Samstag, 30. April 2022

Tristitia

Jeder Leser von großer Literatur wird sie kennen. Jeder Bewunderer großer Kunst wird sie kennen: Die Traurigkeit.

Damit ist nicht gemeint, daß große Kunst eventuell Vorgänge thematisiert, die mit Depression, Niedergeschlagenheit oder gar Verzweiflung zu tun haben. Das gibt es. Aber das meinen wir hier nicht.

Der Apostel Paulus kann einem weiterhelfen. Er schreibt im 2. Korintherbrief 7,10 von zweierlei Arten der Traurigkeit: Von der Traurigkeit gemäß Gottes (secundum Deum tristitia) und von der weltlichen Traurigkeit (saeculi autem tristitia).

Große Kunst nun erhellt eben diese Differenz. Sie zeigt, daß bei aller Größe der künstlerischen Bewältigung ein Rest oder auch ein Spalt bleibt, der sich nicht wohlgefällig schließen läßt. Woher der Verrat? Woher die menschlichen Gemeinheiten? Woher die Treuebrüche?

David Copperfield, zum Beispiel, ist ein Meisterwerk. Man muß nur die Geschichte Steerforths und dessen Ende lesen, um zu wissen, wovon wir hier schreiben. Dickens weiß um die hehren Güter der Freundschaft und Liebe und Treue. Und zugleich weiß er um den Menschen, der die Treue bricht.

Große Kunst erhellt damit die Kluft zwischen der eigentlichen Bestimmung des Menschen, die - trotz modischer Dekonstruktionsversuchen - nie aufgehoben werden kann, nämlich die Krone der Schöpfung zu sein, und der realen Anfälligkeit des Menschen, der seine Würde mißachtet. Aus diesem Wissen, welches die große Kunst nicht verschweigt oder verfälscht, resultiert das tiefe Leiden des Künstlers an der Welt, und das heißt zuallernächst: An sich selbst.

Léon Bloy hat es so formuliert: »Es gibt nur eine Traurigkeit im Leben: Kein Heiliger zu sein.« Das ist die gottgewollte Traurigkeit.

Da der wahre Künstler diese Traurigkeit (die laut Paulus »Sinnesänderung zum Heil bewirkt«) als Riß im eigenen Fleisch und im Fleisch der gefallenen Welt insgesamt wahrnimmt und ineins damit die Sehnsucht nach dem ewigen Verheilen des Risses nicht auslöscht, sondern von eben dieser brennenden Sehnsucht sich verbrennen läßt, indem er das Leiden am Unheiligen nicht als unwiderruflich hinnimmt, sondern als Stachel, der ihn, den armen Künstler, in die sich ausstreckende, schmerzliche wie beglückende heilsame Unruhe versetzt, wird die Grundbedingung des schöpferischen Prozesses überhaupt erst gelegt und kann, gratia Dei, das Meisterwerk entstehen.
                                                                                                                                             
Dieses ist oftmals ein Spätwerk.

Der große Künstler hat sein ganzes Leben gerungen, um die angedeutete Kluft zu schließen. Und dann, nach mühseliger Wanderung und Pilgerschaft, in der alles Überflüssige und allzu Glänzende abfällt, während nur mehr das azurne Blau des Himmels bleibt und also die makellose Luft der Höhe, die bekanntlich sehr dünn ist, entsteht die Pietà Rondanini. 

Sie ist unvollendet, und auch das gehört zum späten, demütigen Meisterwerk, denn es soll offenbar werden, daß die endgültige Heilung des Risses dem ewigen Künstler vorbehalten ist.

Grafik: Michelangelo, Pietà Rondanini.
Von G.dallorto - Eigenes Werk, Attribution, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1543131

Samstag, 23. April 2022

Si consurrexistis

Die biologische Tatsache, daß der Mensch zwei Lungenflügel hat, wendete Papst Johannes Paul II. 1980, anläßlich der Ernennung der Slawenapostel Cyrill und Methodius zu Europaheiligen, ins Geistliche, indem er davon sprach, daß das christliche Europa »auf beiden Lungenflügeln atmen« müsse, nämlich dem römisch-lateinischen wie auch dem slawisch-byzantinischen.

