Damit ist nicht gemeint, wie ein gängiges Cliché meint, daß hier zwei gleichberechtigte Gegner sich duellierend gegenüberstanden: hier Christus, dort der Widersacher. Es gehört vielmehr zur Hybris des Widersachers, überhaupt auch nur zu wähnen, er könne Christus, das Leben, auslöschen.
Ostern zeigt, daß der Widersacher der Besiegte ist, auf immer, und daß seine Zeit, wie es die Apokalypse des heiligen Johannes nennt, nur mehr eine kurze ist: »Weh aber euch, Land und Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen, seine Wut ist groß, weil er weiß, daß ihm nur noch eine kurze Frist bleibt« (Offb 12,12).
Man kann das Ostergeschehen vielfach zu verstehen suchen, auch in einer gleichsam medizinischen Weise. Etwa so: Christus, der wahrnimmt, wie tödlich erkrankt die Menschheit in toto ist, stellt sich zur Verfügung, um dieser Menschheit das Antidot für deren tödliche Erkrankung zu erwirken. Er läßt sich den tödlichen Biß der Schlange verabreichen, um daraufhin in Seinem Leib das Heilmittel, die göttlichen Antikörper, zu schaffen.
Der Tod kommt damit an sein Ende. Und mehr noch: Auch der tödlich verwundete Mensch wird nun der Zugang zum Leben neu eröffnet, da er in Christus teilhaben kann am göttlichen Serum.
Michelangelo hat diesen göttlichen Tausch – Christus übernimmt den Tod, damit der Mensch das Leben gewinnt – auf seine Weise dargestellt. Die Pietà (siehe letzten Beitrag) ist ineins Darstellung des toten Christus im Schoß seiner Mutter wie auch Darstellung des Mysteriums der Todesüberwindung.
Ein winziges, jahrhundertelang übersehenes Detail offenbart den unendlichen Sieg Christi. Michelangelo verleiht dem toten Christus einen fünften Schneidezahn. In der christlichen Ikonographie ist diese anatomische Anomalie Zeichen der Sünde. Die Bedeutung entschlüsselt sich danach nahezu von selbst: Sterbend bringt Christus dem Tod den Tod. Der göttliche Sohn nimmt den Tod, den überschüssigen Zahn der Sünde, in sich auf, ER verschlingt wortwörtlich die Sünde und gibt so dem Tod den endgültigen Todesstoß.
Mors et Vita duello
Conflixere mirando;
Dux vitæ mortuus
Regnat vivus.
Tod und Leben rangen
in wundersamem Zweikampf.
Der Fürst des Lebens, gestorben,
herrscht lebend.
Literatur: Marco Bussagli, I denti di Michelangelo, 2014.