parlament beschlossenen Eides, nämlich des sogenannten Suprematseides, mit dem Heinrich VIII. sich von der römisch-katholischen Kirche lossagt und usurpatorisch zum Oberhaupt der neuen Kirche Englands deklariert.

Darauf folgt die Rache Heinrichs, der den standhaften Bischof einkerkern läßt. Wo sind in dieser Zeit die bischöflichen Mitbrüder?

Während seiner Haft wird Bischof Fisher von Papst Paul III. zum Kardinal ernannt. Bald nach der Ernennung stirbt er – als Hochverräter enthauptet. 1886 wird er selig-, 1935 heiliggesprochen.

   St. Radegund, Oberösterreich, 1943
Als Österreich im April 1938 darüber abstimmt, ob es dem nationalsozialistischen Reich angeschlossen sein will oder nicht, stimmen in dem kleinen oberösterreichischen Dorf St. Radegund alle mit ja – bis auf einen einzigen: Franz Jägerstätter, der mit nein abstimmt. Er ist ein einfacher Bauer, der seinen Glauben mehr und mehr ernstnimmt. Als er Jahre später, 1943, sich endgültig weigert, den Dienst an der Waffe für das kriminelle Naziregime anzutreten - eine Entscheidung, die er sich betend und in inneren Kämpfen abringt, dabei (wie R. Rohr notiert) nicht einmal von seiner Frau unterstützt, die ihm, Rohr, dies persönlich mit Tränen in den Augen erzählt habe – , da bezahlt Jägerstätter diese einsame Entscheidung mit seinem Leben.

In seinen Aufzeichnungen heißt es: »Die Nachfolge Christi fordert Heldensinn. Weichliche und unentschlossene Charaktere taugen nicht dazu.«

Und weiter: »Zwischen Christentum und Weltgeist besteht allzeit ein unversöhnlicher Gegensatz. Wer es mit der Welt nicht verderben will, wird sicher Christus untreu werden.«

Er wurde Christus nicht untreu. Er war kein weichlicher Charakter. Am 9. August wird er von den Nazis mit dem Fallbeil hingerichtet. 2007 wird Franz Jägerstätter seliggesprochen.

Drei Einzelne.

Und doch: Vereint in der Gemeinschaft der Heiligen.

Grafik: Jan und Hubert van Eyck, Anbetung des Lammes. wikicommons