Wir wollen diese Anregung aufnehmen und zwar anhand zweier Auferstehungsbilder, die gut zu zeigen vermögen, wie die wechselseitige Befruchtung und Bereicherung des beidseitigen Atmens ausschauen kann.

Die klassische Auferstehungikone der Westkirche -  repräsentativ sei hier auf Grünewalds Christus verwiesen – stellt den auferstandenen Herrn als den glorreichen Sieger dar. Das gleichsam explodierende Licht des Ostermorgens umstrahlt ihn. Die Wunden, dem Betrachter hingehalten, sind die verklärten Zeichen des Sieges. Der Weltherrscher lebt in unangefochtener Majestät. Die in den Darstellungen oftmals am Boden niedergestreckten ohnmächtigen römischen Soldaten vervollständigen das Bild des Triumphators. Die einzig logische Reaktion auf diesen herrlichen Überwinder des Todes ist die Anbetung beziehungsweise die lobpreisende Prostratio, das Niederfallen vor dem König des Alls.

Die Ostkirche hat einen anderen Typos ausgebildet.

Die berühmte orthodoxe Anastasis-Ikone stellt naturgemäß auch den österlichen Sieger dar, dessen Gewand im unvergänglichen Taborlicht leuchtet, doch zugleich mit dem siegreichen Bezwinger des Hades’ und des Todes zeigt die Ostkirche den Menschen, der dem Tod verfallen war und der nun von eben dem herrlichen Sieger gerettet wird.

Adam, der Prototyp des gefallenen Menschen, wird von der Hand des Auferstandenen aus seinem tödlichen Elend herausgezogen und emporgehoben in den Ostermorgen hinein.

Das aber heißt, daß die Ikonenkunst des Ostens zur Darstellung bringt, was der Völkerapostel Paulus im Kolosserbrief 3,1f in die Worte faßt: 

»Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid, so strebt nach dem, was oben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt! Richtet euren Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das Irdische! Denn ihr seid gestorben und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott.«
Die Sprengkraft dieser Worte muß man an sich heranlassen. Daß Christus zu unserem Heil seinen Himmel verlassen hat, bekennen wir im Credo. Daß er für uns Blut geschwitzt hat und gegeißelt und gekreuzigt wurde, beten wir in jedem schmerzhaften Rosenkranz. Für uns und also auch für mich ist Christus gekommen und hat den Tod erlitten.

Wir neigen jedoch zu vergessen, daß auch die Auferstehung für uns ist: Si consurrexistis… Wenn ihr mit Christus auferstanden seid. Denn wenn wir, wie der gefallene Adam, uns von der Hand des Auferstandenen ergreifen lassen, sind wir wortwörtlich Mit-Auferstehende.

Es ist wie immer. Da der Mensch ein Gebilde aus Staub ist, muß er nicht viel tun. Von ihm wird, seinem kränklichen Status entsprechend, wenig verlangt, doch dieses Wenige sollte er tun. Er sollte, wie die Emmausjünger, zum Auferstandenen sagen: Bleibe bei uns, Herr. Und er sollte, seine Hand ausstreckend nach dem einzigen Retter, sich von seinem Heiland ergreifen lassen. Und er sollte seinen Retter liebend anbeten und er sollte vor dem ewig Unbegreiflichen, der aus unergründlicher Barmherzigkeit Seine Hand dir zum Begreifen hinhält, lobpreisend niederfallen.

Er sollte… Aber wenn der Mensch endlich zu begreifen beginnt, dann ist das Sollen längst zu einem Dürfen geworden. Aus der Pflicht ist der grenzenlose Dank geworden, aus dem Muß das verstehende Verehren.

Und dann, ja dann, atmet der Mensch auf.

