Nach seinen eigenen Worten schöpfte er »aus den nie versiegenden Quellen der Bibel, des Meßbuchs, der Kirchenväter, der Imitatio Christi (Nachfolge Christi)«.
Und da das Licht des Schöpfungsmorgens für den, der geöffnete Sinne hat, weiterhin leuchtet, findet er die Herrlichkeit des Kosmos überall: In den Steinen, den Bergen, den Sternen, den Regenbögen und auch den Vogelstimmen, die er, als ausgewiesener Ornithologe, in seinem Werk immer wieder zu Wort kommen läßt: etwa die Rotkehlchen oder die Seidensänger oder die Mönchsgrasmücke.
Er ist noch ein Kind, als ihn seine Eltern eines Tages in die Sainte Chapelle in Paris mitnehmen, die wegen ihrer herrlichen Glasfenster weltberühmt ist. Der kleine Olivier ist überwältigt, ergriffen von den Lichtspielen in den Fensterscheiben. Diese Ergriffenheit verläßt Messiaen nie mehr. Und seine Töne sind seine bescheidenen Mittel, die Farben der himmlischen Stadt zu besingen.
»All dies Geblendetsein«, so er, »ist eine große Lektion. Es zeigt uns, daß Gott jenseits von Worten, Gedanken und Konzepten ist (…) Und wenn die musikalische Malerei und die farbige Musik, die Klangfarbe Ihn preisen, überwältigt durch das Licht, stimmen sie in den herrlichen Lobpreis des Gloria ein, der zu Gott und Christus sagt: Du allein bist heilig. Du allein der Höchste.«Wen könnte es bei soviel Hingerissensein in das unaustrinkbare Licht der göttlichen Geheimnisse noch wundern, daß Olivier Messiaen trunken ist vom Licht des Ostermorgens und also auch von Grünewalds Darstellung des triumphierenden Auferstandenen?
»Was hat Matthias Grünewald gemacht, als er auf seinem Isenheimer Altar die Auferstehung Christi malen wollte? Mein Vater, ich bin auferstanden, ich bin wieder bei Dir! Dieser Triumph- und Freudenschrei ist in dem majestätisch erleuchteten Antlitz, in der dem Flug der Arme und Beine entgegengesetzten Statik der Arme, in den außergewöhnlichen Falten des Leintuchs, im stürmischen Wind und in der Sternennacht, aber er ist vor allem im Regenbogen, im blaugrünen, roten und goldenen Kreis, der von der Gestalt Christi her zu entstehen und dessen Widerschein das ganze Gewand zu durchleuchten scheint. Dieses Licht ist es, von dem Johannes spricht: Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen.«
Messiaens kontemplative Auferstehungsbegeisterung kann man hören. Zum Beispiel hier: Et expecto resurrectionem mortuorum (1964):
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