Nach zahllosen Irrungen und Verhängnissen, nach Teufelspakt und bitterem Erwachen findet Faust am Ende des zweiten Teils die erlösende Antwort: Es ist die Liebe, die – was der tragische Held schon im Hohelied des Apostels Paulus hätte nachlesen können – alles trägt und niemals aufhört: Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist's getan; das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.
Das Schöne an diesem geheimnisvollen Fazit ist, daß diese Liebe, wenn man nur aufmerksam genug ist, sich wahrnehmen läßt in unendlichen Variationen, Melodien, Verästelungen, Tröstungen und Heiterkeiten.
Ein Beispiel.
Am Ende seines Lebens, gerade mal einunddreißigjährig, kommen Musikanten bei Schubert zusammen und spielen ihm das cis-Moll Quartett, op 131, von Beethoven vor. Es ist Schuberts eigener Wunsch, dieses späte Streichquartett Beethovens zu hören, welches Beethoven selbst ein Jahr vor seinem Tod komponierte.
Daß dieses Werk, wie die späten Streichquartette insgesamt, zu den einsam dastehenden Meisterwerken musikalischer Kunst gehört, wurde oft genug, gerade auch von Musikern, betont. Strawinsky etwa schrieb hinsichtlich dieses Quartetts: »Die am meisten zu Herzen gehende Musik ist für mich der Beginn der Andante moderato – Variation. Seine Stimmung ist mit nichts vergleichbar (…) und seine Intensität wäre, wenn sie auch nur einen Takt länger anhielte, nicht auszuhalten.«
Schubert, der zeit seines Lebens Beethoven liebevoll verehrt, der oft genug sich überkritisch zermürbt im Gedanken, ob überhaupt jemand nach Beethoven noch etwas zuwege zu bringen vermag, hört das Quartett und ist begeistert, entzückt, ergriffen.
Fünf Tage später ist Schubert tot.
Der Musikwissenschaftler Ludwig Nohl notiert: »Das cis-Moll-Quartett war die letzte Musik, die er gehört!« Und weiter: »Dem Liederkönig hatte der König der Harmonie die Hand freundlich zur Überfahrt geboten.«
Denn die Liebe hört niemals auf, und auch der Tod setzt der Liebe keine Schranken.