Grafiken: wikicommons                                                                          

Freitag, 15. April 2022

Karfreitag 2022

    »Laßt uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit.«

Hebräerbrief 4, 16


 Grafik: Photo by Grant Whitty on Unsplash

Samstag, 9. April 2022

Und die Wahrheit blieb da

1947 veröffentlichte der englische Lyriker W. H. Auden sein Werk The Age of Anxiety (Das Zeitalter der Angst), welches Berühmtheit erlangte.

Mittlerweile sind über siebzig Jahre vergangen, und, wie es scheint, könnte heute ein neues Zeitalter in Versen besungen werden, das Zeitalter der Fälschungen.

Ein gebürtiger Russe, der - polyglott - sich bestens auskennt sowohl im Osten wie im Westen, sagte in einem privaten Kreis dieser Tage, daß selbst er, als Russe, Mühe habe, eindeutig zu erkennen, was an russischen Verlautbarungen der Wahrheit entspreche.

Kein Wunder, denn wir sind in das Zeitalter der Fälschungen eingetreten. Dem vorausgegangen ist die Abschaffung der Wahrheit.

Dostojewskis bekanntes Diktum fällt einem ein: »Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt.« Man müßte ergänzen: Wenn es keinen Gott und also keine absolute Wahrheit gibt, dann herrscht die Fälschung und also das Zwielicht.

Es wäre allerdings verkürzt zu meinen, es ginge nur um Kriegspropaganda in einem aktuellen Konflikt. Der Krieg ist ubiquitär, und dies seit langem. Nur: Es gehört zu den forcierten Fälschungen, daß das ideologische Kriegsgeschehen, welches uns permanent überrollt, nicht als solches bezeichnet, sondern als Akt der Humanität verkauft wird. Was ist es zum Beispiel anderes als eine Kriegserklärung, wenn seit Jahren die Wahrheit schlechthin, die sprichwörtlich nackte Wahrheit, nämlich die unverrückbare Wahrheit des biologischen Geschlechts, als beliebig klassifiziert wird? Oder wenn jährlich ungeborene Kinder, deren wahres Antlitz im bildgebenden Verfahren des Ultraschalls sichtbar ist, millionenfach durch Abtreibungen getötet werden?

Alles fließt, so die neue Devise. Die Wahrheit ist nicht länger Fundament, sondern Treibsand. Die Konsequenz dieser Wüste ist, daß die conditio humana in die Fänge der Fälscher gerät. Einer der Propagandisten der perfekten Fälschungen fabuliert vom Menschen der Zukunft, die jetzt angebrochen sei. Der homo sapiens sei ad acta gelegt. Der Mensch sei nichts weiter als eine Maschine, die hackbar ist. Der zukünftige Homunculus als Cyborg.

Man wird an Nietzsche erinnert. »Ich erkenne dich wohl«, heißt es im Zarathustra, »du bist der Mörder Gottes! Laß mich gehn. Du ertrugst den nicht, der dich sah - der dich immer und durch und durch sah, du häßlichster Mensch! Du nahmst Rache an diesem Zeugen!«

Die Rache der Konstrukteure des neuen babylonischen Turms ist deutlich spürbar in der aggressiven Verbissenheit, mit der sie den christlichen Schöpfergott und jedes noch so entfernte Konzept von Wahrheit attackieren. Tabula rasa, so das Programm der Technokraten. Versprochen wird dafür das künstliche Paradies. Doch was wir tagein tagaus erleben, sind nicht die paradiesischen Beglückungen, sondern die faulen Früchte der Fälschungen.

»Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt!«, so noch einmal Nietzsche.

Ist damit alles aussichtslos? keineswegs. Es bedeutet vielmehr, daß der Kampf um die Wahrheit im Zeitalter der Fälschungen härter und reiner wird. 

