Es gibt viele Möglichkeiten, Gott aus dem Weg zu gehen.
Vielleicht besteht eine der raffiniertesten Methoden, seinen Unglauben zu pflegen (denn es handelt sich um Unglauben und um Methode), welche selbst unter Katholiken weitverbreitet ist, darin, aus dem Lieben Gott jemanden zu machen, der zwar allmächtig sein mag und auch weise und auch meinethalben liebevoll, aber gewiß nicht Einer, der selbst die Haare auf meinem Kopf allesamt gezählt hat (Mt 10,30), wie es die Heilige Schrift ausdrückt. Mit anderen Worten: Gott mag alles mögliche sein, nur Eines ist Er nicht und darf Er auch nicht sein: konkret.
Und in der Attitüde des jovialen und verzeihenden Bonhomme, der die Spielregeln der Welt durchschaut hat, sagt der betreffende Ungläubige dann womöglich noch: Ich versteh’ das ja, denn der Liebe Gott hat sich um weitaus wichtigere Dinge zu kümmern als um meine Angelegenheiten.
Dieser Liebe Gott ist freilich kein Lieber Gott, sondern ein kümmerlicher und bedauernswerter.
Und um diesen Zerrbild den Garaus zu machen, könnte es hilfreich sein, mal ein klitzekleines konkretes Beispiel aus dem Leben des heiligen Johannes vom Kreuz an sich heran zu lassen.
Es ist am Ende seines Lebens, als Juan, ausgezehrt, krank, verstoßen, verbraucht bis auf die Knochen, sich auf der letzten seiner ungezählten Reisen seines Lebens befindet. Die Karmelitin Teresia Benedicta a Cruce (bürgerlich Edith Stein) berichtet über diese letzte Reise in ihrem Buch Kreuzeswissenschaft. Darin heißt es:
»Es ist ein richtiger Leidensweg. Er (Johannes vom Kreuz) hat seit mehreren Tagen nichts mehr genießen können und kann sich vor Schwäche kaum im Sattel halten. Und sein krankes Bein schmerzt, als würde es ihm abgeschnitten. Dort war ja der Sitz des Übels: Es war erst angeschwollen, dann hatten sich nacheinander fünf eiternde Wunden geöffnet. Sie gaben dem Heiligen Anlaß zu dem Gebet: ›Vielmals danke ich Dir, mein Herr Jesus Christus, daß Eure Majestät mir an diesem Fuß allein die fünf Wunden verleihen wollte, die Eure Majestät an Füßen, Händen und Seite hatte: wodurch habe ich eine so große Gnade verdient?‹Wie bitte? Ein Bündel Spargel?
Und er klagte auch bei den denkbar größten Schmerzen nicht, sondern ertrug alles mit der größten Geduld.
Nun muß er in diesem Zustand sieben Meilen weit auf Bergwegen reiten. Es geht sehr langsam voran. Er spricht mit dem Bruder, der ihn begleitet, von Gott.
Als sie drei Meilen zurückgelegt haben, schlägt der Gefährte eine Rast am Ufer des Guadalimar vor: ›Im Schatten dieser Brücke können Hochwürden etwas ruhen; die Freude, das Wasser zu sehen, wird Ihnen Appetit auf einen Bissen machen.‹ ›Gern will ich ruhen, denn ich habe es nötig; aber essen kann ich nicht, denn von allem, was Gott geschaffen hat, habe ich auf nichts Appetit als auf Spargel, und die gibt es jetzt nicht.‹
Der Bruder hilft ihm absteigen und niedersitzen. Da bemerken sie auf einem Stein ein Bündel Spargel, mit einem Weidenband gebunden, wie für den Markt. Der Bruder glaubt an ein Wunder. Aber Johannes will nichts davon hören. Er läßt ihn nach dem Eigentümer suchen, und als nirgends jemand zu entdecken ist, muß er einen cuarto als Entschädigung auf den Stein legen.«
Ja, ein Bündel Spargel. Denn der Liebe Gott ist sich tatsächlich nicht zu schade, sich noch um ein Bündel Spargel für einen seiner Lieblinge zu kümmern.
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