Es tut gut, in diesem Zusammenhang die Vision des heiligen Nikolaus von Flüe zu bedenken, die Vision, die unter dem Namen Pilgervision bekannt wurde und die in souveräner Sicht die Wahrheit, der keine Fälschungen und kein Fliehen und keine Gebreste was anhaben können, aufstrahlen läßt. Darin heißt es:

»Ihm deucht im Geiste, daß ein Mann in Pilgers Gestalt zu ihm kam: Einen Stab in der Hand, den Hut hinten abwärts gekrempelt und im Mantel. Er kam von Sonnenaufgang, stand vor ihn hin und sang: Alleluia. Und als er sang, trug die Gegend seine Stimme; das Erdreich und alles, was zwischen Himmel und Erde war, unterstützten seine Stimme wie die kleinen Orgeln die Große. Drei vollkommene Worte kamen aus seinem Munde und endeten so genau mitsammen, wie die stark vorschnellende Feder in das Schloß schießt. Drei vollkommene Worte waren es; keines fiel mit den anderen zusammen und doch redete er nur ein Wort.
Als der Pilger diesen Gesang vollendet, bat er den Menschen um eine Gabe. Und plötzlich hatte dieser - weiß nicht woher - einen Pfennig in der Hand. Der Pilger zog den Hut und empfing den Pfennig darein. Und der Mensch hatte nie gewußt, daß es eine so große Ehrwürdigkeit sei, eine Gabe in den Hut zu empfangen. Der Mensch wunderte übel, wer der sei und von wo er käme. Und er stand vor ihn und sah ihn an.
Da hatte er sich verwandelt: Barhaupt war er jetzt, in blauem oder grauem Rock und ohne Mantel, ein so adeliger wohl geschaffener Mann, daß er ihn nur mit merklicher Lust und Begehr anschauen konnte. Sein Antlitz war gebräunt, so daß es ihm adelige Zier gab. Seine Augen schwarz wie der Magnet, seine Glieder so wohlgestaltet, daß es eine besondere Herrlichkeit an ihm war. Und obwohl er in den Kleidern steckte, hinderten diese nicht, seine Glieder zu sehen.
Und wie er ihn so unverdrossen ansah, heftete der Pilger seine Augen auf ihn. Da erschienen viele, große Wunder; der Pilatusberg versank in den Erdboden, und offen lag die ganze Welt, so daß alle Sünden in der Welt sichtbar wurden. Und es erschien eine große Menge Menschen und hinter den Menschen stand die Wahrheit, denn alle hatten ihr Angesicht von der Wahrheit abgewandt. Und es trat an allen ein großes Gebrest am Herzen zutage, so groß wie zwei Fäuste zusammen. Der Eigennutz war dieses Gebrest, der irrte die Leute so stark, daß sie des Mannes Angesicht nicht zu ertragen vermochten, so wenig ein Mensch die Feuerflammen erleiden kann. Und in grimmiger Angst fuhren sie umher und zurück mit großem Schimpf und Schand; er sah sie fern hinfahren. Und die Wahrheit - der Mann - blieb da.«

Grafik:
Photo by Ben Allan on Unsplash

Samstag, 2. April 2022

Schaffe Schweigen!

Es gehört dies zu den härtesten Worten Jesu: »Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tage des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen, denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden« (Matthäus-Evangelium 12,36f).

Die Warnung Jesu trifft um so härter, da wir in einer Zeit leben, die tagein tagaus geschwätzig ist. Bezeichnenderweise ist das Format, welches auf sämtlichen Fernsehkanälen gustiert wird, die Talkshow, mit anderen Worten das institutionalisierte Geschwätz.

Daß der Mensch mit dem Wort behutsam umzugehen hat, sollte jeder ernstzunehmende Christ wissen. Die Kirche in ihrer Liturgie erinnert gleich zu Beginn der heiligen Messe die Gläubigen daran, daß es auch die Sünden des Wortes gibt: Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken, heißt es im Schuldbekenntnis. Denn das Wort hat seine ureigene Dignität, und der Mensch als Träger und Hörer des Wortes ist dem Geist des Wortes verpflichtet. Das aber heißt, er ist Christus verpflichtet, dem fleischgewordenen WORT.

An den Christen der frühmonastischen Zeit kann man diesbezüglich neu lernen, wie groß und ehrfurchtgebietend der rechte Umgang mit dem Wort ist.

Zu den Wüstenvätern kamen die damaligen Ratsuchenden mit einer Bitte, die sehr schlicht lautete: Vater, gib mir ein Wort.

Der in die Wüste Aufgebrochene, der, oft in einer Lebenskrise, den Mönch aufsuchte, um Weisung und Orientierung für sein versehrtes Leben zu empfangen, traf nicht auf einen geistlichen Vater, der schwätzte. Der Wüstenvater war vielmehr derjenige, der in der Stille gelernt hatte, sich vorzubereiten, um das WORT zu empfangen, das Wort Gottes.

Der Wüstenvater nahm sich zu Herzen, was der Herr beim Propheten Jesaia sagt: »So ist es auch mit dem Wort, das Meinen Mund verläßt: Es kehrt nicht leer zu Mir zurück, sondern bewirkt, was Ich will, und erreicht all das, wozu Ich es ausgesandt habe« (55,11). Gott braucht keine langen Traktate und Abhandlungen. Wenn Er komm sagt, dann genügt das, und wenn Er Folge Mir nach sagt, dann genügt auch das.

Darum machte der Wüstenvater, der in die Schule Gottes ging, nicht viele Worte, wenn er dem in die Wüste Gekommenen ein erbetetes, göttliches Wort mit auf den Heimweg gab, wohl wissend, daß dieses Wort den Schüler, wenn es liebevoll gekaut und wiedergekaut wurde, reinigen, läutern und erleuchten würde. Denn das geistliche Wort war und ist das Lebensmittel, welches nährt und in der liebevollen Besinnung Frucht bringt.

Die drei grundlegenden Voraussetzungen für die Fruchtbarkeit des Wortes sind damit aufgezeigt: Ich muß aufbrechen, ich muß still werden und ich muß empfangsbereit sein. Das aber heißt: Ich muß viel loslassen: Die Gewohnheit, das Geschwätz und das Geschäftemachen.

Das Stillwerden zählt unter den wesentlichen Bedingungen der Wandlung heutzutage zum Schwierigsten. Kierkegaard hat dies bereits sehr hellsichtig zu seiner Zeit erkannt. Er gibt zur Selbstprüfung zu bedenken:

»Betrachtet man - wozu man vom christlichen Standpunkt aus gewiß berechtigt ist - den jetzigen Zustand der Welt und das ganze Leben, so müßte man sagen. Es ist eine Krankheit. Wenn ich ein Arzt wäre und mich einer fragte: Was meinst du, muß getan werden?, so würde ich antworten: Das Erste, was getan werden muß, und die unbedingte Voraussetzung dazu, daß überhaupt etwas getan werden kann, ist: Schaffe Schweigen! Gebiete Schweigen!
Gottes Wort kann ja nicht gehört werden, und wenn es mit Hilfe lärmender Mittel geräuschvoll hinausgerufen wird, damit man es auch im Getöse hören kann, so bleibt es nicht Gottes Wort. Schaffe Schweigen!!
Ach, alles lärmt (…) Der Mensch, dieser gewitzigte Kopf, sinnt fast Tag und Nacht darüber nach, wie er zur Verstärkung des Lärms immer neue Mittel erfinden und mit größtmöglicher Hast das Geräusch und das leere Gerede möglichst überallhin verbreiten kann. Ja, was man auf solche Weise erreicht, ist wohl bald das Umgekehrte: die Mitteilung ist an Bedeutungsfülle wohl bald auf den niedrigsten Stand gebracht, und gleichzeitig haben umgekehrt die Mittel der Mitteilung in Richtung auf eilige und alles überflutende Ausbreitung wohl das Höchstmaß erreicht, denn was wird wohl hastiger in Umlauf gebracht als das Geschwätz?! Und anderseits: Was findet willigere Aufnahme als das Geschwätz?! - O, schaffe Schweigen!!«

Grafik: Photo by Scott Umstattd on Unsplash